Skulptur von Maria Bartuszová
Maria Bartuszová übergoss Ballons mit Gips, ließ sie zerplatzen sie und formte so fragile Skulpturen.
Tate Images

Ihre Karriere begann eigentlich im Spielerischen. Als Maria Bartuszová Anfang der 1960er-Jahre mit ihrer damals noch kleinen Tochter mit Gips experimentierte, entdeckte sie dabei neue Methoden, um ihr künstlerisches Lieblingsmaterial zu bearbeiten. Sie entwickelte daraufhin spezielle Techniken, die sie in ihrer 30 Jahre andauernden Schaffensphase als Bildhauerin verfeinerte und perfektionierte.

Egal, ob man heute ihre zarten Skulpturen, Wandreliefs oder sogar Installationen im öffentlichen Raum betrachtet: Allen liegt eine spielerische Federleichtigkeit zugrunde.

Für ihre bekannteste Serie Endless Egg übergoss die 1936 in Prag geborene Künstlerin – die ab Mitte der Sechziger bis zu ihrem Tod 1996 im slowakischen Košice lebte – beispielsweise Luftballons mit Gips, blies diese auf und ließ sie dann platzen. So entstanden abstrakte Objekte mit hauchdünner, stellenweise aufgebrochener Schale, die nicht nur in ihrer Optik an Eier erinnern.

Ausstellungsansicht von Maria Bartuszová im Museum der Moderne Salzburg
Die Gestaltung der Ausstellung bezieht sich auf die größte Einzelschau zu Lebzeiten Bartuszovás, die die Künstlerin selbst entwarf.
Museum der Moderne Salzburg / Rainer Iglar

Von London nach Salzburg

Bartuszovás Werke sind nämlich fragil. So sehr, dass sie kaum mehr verliehen werden, erzählt Harald Krejci. Noch bevor Krejci vom Belvedere als Direktor ans Museum der Moderne Salzburg wechselte, war er an dem Konzept der Werkschau beteiligt, die von der Tate Modern in Kooperation mit der Institution am Mönchsberg realisiert wurde. In London lief sie nach mehreren Corona-bedingten Verschiebungen ab Herbst 2022 und wurde sogar bis Ende Juni dieses Jahres verlängert.

Dass Krejci so ein Kaliber nach Salzburg holt – und nicht, wie ursprünglich geplant, ins Bundesmuseum nach Wien –, ist ein kleiner Coup für die Stadt, in der dieser Tage die Festspiele starten.

Mit der Retrospektive, die rund 80 Objekte von Bartuszová und zahlreiche Fotografien ihrer öffentlichen Skulpturen in der ehemaligen Tschechoslowakei zusammenträgt, ist nicht nur die bisher größte Werkschau der Künstlerin, sondern auch eine exzellente und in sich runde Sommerausstellung gelungen.

Maria Bartuszová in ihrem Atelier mit Skulpturen
Maria Bartuszová 1987 in ihrem Atelier im slowakischen Košice.
The Archive of Maria Bartuszová, Košice

Kaliber im Spotlight

Dabei gilt Maria Bartuszová nicht unbedingt als typische Neuentdeckung, ihr Werk war in Kunstkreisen und unter Expertinnen durchaus bekannt. Doch erhält ihr umfangreiches Œuvre aus etwa 500 Objekten erst seit einigen Jahren verstärkt Aufmerksamkeit. Ein internationales Spotlight, das sie verdient.

Obwohl sie mit ihren abstrakten Skulpturen dem streng figurativen Stil des sozialistischen Realismus widersprach, wurde sie in den 70er-Jahren mit Arbeiten im öffentlichen Raum beauftragt, die auch heute noch zu sehen sind.

Ein wichtiger Boost für die Wahrnehmung ihres Werks war bestimmt ihre Präsentation 2007 auf der Documenta 12 in Kassel. 2014 widmete ihr das Museum of Modern Art in Warschau eine Ausstellung, 2022 war sie auf der Venedig-Biennale vertreten. Ihre größte Einzelschau zu Lebzeiten hatte Bartuszová 1988 in Košice, die sie auch selbst mitkonzipierte. Daran orientierte sich Krejci, der in Salzburg mit Marijana Schneider kuratierte, und er nahm Details dieser Raumgestaltung in die jetzige Schau auf.

Skulptur von Maria Bartuszová
Die Formensprache der Künstlerin orientierte sich vor allem bei ihren frühen Arbeiten an organischen, oft runden Vorbildern.
The Archive of Maria Bartuszová, Košice / Michael Brzezinski

Zweideutige Spielchen

Vor steingrauen Wänden sind Objekte aus weißem Gips und Aluminium in Vitrinen sowie auf Sockeln versammelt. Manche hängen von der Decke oder als Relief an der Wand. Die Naturverbundenheit Bartuszovás drückt sich im Einsatz von Steinen oder Holzstücken aus, die sie mit ihren soft wirkenden Skulpturen kombinierte. Mit Schnüren verbunden wachsen ihre Schalen zu ganzen Nestern an. Für eine Installation legte sie Ende der 80er unzählige ihrer Eierwerke in die Krone eines Zwetschgenbaums ihres Gartens.

Die Formensprache der Künstlerin orientierte sich vor allem bei ihren frühen Arbeiten an organischen, oft runden Vorbildern. Da verwundert es nicht, dass sie an Früchte oder Geschlechtsteile erinnern. Eine dezent sexuelle Konnotation, die zu Bartuszovás tropfenförmigen Objekten passt: Zur Herstellung befüllte sie keine Ballons, sondern Kondome.

Ausstellungsansicht von Maria Bartuszová im Museum der Moderne Salzburg
Egal, ob zarte Skulptur oder Wandrelief: Allen liegt eine spielerische Federleichtigkeit zugrunde.
Museum der Moderne Salzburg / Rainer Iglar

Ein weiteres Spiel trieb die Bildhauerin offensichtlich mit Gegensätzen: Volle und hohle sowie leichte und massive Skulpturen wechseln sich ab oder ergänzen einander.

Abgerundet wird die Ausstellung mit einem überraschend kreativ gestalteten Raum für Kunstvermittlung. Weil Bartuszová selbst Workshops für blinde oder sehbeeinträchtigte Kinder abhielt, um ihnen den taktilen Charakter ihrer Werke zu vermitteln und so einen Zugang zu Kunst zu verschaffen, werden solche Kurse nun in der Schau angeboten.

Spielerisch darf man sich dem Material Gips nähern. Ganz im Sinne der Erfinderin. (Katharina Rustler, 23.7.2023)