Frau sitzt auf Yogamatte, zu einer Hälfte ist sie in Business-Kleidung, zur anderen im Yoga-Outfit
Durch kleine Pausen mit körperlichen und mentalen Übungen kann man den Fokus immer wieder auf sich selbst richten.
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Am 24. Juli ist Tag der Selbstfürsorge. Zeit, sich selbst zu fragen: Wie geht es mir gerade? Denn Belastungen, egal ob im Job oder im Privaten, erschweren den Alltag. Zwischen Beruf, Familie, Partnerschaft, Sozialleben, Erziehungsfragen, der Sorge um Angehörige oder finanziellen Herausforderungen bleibt das eigene Ich oft auf der Strecke. Was kann man tun, damit man nicht aus der Balance fällt? Nur wer ausreichend auf sich selbst achtet, kann seinen Alltag ausgeglichen bewältigen und auch gut für andere da sein.

"Wir sind täglich mit verschiedensten Anforderungen, To-dos, Erledigungen und Sorgen konfrontiert. Umso wichtiger ist es, sich selbst nicht zu vergessen und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen", betont Martina Genser-Medlitsch. Sie ist Klinische und Gesundheitspsychologin und arbeitet beim Hilfswerk beim Projekt "Keep Balance". Täglich führt sie in ihrer Beratungsarbeit mit Hilfesuchenden Gespräche.

Life-Life-Balance muss im Lot sein

Gibt es derzeit einen erhöhten Bedarf an Hilfsangeboten für mentale Gesundheit? Die Expertin meint, die Nachfrage nach helfenden Gesprächen und hohe Belastungen gab es schon immer. Aber erfreulicherweise wird das Tabu rund um die mentale Gesundheit gerade etwas aufgebrochen. Vor allem seit der Corona-Pandemie. Auch im öffentlichen Diskurs ist das Thema nun sichtbarer.

Genser-Medlitsch selbst spricht gerne von der Life-Life-Balance statt der Work-Life-Balance. Ein Berufs-Ich und ein Privat-Ich gäbe es ihrer Meinung nach nicht: "Auch in der Arbeit bringe ich meine Werte, Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten ein. Es geht immer um mein Leben und soziale Beziehungen – auch im Job." In beiden Sphären ist man Mensch und verbringt viel Lebenszeit in der Arbeit.

Aber eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatem sei trotzdem sehr wichtig, um die innere Balance zu halten oder wiederherzustellen. Doch wie schafft man das? "Der Heimweg von der Arbeit dient dazu gut. Man könnte zum Beispiel einen neuen Weg wählen oder zu Fuß oder mit dem Rad fahren. So kann im Kopf ein klarer Szenenwechsel stattfinden." Im Homeoffice ist das schwerer, vor allem wenn man keinen eigenen Büroraum hat. Laptop zu und Arbeitsmaterialien weg, empfiehlt Martina Genser-Medlitsch.

Selbstfürsorge-Tipps für den Arbeitsalltag

Wie kann nun mehr Achtsamkeit im Arbeitsalltag gelingen? Es gehe immer um die Rückbesinnung auf seine eigenen Grenzen, Erwartungen und Möglichkeiten. Was brauche ich? Was tut mir gut? Wo sind meine Grenzen? Die individuellen Antworten auf diese Fragen sind nicht für jeden klar. In der Flut der Aufgaben, die wir täglich bewältigen, haben wir oft verlernt, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und unsere Grenzen zu respektieren, so Alexander Rieder, Psychotherapeut und Berater des Hilfswerks.

Ein Tagebuch zu schreiben kann dabei helfen, mehr über die eigenen Gedanken und Gefühle zu erfahren und zu einer positiven Einstellung zu finden, rät Rieder. Was hat mir heute besonders Freude bereitet? Wofür bin ich dankbar – am jeweiligen Tag und allgemein? Auch Selbstkritik zu reduzieren und den eigenen Perfektionismus einzuschränken sind der Selbstfürsorge zuträglich.

Auch im Arbeitsalltag kann man Achtsamkeitsübungen einbauen. "Schon kleine Erholungsphasen und Pausen sind Gold wert – besonders wenn sie mit körperlichen und mentalen Übungen verschränkt werden", sagt Genser-Medlitsch. "Zählen Sie zum Beispiel die Schritte bis zum Kaffeeautomaten, schließen Sie die Augen, hören Sie dem Mahlen der Kaffeebohnen zu und nehmen Sie den Geruch des frisch gebrühten Getränks bewusst wahr." Alle Sinne zu verwenden helfe dabei, den Fokus nach innen zu verlagern.

Wie man auch auf andere achtet

Das Wort Selbstfürsorge ist vor allem im Arbeitskontext etwas irreführend, meint Genser-Medlitsch. Denn Führungskräfte sollten nicht nur auf sich selbst achten, sondern auch den Zustand ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick haben und die richtigen Bedingungen für gutes Arbeiten gewähren. Jedem stehe beispielsweise zu, sich kurz zur Entspannung auszuklinken. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, entlaste ebenfalls viele Mitarbeitende. "Es geht um das gegenseitige Wahrnehmen der Kapazitäten", sagt Genser-Medlitsch.

Doch wie kann man als Kollegin oder Führungskraft Betroffene ansprechen? "Viele haben Angst, die betroffene Person anzusprechen, weil man nicht wisse, wie diese reagiert. Aber die Betroffenen sind meist schon sehr froh, beachtet und ernst genommen zu werden. Nachfragen, die eignen Beobachtungen schildern und zuhören sind gute erste Schritte." Man müsse auch nicht alle Lösungen parat haben. Auf die eigenen Möglichkeiten und auch Grenzen zu achten sei essenziell. Ist man mit seinem Latein am Ende, kann man den Betroffenen oder die Betroffene auch an andere Beratungsstellen weitergeleiten.

Sich im Job zu öffnen und über die eigenen Belastungen zu sprechen ist nicht immer leicht. Doch je mehr Personen sich auch im Arbeitskontext anderen anvertrauen, desto eher können alle aufeinander achten und sich entlasten. Und je mehr gegenseitige Fürsorge betrieben wird, desto eher können allen Beteiligten in Balance bleiben. (red, Natascha Ickert, 24.7.2023)