Über das bosnische Flüchtlingslager Lipa und die darin befindliche Hafteinheit wird seit Monaten von vielen Medien kritisch berichtet – nun beschäftigt es auch ein österreichisches Gericht. Der Errichter der stacheldrahtumzäunten Containerabteilung, das Internationale Zentrum für Integrationspolitik (ICMPD), hat die NGO SOS Balkanroute und ihren Obmann Petar Rosandić wegen Kreditschädigung geklagt.

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DER STANDARD

Verlangt werden Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung. Der Streitwert beträgt 34.000 Euro plus 21.000 Euro Anwaltskosten.

Zum Verfahren am Mittwochnachmittag am Wiener Handelsgericht wird ein Prozessbeobachter von Amnesty International erwartet, auch viele anderen NGOs wollen Leute schicken. Es gehe um "den Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung", heißt es in einer Aussendung.

Camp Lipa in Bosnien
Das Camp Lipa in Bosnien: Die noch nicht in Betrieb befindliche Hafteinheit ist innerhalb des Lagers nochmals mit einem stacheldrahtbewerten Zaun gesichert.
Foto: Adelheid Wölfl

Hafteinheit im Camp kostete 500.000 Euro

Grund der Klage ist unter anderem ein Twitter-Posting Rosandićs über die um 500.000 Euro aus EU-Töpfen errichtete Hafteinheit vom heurigen 11. April. "Das wird Österreichs Guantanamo" lautet der Text, darunter ist das Gesicht eines durch den Zaun fotografierten Lipa-Insassen zu sehen. Das ist eine Anspielung auf das menschenrechtswidrige US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba – sowie den engen Österreich-Bezug von ICMPD. Dieses hat Standorte in Wien und Zürich und wird mit Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger von einem prominenten Österreicher geleitet.

Durch das Posting und andere Veröffentlichungen werde der "unmittelbare Eindruck erweckt", ICMPD habe im Camp Lipa ein "Gefängnis im Sinn einer Einrichtung zur systematischen Folterung" errichtet, argumentieren die für das Zentrum einschreitenden Rechtsanwälte der Suppan/Spiegl/Zeller OG in ihrer Klagsschrift. Auch werde ICMPD fälschlicherweise in Zusammenhang mit den widerrechtlichen Pushbacks aus Kroatien nach Bosnien gebracht, die an dieser Grenze tatsächlich seit Jahren stattfinden.

Versuch, Gegner mundtot zu machen

Ganz anders sieht das die – auch für den Standard tätige – Medienanwältin Maria Windhager, die Rosandić und SOS Balkanroute in der Sache vertritt. Hier handle es sich um eine "Slapp-Klage gegen eine zivilgesellschaftliche Organisation und gegen eine Privatperson wegen unliebsamer Kritik", schreibt sie in ihrem vorbereitenden Schriftsatz. Slapp steht für "Strategic Lawsuits against Public Participation".

Damit sind strategische Klagen gemeint, um Kritiker mundtot zu machen. Das befürchtet in Sachen Lipa auch Windhager.

Im Begriff "österreichisches Guantanamo" sieht die Medienanwältin wiederum nichts Widerrechtliches. Hier sei ein "kritisches, plakatives, überspitztes Werturteil über ein geplantes Gefängnis in einem Lager" abgegeben worden, "in dem ohnehin bereits desaströse, besorgniserregende und menschenunwürdige Zustände herrschen". Das sei zulässig. (Irene Brickner, 18.7.2023)