Dinosaurier, Säugetiere, Beute
Repenomamus robustus greift Psittacosaurus lujiatunensis an, wenige Momente ehe beide von einer Schlammlawine begraben werden. Etwa so stellen sich die Forschenden das Szenario in der Unterkreidezeit vor.
Illustr.: Michael Skrepnick

Die Dinosaurier waren ab der Oberen Trias vor rund 230 Millionen Jahren die Beherrscher der Erde. Die Säugetiere dagegen traten erst nach dem fatalen Einschlag des Asteroiden vor 66 Millionen Jahren aus ihrem Schatten hervor. Dass sich die kleinen Säuger mit den Königen der Ära angelegt hätten, mag daher unwahrscheinlich klingen – und doch belegt nun ein seltenes Fossil, dass räuberische Säugetiere auch größere Dinos nicht verschmäht haben.

Das versteinerte Ensemble eint zwei Spezies, die zum Zeitpunkt ihres Todes seit vielen Millionen Jahren auf zwei unterschiedlichen Ästen des Stammbaums zu Hause sind. Es zeigt einen ungleichen Zweikampf vor 125 Millionen Jahren, inmitten der Bewegung eingefroren; die Kontrahenten sind Psittacosaurus lujiatunensis, ein pflanzenfressender Vogelbeckensaurier, und Repenomamus robustus, ein Säuger etwa von der Größe eines Dachses.

Dinosaurier, Säugetiere, Beute
Ein Dinosaurier und ein Säugetier, seit 125 Millionen Jahren in tödlicher Umarmung.
Foto: Gang Han

Triceratops-Verwandter

Psittacosaurus war Mitglied jener Gruppe, die auch den gepanzerten Riesen Triceratops hervorgebracht hat, und zählte zu den frühesten bekannten gehörnten Dinosauriern. Die Spezies lebte in Asien und verschwand vor etwa 105 Millionen Jahren. Repenomamus robustus wiederum dürfte seinen Artnamen zweifellos verdient haben. Zu Füßen der Giganten machte der Winzling offenbar auch Jagd auf Beute, die deutlich größer war als er selbst.

Das zumindest schließt ein kanadisch-chinesisches Forschungsteam aus der Anordnung der fossilen Überreste. Dass auf dem Speisezettel des agilen Säugers auch Jungtiere von Psittacosaurus standen, zeigten bereits entsprechende andere Fossilien. "Die Koexistenz dieser beiden Tiere ist also nicht neu, aber was der Wissenschaft durch dieses erstaunliche Fossil sehr wohl neu ist, ist dieses räuberische Verhalten, das es zeigt", erklärte Jordan Mallon vom Canadian Museum of Nature.

Dinosaurier, Säugetiere, Beute
Dieselbe Szene, nur mit Haut, Schuppen und Fell.
Illustr.: Michael Skrepnick

Chinas "Dinosaurier-Pompeji"

Das Fossil wurde 2012 in der chinesischen Provinz Liaoning gefunden und zeigt zwei nahezu vollständige Skelette. Dieser hervorragende Erhaltungszustand ist dem Fundort zu verdanken: Die Liujitun-Formation gilt als "Chinas "Dinosaurier-Pompeji", denn hier begruben einst Schlammlawinen im Gefolge eines oder mehrerer Vulkanausbrüche unzählige Tiere unter sich und konservierten ihre Formen bis zum heutigen Tag.

Bisher war das Fossil noch keiner genaueren Analyse unterzogen worden, die bestätigen oder widerlegen würde, was zwischen den beiden Spezies tatsächlich vorgeht. Um das nachzuholen, nahmen Mallon und seine Gruppe die Versteinerung genauer unter die Lupe: Tatsächlich liegt hier Psittacosaurus in Bauchlage mit unter dem Leib zusammengeklappten Beinen; der Kopf ist seitlich weggebogen und liegt auf dem Boden.

Dinosaurier, Säugetiere, Beute
Die Detailaufnahme zeigt die Kiefer des Säugetiers. Möglicherweise hat der Räuber auch eine Rippe des Dinos erwischt.
Foto: Gang Han

Repenomamus sitzt auf dem Körper und windet sich regelrecht; seine Kiefer halten eines der Vorderbeine von Psittacosaurus fest gepackt. Außerdem krallt sich der hintere Fuß von Repenomamus im Hinterbein des Dinosauriers fest. "Die Gesamtheit dieser Eindrücke deutet darauf hin, dass hier ein aktiver Angriff im Gange war", sagte Mallon.

Wagemutiger Räuber

Dass sich das Säugetier im Augenblick des Todes über einen toten Dinosaurier hergemacht hatte, schließen die Forschenden eher aus, denn die dafür typischen Scharten in den Knochen von Psittacosaurus fehlten. Die Position des Repenomamus über dem Dinosaurier legt vielmehr einen Angriff nahe, schreibt das Team im Fachjournal "Scientific Reports". "Die beiden Tiere sind in einen tödlichen Kampf verwickelt und eng miteinander verflochten", sagte Mallon. "Daher glauben wir, dass wir einen der ersten Belege für ein solches räuberisches Verhalten eines Säugetiers gegenüber eines größeren Dinosaurier vor uns haben", meinte Mallon.

Ob der Fund das Bild vom Gleichgewicht der Kräfte zwischen Dinos und Säugern nachhaltig verändern wird, bleibt abzuwarten. Mallon und sein Team sind jedenfalls davon überzeugt, dass in den vulkanischen Ablagerungen der Lujiatun-Formation noch weitere Beweise für den umfangreichen Speiseplan der frühen Säuger schlummern. (Thomas Bergmayr, 19.7.2023)