Ein Mähdrescher fährt durch ein Getreidefeld.
Auch Ackerflächen mussten in den vergangenen Jahren Beton weichen.
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Eine neue McDonald’s-Filiale am Rande einer Bezirkshauptstadt, ein neues Logistikzentrum auf der grünen Wiese, ein Einkaufszentrum mit Parkplätzen, das immer noch wächst, neue Einfamilienhäuser am Rande einer kleinen Gemeinde – Bauprojekte, wie es sie in erklecklicher Zahl wohl in jedem österreichischen Bundesland gibt. Die Menschen brauchen Wohnraum, sie wollen sich vergnügen und müssen sich versorgen – der moderne Lebensstil ist ressoucenverschlingend. Das schlägt sich im Bodenverbrauch nieder. 11,3 Hektar: So viel Boden geht in Österreich laut dem Umweltbundesamt täglich durch Flächenfraß verloren, konkret im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre.

Fläche, die auch für den Anbau von Getreide, Mais, Erdäpfeln, Salat oder Obst verloren ist. Wie viel das genau ausmacht, dieser Frage ist das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in einer aktuellen Studie für die Hagelversicherung auf den Grund gegangen. Der Titel der Studie nimmt das Ergebnis vorweg: "Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller". Das Ausmaß ist demnach keineswegs vernachlässigbar. Laut der Studie wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten ganze 130.000 Hektar verbaut. Das entspricht der gesamten Ackerfläche des Burgenlands. Österreich habe, so die Hagelversicherung, etwa eine weitaus höhere Supermarktdichte als der große Nachbar Deutschland: Während in Deutschland auf 100.00 Bewohner 40 Supermärkte kämen, seien es in Österreich 60. Nicht von ungefähr kommt also, dass auch das Straßennetz dichter ist als in dem Nachbarland.

Weniger Ackerfläche

Legt man Bevölkerungswachstum und den Verlust von Ackerland laut Agrarstrukturerhebung zugrunde – seit dem Jahr 1999 ist eine Fläche von insgesamt 72.362 Hektar an Äckern verlorengegangen – so schrumpfte die Fläche der entsprechenden Böden von 1750 Quadratmeter auf 1460 Quadratmeter pro Person. Standen 1999 noch 1,395 Millionen Hektar für die landwirtschaftliche Nutzung als Ackerfläche zur Verfügung, waren es 2020 nur noch 1,323 Millionen. Beton knabbert stetig an der Lebensgrundlage, lautet die Botschaft. Umgerechnet in Versorgungsleistung bedeutet all das, dass "in Österreich binnen zwei Jahrzehnten rund 480.000 Menschen pro Jahr weniger ernährt werden können", so Studienautor Franz Sinabell.

Eine Straße führt an einem Feld entlang. Am Rand parkt ein Traktor mit Anhänger während am Feld ein Mähdrescher unterwegs ist. 
Der Bodenverbrauch hierzulande ist hoch. Noch konnte man sich nicht auf eine neue Bodenstrategie einigen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Die Hagelversicherung, die sich seit Jahren beim Thema Bodenverbrauch engagiert, warnt vor Engpässen in der Lebensmittelversorgung durch das ungebremste Verbauen von Ackerfläche. Denn im Regierungsprogramm steht zwar, dass der Bodenverbrauch bis 2030 auf 2,5 Hektar am Tag reduziert werden soll, doch würden die Daten zum aktuellen Flächenverbrauch darauf hinweisen, dass dieses Ziel wohl verfehlt werden würde. Die Entwicklung beim Bodenverbrauch gehe in die verkehrte Richtung, warnt der Vorstandsvorsitzende Kurt Weinberger und erinnert daran, dass "Verbauung das größte Umweltproblem in Österreich" sei.

Mehr Importe

Doch nicht nur das ist ein Problem, wie die Wifo-Studie zeigt. Mit dem Verlust an Ackerland sinkt auch der Selbstversorgungsgrad, und Österreich wird zunehmend von Importen abhängig. Bei Kartoffeln etwa habe Österreich mittlerweile nur mehr 80 Prozent Selbstversorgung und beim Brotgetreide rund 90 Prozent. "Ohne Böden keine Landwirtschaft, ohne Landwirtschaft kein Essen, und ohne Essen kein Leben", warnt Hagelversicherungschef Weinberger. Die Hagelversicherung hat einen weiteren Vergleich angestellt, der das Problem illustriert. Wenn man die verfügbare Ackerfläche zugrunde legt, dann werden in Österreich jährlich 0,56 Prozent und in Deutschland jährlich 0,22 Prozent verbaut.

Eine Einigung auf die neue Bodenstrategie ist im Juni – wie berichtet – sehr überraschend nicht zustande gekommen. Nach dem eineinhalbjährigen Verhandlungsprozess scheiterte man an wichtigen Detailfragen: Wie verbindlich sollen die Ziele sein, was genau soll zum Flächenfraß gezählt werden? Jetzt soll eine Arbeitsgruppe bis zum Ende des Sommers neue Vorschläge ausarbeiten. Weinberger mahnt verbindliche, quantitative Zielwerte ein und malt den Teufel an die Wand: "Wenn wir das Land mit dem Tempo wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten weiter zubetonieren, dann gibt es in 200 Jahren keine Landwirtschaft mehr in Österreich." (Regina Bruckner, 22.7.2023)