Ein Soldat der 47. mechanisierten Brigade der Ukraine auf dem Fahrersitz eines Bradley.
Die Mannschaft dieses M2 Bradleys der 47. mechanisierten Brigade soll zwei T-72 ausgeschaltet haben.
REUTERS, Rfe/Rl/Serhii Nuzhnenko

Die dreiköpfige Besatzung eines M2 Bradleys der 47. mechanisierten Brigade der ukrainischen Armee soll laut Regierungsangaben der Ukraine zwei russische T-72-Kampfpanzer bei Kampfhandlungen in der südukrainischen Oblast Saporischschja außer Gefecht gesetzt haben. "Beide russischen Panzer wurden sofort verbrannt", schrieb die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar in einem Posting auf Telegram.

Unabhängig überprüfbar sind die Angaben freilich nicht, auch weil Orts- und Zeitangaben des Kampfes fehlen. Lediglich Fotos zeigen die Besatzungsmitglieder eines M2 Bradleys aus US-Produktion. Nachdem die 47. Brigade und ihre Partnerbrigade, die 33. mechanisierte Brigade, in der Anfangsphase der ukrainischen Gegenoffensive im Süden der Ukraine Anfang Juni schwere Verluste durch russische Minen außerhalb von Mala Tokmachka erlitten hatten, kämpften sie sich mehrere Kilometer nach Süden bis zum Stadtrand von Robotyne vor, wo sich die Russen eingegraben hatten.

Ein kürzlich veröffentlichtes Video aus dem Sektor Robotyne soll ukrainische Truppen zeigen, die in einem kürzlich von den Russen eroberten Graben Deckung suchen. Währenddessen nimmt ein M2 russische Truppen in der Nähe unter Feuer. Laut den Darstellungen der Vize-Verteidigungsministerin war das Kampffahrzeug zunächst von beiden Seiten von russischer Infanterie umzingelt.

"Und als die Angreifer mit einer automatischen Kanone vernichtet wurden, kündigten die Russen eine regelrechte Jagd auf den ukrainischen Bradley an. Der Feind schickte kurzerhand ein Paar T-72 in den Kampf", so Maljar. Normalerweise sollten derartige Kampfpanzer einem Schützenpanzer wie dem Bradley in einer direkten Konfrontation überlegen sein, doch anscheinend dürfte es der Crew gelungen sein, die beiden Angreifer mit TOW-Panzerabwehrraketen zu vernichten.

Laut Maljar ist westliche Ausrüstung wie ein Magnet für die russischen Angreifer, die alles daran setzen würden, das Nato-Equipment zu zerstören: "Sobald ein Bradley an der Frontlinie auftaucht, setzen die Russen alles ein, was sie haben. Von Granatwerfern über Artillerie bis hin zu Kampfhubschraubern."

Eigentlich kein Panzerkiller

Der M2 Bradley ist eigentlich nicht für direkte Konfrontationen mit schwer gepanzerten feindlichen Einheiten gemacht. Der 25 Tonnen schwere Schützenpanzer wird eher als Transportmittel und zur Unterstützung der Infanterie eingesetzt. Dafür ist der Bradley mit einer 25-mm-Maschinenkanone M242 Bushmaster ausgestattet, die auch panzerbrechende Geschosse verschießen kann. Darunter befinden sich auch sogenannte APFSDS (Armour Piercing Fin Stabilized Discarding Sabot), also flügelstabilisierte Wuchtgeschosse aus abgereichertem Uran.

Diese wurden speziell für die Bekämpfung von stark gepanzerten Zielen sowie Kampfhubschraubern entwickelt, weil sich die herkömmliche panzerbrechende Munition als unzureichend erwies. Eine interne Analyse der Army aus Daten des Golfkrieges zeigte, dass die alte Variante der Munition für die Bushmaster nur aus nächster Nähe geeignet sei, um ältere Feindpanzer zu durchschlagen – und selbst dann nur, wenn eine Schwachstelle getroffen wird.

Deshalb wurde die neue Munition vom Typ M919 entwickelt. Die genaue Durchschlagsleistung wird aber geheim gehalten. Außerdem kann der Bradley hochexplosive Brandmunition gegen ungepanzerte – sogenannte weiche Ziele wie Fahrzeuge oder feindliche Soldaten – einsetzen. Die effektive Reichweite der Bushmaster liegt bei 2.500 Metern, wobei die Genauigkeit auf diese Distanz doch erheblich abnimmt.

M2 Bradleys während einer Übung in Polen. An der linken Turmseite sind die abgeklappten TOW-Werfer zu erkennen.
M2 Bradleys während einer Übung in Polen. An der linken Turmseite sind die abgeklappten TOW-Werfer zu erkennen.
IMAGO/ZUMA Wire/U.S. Army

Dem Bericht von Maljar zufolge dürfte die Mannschaft des Bradleys aber die Lenkflugkörper eingesetzt haben, um die angreifenden T-72 auszuschalten. Der M2 hat insgesamt sieben TOW-Lenkwaffen an Bord, zwei davon im Werfer, fünf in Reserve. Dabei handelt es sich um drahtgelenkte Panzerabwehrwaffen mit einer theoretischen Reichweite von bis zu 3.750 Metern. Nach dem Start spult der Lenkflugkörper zwei Drähte ab, über die Lenkkommandos übertragen werden. Diese werden in einer Zielverfolgungseinheit im Fahrzeug errechnet und an die TOW weitergegeben.

Der Schütze muss während des knapp 20 Sekunden dauernden Fluges das Ziel lediglich im Fadenkreuz behalten. In der letzten Flugphase steigt die Waffe noch einmal auf, um das Ziel von oben anzugreifen – wo der Panzerschutz üblicherweise geringer ist als von vorn.

Überlegene Optiken

Noch wichtiger als die Bewaffnung ist aber wahrscheinlich die Optik. Diese verfügt über einen Tag- und einen Wärmebildkanal und wird vom Richtschützen bedient, aber auch der Kommandant kann auf sie zugreifen. Ab der Version A3 hat der Kommandant ein eigenes unabhängiges Wärmebildgerät. Der Großteil der russischen T-72 verfügt nur über eingeschränkte Nachtsichtfähigkeiten, da sie noch die ältere Technologie der Infrarotscheinwerfer vom Typ "Luna" einsetzen.

Modernere Infrarotoptiken wurden von Russland gebraucht aus Frankreich importiert, mit dem Überfall auf die Ukraine und den westlichen Sanktionen versiegte auch diese Quelle. Der Mangel an hochwertigen Optiken dürfte mit ein Grund sein, warum der T-14 Armata, Russlands angeblich fortschrittlichster Panzer, nur in äußerst geringer Stückzahl vorhanden ist. (Peter Zellinger, 20.7.2023)