In Zeiten hoher Inflation sind zwei Prozent eigentlich keine Größe, für die jemand auf die Straße gehen oder die Arbeit einstellen müsste. In dem aktuellen Streik jedoch, den die Vertretung der amerikanischen Schauspieler (SAG-AFTRA) am vergangenen Donnerstag ausgerufen hat, sind zwei Prozent einer der springenden Punkte. Zwei Prozent aller Einnahmen aus einer Fernsehshow sollen künftig an die Darsteller ausgeschüttet werden. Das klingt zuerst plausibel, ist im Detail aber kompliziert.

Denn die großen Streamer wie Netflix veröffentlichen kaum Zahlen über die Erfolge ihres Programms. In diese Lücke ist die Firma Parrot Analytics gestoßen, die einen Rechenmodus erstellt hat, mit dem sich die Einkünfte von Medienunternehmen feststellen lassen. Und damit die Größe des Kuchens, um den in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie mit dem Streik nicht nur der Schauspieler, sondern auch schon seit Mai der Drehbuchautoren derzeit gefeilscht wird.

Zeitenwandel

Es ist ein Arbeitskampf im Zeichen eines Epochenwandels. Eine Gewerkschaft, die vom Superstar bis zur dritten Schlägervisage links hinten neben der Säule im Bild und zum Stuntman aus dem Kanonenrohr für die ganze Vielfalt der Schauspielbranche steht, trifft auf einen Produzentenverband AMPTP, der zunehmend das Potenzial der digitalen Technologien begreift. Eine aktuelle Episode aus der Serie Black Mirror hat das schon hochgerechnet: In Joan Is Awful bekommt man es mit einem Reality-TV-Format zu tun, das private Ereignisse in Windeseile in eine Serie umrechnet, für die Stars nur noch Lizenzgebühren für ihr Gesicht bekommen, alles Weitere kommt aus dem Computer. Und der morgendliche Streit mit dem Lebensgefährten ist abends schon auf Sendung, mit Salma Hayek in einer Hauptrolle, von der die Schauspielerin im Detail gar nichts weiß.

Der Kulturbetrieb hat sich an beständige Expansion gewöhnt. Zuerst kam das Lesen durch das Fernsehen unter Druck, dann das Kino durch das Internet und zuletzt alles zusammen durch Tiktok. Es spricht einiges dafür, dass wir erst jetzt allmählich herausfinden, was mit der Digitalisierung wirklich an Veränderung möglich ist. Die vergangenen dreißig Jahre könnten sich dabei als trügerisches goldenes Zeitalter erweisen. Dass seit Mitte der 1990er-Jahre die Erzähler im Fernsehen ihre Talente wuchern lassen konnten, dass Serien wie Die Sopranos, Mad Men oder The Crown mit epischer Geduld in den hintersten Winkeln der menschlichen Gefühle stierln konnten, gehört im Rückblick in die Zeit des Kabelfernsehens, also einer ersten Explosion der Sendekanäle und Verwertungsketten.

Fran Drescher
Fran Drescher kennen die meisten in ihrer Rolle als die "Nanny" in der gleichnamigen Serie, sie ist auch die Präsidentin der Schauspieler-Gewerkschaft, die nun einen Streik ausgerufen hat.
AFP/VALERIE MACON

Inzwischen haben sich Strukturen gebildet, in denen Monopole auf gigantischen Datenbergen sitzen, und Kreativität muss sich neben den Rezepten und Ideen behaupten, die auf Rechenleistung und Meterware beruhen.

SAG-AFTRA will, auch das ist bezeichnend, Bildmaterial von ihren Mitgliedern nur jeweils für ein Projekt lizenzieren, also weiterrechenbar machen. Der Produzentenverband hingegen will Gesicht und Gestalt von Komparsen einmal "kaufen" und dann beliebig mit diesen Daten arbeiten dürfen. Im Streik ist das die vielleicht relevanteste Nebensache. Wenn Hollywood irgendwann den Betrieb wiederaufnimmt, dürfte es sich um eine Branche handeln, deren Gesetze wir neu lernen müssen. (Bert Rebhandl, 17.7.2023)