Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, warum es rechtlich ratsam sein kann, eine Scheidung nicht zu überstürzen. 

Wenn es in Beziehungen oder auch in Ehen kriselt, wird oftmals zumindest auf einer Seite der Wunsch nach einer raschen Scheidung artikuliert. Auch wenn die Ehe langjährig war, ist die Tendenz doch, dass die Person, die den Trennungsentschluss gefasst hat, die Ehe möglichst rasch, effizient und kostengünstig beenden möchte. Klingt grundsätzlich gut. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Ehe an sich ein auflösungsfeindlicher Vertrag und die Idee einer Ehe langfristig ist. Die Ehe ist kein Abonnement, das sich so einfach abbestellen lässt. Manchmal braucht es nicht nur emotional Zeit, um abzuschließen, sondern es ist auch rechtlich ratsam, nichts zu überstürzen.

Eine Frau und ein Mann sitzen mit verschränkten Armen nebeneinander
Die Ehe ist kein Abonnement, das sich so einfach abbestellen lässt.
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Sind Männer öfter schuld?

In Österreich gilt immer noch das Verschuldensprinzip. Es gibt zwar Bestrebungen, dieses abzuschaffen, allerdings ist weder klar, ob, noch wann das passieren wird und in welcher Form. Nachehelicher Unterhalt hängt wesentlich am Verschulden. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass wenn ein Gericht zum Schluss kommt, dass eine Seite allein oder überwiegen schuld ist am Ehe-Aus, dies finanzielle Nachteile in Form von nachehelichem Unterhalt bedeuten kann. Laut Statistik Austria erfolgten Jahr 2021 12.456 beziehungsweise 85,8 Prozent aller Ehescheidungen einvernehmlich. Bei den insgesamt 1.803 strittig geschiedenen Ehen war zu 46 Prozent der Mann schuld, zu 8,9 Prozent die Frau, zu 32,4 Prozent beide sowie in 12,8 Prozent der Fälle keiner von beiden. Was in dieser Statistik nicht aufscheint, ist, dass oftmals Scheidungen, die mit einer Klage starten, dann nach (gerichtlichen) Verhandlungen doch einvernehmlich geschieden werden.

Eine rasche Scheidung als Vorteil?

Wenn Menschen sich aus einer Ehe lösen möchten, gibt es unterschiedliche Optionen, wie und ob das Projekt Scheidung begonnen wird. Dabei kommt es stark auf die Perspektive an. Man stelle sich eine Ehe vor, in der eine Person beispielsweise Alleinverdienerin oder Alleinverdiener war, aus der vier Kinder hervorgegangen sind und die 20 Jahre gedauert hat. Für die wirtschaftlich stärkere Person wäre eine rasche, einvernehmliche und kostengünstige Scheidung, mit einem Unterhaltsverzicht sehr vorteilhaft. Für die andere Person überhaupt nicht.

Konzept Scheidung nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft

Kann man sich mit dem Partner oder der Partnerin auf eine Scheidung verständigen und sich über die Scheidungsfolgen einigen, ist eine einvernehmliche Scheidung möglich. Lehnt eine Person zwar eine Scheidung ab, kann man ihr aber Eheverfehlungen vorwerfen, die zum Scheitern der Ehe geführt haben, ist es mittels Klage möglich eine Scheidung anstreben. Kann man die "bessere Hälfte" weder von einer einvernehmlichen Scheidung überzeugen noch ihr etwas vorwerfen, ist es schwieriger.

Vorauszuschicken ist, dass es in der Ehe grundsätzlich die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen gibt. In einer Krisensituation oder einem Streit einfach auszuziehen ist jedenfalls aus rechtlicher Sicht nicht ratsam, weil der Auszug aus der Ehewohnung als schwere Eheverfehlung gewertet werden kann. Ist das Zusammenleben unerträglich, empfiehlt es sich (schriftlich) zu vereinbaren, dass man mit getrennten Wohnsitzen einverstanden ist.

Ist die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben, so kann jeder der Eheleute (also auch der oder die "schuld" ist am Ehe-Aus) wegen tiefgreifender unheilbarer Zerrüttung die Scheidung anstreben. Das Gericht wird diesem Wunsch nicht stattgeben, wenn es zur Überzeugung kommt, dass die Ehe doch wieder werden kann. Außerdem auf Verlangen des scheidungsunwilligen Teils, wenn der klagende Ehegatte die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat und der nicht scheidungswillige Part durch die Scheidung härter getroffen wäre als der klagende Part von der Abweisung des Scheidungsbegehrens. In so einer Konstellation schauen sich Gerichte alle Umstände an und wägen ab. Unter anderem kommt es auf die Dauer der Ehe, auf Alter und Gesundheit der Ehegatten und das Wohl der Kinder an. Nach sechs Jahren der (räumlichen) Trennung ist dem Scheidungsbegehren jedenfalls nachzugeben.

Auswirkungen einer "privilegierten" Scheidung

Wird nach einer solchen Klage, nach dreijähriger Trennung, im Urteil schließlich festgehalten, dass der Kläger oder die Klägerin allein oder überwiegend schuld ist an der Scheidung, kann das für den "unschuldigen" Ehegatten, der trotz der Eheverfehlungen des anderen an der Ehe festhalten wollte, große unterhalts- und pensionsversicherungsrechtliche Vorteile bedeuten. So wird man dann bezüglich des Unterhaltsanspruchs auch nach der Scheidung so gestellt wie bei aufrechter Ehe. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, beispielsweise kann das der Fall sein, wenn die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert hat, die beklagte Partei, die an der Ehe festhalten wollte, mindestens 40 Jahre alt und der klagende Teil "schuld" ist.

Warum es manchmal keine Scheidung sein muss

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer (raschen) Scheidung stark darauf ankommt, wer fragt. Für eine Person, die selbst nicht oder nur wenig erwerbstätig war und viel Care-Arbeit im Laufe der langjährigen Ehe geleistet hat, während die andere Person verdient hat, kann es in manchen Konstellationen vielleicht sogar ratsamer sein, eine Scheidung selbst nicht anzustreben. Selbst oder gerade, wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin zur neuen Freundin oder zum neuen Freund gezogen ist, um ein plakatives Beispiel zu bemühen. Es kann also sinnvoll sein, alle Optionen zu prüfen, ob es "besser" ist, selbst mittels Klage aktiv zu werden, oder ob es schlauer wäre zu warten, bis die andere Person nach drei Jahren aus der Ehe strebt. Manchmal kann man sich vielleicht mit dem Partner oder der Partnerin auch einfach auf Modalitäten einer Trennung verständigen, die für beide passen – ganz ohne eine Scheidung. (Theresa Kamp, 18.7.2023)