Wien – Viagra – genau:das potenzsteigernde Mittel – unterliegt als Medikament einem vergünstigten Steuersatz von zehn Prozent. Die Anti-Baby-Pille nicht. Für Verhütungspillen fallen die gewöhnlichen zwanzig Prozent Umsatzsteuer an. Die Grünen kritisieren diesen Umstand schon lange: Im April forderte die grüne Frauensprecherin Meri Disoski zuletzt kostenlose Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche als Kassenleistung. Nun erhebt sie die Forderung – in abgespeckter Form – in Richtung Koalitionspartner. Konkret wollen die Grünen eine "Steuersenkung" bei Verhütungsmitteln wie Pille und Spirale erreichen. Zudem sollten Schwangerschaftsabbrüche einem geringeren Steuersatz unterliegen, wenn es nach der Ökopartei geht. Die ÖVP sei diesbezüglich gefordert.

Über einem Kalender nimmt sich eine Frau die nächste Pille aus einer Monatspackung der Antibabypille.
Die Grünen wollen für die Anti-Baby-Pille einen niedrigeren Steuersatz.
APA/dpa/Annette Riedl

Disoski hat nun eine parlamentarische Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) gestellt. Wissen will sie etwa, ob der Ressortchef die Wiedereinführung der "Umsatzsteuerfreiheit für Langzeitverhütungsmittel" plane. Sie fragt auch, wie der Finanzminister die Unterschiede im Steuersystem erklärt – was eben beispielsweise Viagra und die Pille betrifft. Steuerpolitik "für Männer" "Unsere Welt ist eine von Männern für Männer gemachte – auch in der Steuerpolitik", wird Disoski in einer begleitenden Aussendung zitiert. Sie könne und werde nicht akzeptieren, dass Frauen und Mädchen über das Steuersystem bei ihrer Gesundheitsversorgung strukturell benachteiligt und "in ihren reproduktiven Rechten eingeschränkt werden".

Das Finanzministerium reagiert trocken: Ein Sprecher verweist auf Anfrage des STANDARD lediglich auf die Anfragebeantwortung an Disoski, die "fristgerecht geliefert" werde. Aus der ÖVP heißt es, dass Forderungen der Grünen bezüglich steuerbegünstigter Verhütungsmittel in Verhandlungen bisher kein Thema gewesen seien. Man rechne damit, dass der kleine Koalitionspartner auch noch auf anderem Weg auf die ÖVP zukommen werde. Man müsse sich die Details ansehen.

Disoski kritisiert darüber hinaus die "eklatante Ungleichbehandlung" von künstlichen Befruchtungen und Schwangerschaftsabbrüchen: "Während eine künstliche Befruchtung steuerlich absetzbar ist, ist das bei einem Schwangerschaftsabbruch nicht der Fall." Kinderkriegen werde begünstigt, Verhütung und Abtreibungen würden hingegen steuerlich bestraft. Disoski vermutet dahinter politische Motive: "Das ist rein ideologisch begründet und führt zu einer unfairen Besteuerung von ungewollt Schwangeren."

Neos für Recht auf Verhütung

Die Neos fordern kostenfreie Verhütung bis zum 18. Lebensjahr. "Verhütung darf keine Frage der Leistbarkeit sein. Sie ist ein persönliches Recht jeder Frau", so ein Statement von Frauensprecherin Henrike Brandstötter. Sie riet den Grünen, sich "in den eigenen Ressorts, etwa dem Gesundheitsministerium, für die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen" starkzumachen. Etwa für "Social Egg Freezing", das vorsorgliche Einfrieren unbefruchteter Eizellen ohne medizinische Notwendigkeit, das in Österreich verboten ist.

Die FPÖ reagierte mit Ablehnung: Anstatt etwas gegen die Teuerung zu tun, "beschäftigen sich die Grünen lieber mit den eigenen ideologischen Auswüchsen", wird Familien- und Frauensprecherin Rosa Ecker in einer Aussendung zitiert. Schwangerschaftsabbrüche permanent als etwas Positives zu bewerben sei eine "ideologische Perversion" der Grünen, "um unser traditionelles Frauen- und Familienbild sukzessive aus unseren Köpfen zu entfernen".

Die FPÖ stehe für die Beibehaltung der Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch sowie für einen Ausbau des Beratungsangebots und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Der erste Gedanke einer schwangeren Frau dürfe nicht der Abbruch sein. Dass sich Grüne und ÖVP immer wieder "Forderungen per Aussendung mitteilen", wertete Ecker schließlich als "Beleg dafür, dass die Koalition am Ende ist", und plädierte für Neuwahlen. (Katharina Mittelstaedt, APA, 19.7.2023)