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Love-Scam – so heißt der Liebesbetrug im Internet. Es wird Interesse an einer Beziehung vorgetäuscht. Doch die Täter wollen ihren Opfern nur möglichst viel Geld aus der Tasche ziehen.

Jeder Topf findet seinen Deckel. So hat uns die Oma das immer gesagt, wenn wir noch immer nicht den passenden Beziehungsmenschen gefunden hatten. Die Sehnsucht nach trauter Zweisamkeit ist bei vielen Menschen groß, die Möglichkeiten via Onlinedating heute einfach. Egal ob Partnerbörsen, Tinder oder Bumble. Wie auf einem Running-Sushi-Band präsentieren sich Herren und Damen. Jene, die es wirklich ernst meinen – aber auch jene, die ihr Gegenüber einfach nur abzocken wollen.

Letzteres passiert sogar sehr häufig. Die Abzockmasche – auch Love-Scam genannt – funktioniert so: Erst gibt es ein Match mit einer Person. Sie schreibt jeden Tag, ist höflich, freundlich, sagt relativ schnell, wie glücklich sie über den Kontakt ist. Das baut Vertrauen auf. In nur wenigen Tagen wird nicht selten ein Liebesversprechen gegeben. Es wird Nähe vorgetäuscht, die immer über große Distanz aufgebaut wird. Das begehrte Gegenüber ist nämlich im Ausland stationiert. Arzt im Kriegsgebiet, Architekt in Dubai, Ingenieur auf einer Ölplattform. Oft geben diese Personen vor, alleinstehend zu sein. Meist verwitwet, ein oder zwei Kinder. Der Wunsch, nach diesem Einsatz mit der Internetliebe ein neues Leben anzufangen, wird sehr stark betont.

Professionelle Abzocker

Doch stopp: Was zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es auch. Hinter Mr. und Mrs. Perfect verbergen sich oft Betrüger. Viele von ihnen sitzen in Nigeria. Hinter der als "Nigeria-Connection" bekannt gewordenen Szene stehen professionelle Abzocker. Auch Ghana hat sich zu einem Hotspot für Scammer entwickelt. Sie stehlen Fotos von Facebook oder Instagram, erstellen damit Fake-Profile auf Tinder und Co und beginnen ihr perfides Spiel.

Je näher ein Treffen rückt, desto mehr Probleme tun sich auf. Der Pass ist nicht mehr gültig, und für die Ausstellung eines neuen braucht es dringend Geld. Ein Arzt im Auslandseinsatz oder ein Öl-Ingenieur müssten eigentlich genug Geld haben, um die Gebühr für einen neuen Pass bezahlen zu können – das könnte man jetzt entgegnen. Natürlich. Aber dann gab es einen Überfall, die Geldbörse wurde gestohlen. Das Ausstellen der neuen Bankkarte funktionierte nicht – es sind vermeintliche Zwischenfälle, die sich häufen. Dann wird um Geld gebeten – für den neuen Pass. Erst wenig. Dann immer mehr. So lassen sich Opfer regelrecht ausnehmen. Denn bei der Ausreise kommt es zu einem Verkehrsunfall, einer unberechtigten Inhaftierung. Was dann gebraucht wird: Geld, um den nächsten Schritt in Richtung neues Leben zu schaffen.

Man müsste doch merken, dass etwas nicht stimmt. So könnte ein Einwand lauten. Ja. Genau. Nüchtern betrachtet. Aber jene, die über Monate ihrer vermeintlichen Liebe schrieben und sich an Nähe via Handy gewöhnt haben, wollen den Traum zu Ende leben. Darin liegt das Potenzial für die Abzocke.

Achtung vor Geldwäsche

Was mit einer Überweisung via Western Union anfängt, kann sich rasch ausweiten. Denn beim einfachen Geldtransfer bleibt es nicht immer. Manche Betrüger geben vor, dass man Geld über ein Zwischenkonto des Betrogenen transferieren müsse. Hier sollten rasch die Alarmglocken läuten, denn hierbei handelt es sich meist um Geldwäsche. Der Betrogene macht sich strafbar. Er ist – im Gegensatz zu den Tätern – über lokale Behörden ausforschbar und wird im Fall der Strafverfolgung auch zur Verantwortung gezogen.

Es sind Millionen an Euros und Dollars, die Betrugsopfer Jahr für Jahr in der Hoffnung auf eine glückliche Liebesbeziehung verlieren. Trotz vieler Dokumentationen und Berichte über Love-Scam (Netflix: Der Tinder-Schwindler) reißt der Erfolg der Masche nicht ab.

Wie groß ist das Problem in Österreich, und wo lässt sich ansetzen, um diese Abzocke zu stoppen? Das hat sich das Kuratorium für Verkehrssicherheit genauer angesehen. Für die Studie "Wenn Liebe teuer wird – moderne Heiratsschwindler im Internet" wurden 92 Betrugsopfer befragt, eine Umfrage unter 1500 Österreichern ab 17 Jahren wurde durchgeführt.

Die Studie zeigt, dass 96 Prozent der Opfer weiblich waren, 70 Prozent haben ein oder mehrere Kinder, die Mehrheit (54 Prozent) lebte zur Zeit des Love-Scams allein. Auffällig viele Betroffene (36 Prozent) waren zu Beginn des Betrugs sogar noch in einer Beziehung. Knapp 75 Prozent waren nicht aktiv auf der Suche nach einem neuen Partner. Sie wurden also in Messengerdiensten wie jenem auf Facebook einfach angeschrieben – woraus sich der Kontakt ergab. Die wiederholten Forderungen nach Geld und ausgefallene Lügen haben die befragten Betroffenen letztlich stutzig gemacht. Auch das wiederholte Aufschieben von Treffen erzeugte Skepsis.

Die Dunkelfeldstudie zeigt, dass Love-Scam im Vergleich zu anderen Delikten (Phishing oder Hacking) weniger stark als Gefahr wahrgenommen wird. 42 Prozent der Befragten geben an, wenige oder keinerlei Bedenken im Zusammenhang mit dieser Art von Täuschung im Onlinebereich zu hegen. Interessant ist, dass es einen deutlichen Geschlechterunterschied gibt. Junge Frauen im Alter von 17 bis 29 Jahren haben die meisten Sicherheitsbedenken (42 Prozent), wenn es um die Vortäuschung einer Liebesbeziehung oder andere Betrugsformen (Vortäuschung einer Erbschaft) geht. Bei Männern unter 30 Jahren sehen nur 29 Prozent ein Risiko. Während die Sicherheitsbedenken bei Frauen mit zunehmendem Alter abnehmen, steigt das Risikobewusstsein bei Männern mit fortschreitendem Alter an.

Neun von zehn Befragten (88 Prozent) ist das Phänomen Love-Scam bekannt. Gut ein Fünftel (21 Prozent) kennt Love-Scam-Betroffene persönlich. Fünf Prozent der Befragten gaben an, selbst bereits einmal Geld im Zuge einer "Internetliebe" überwiesen zu haben. Hierzu zählen vor allem junge Männer unter 30 Jahren. Bei Frauen im Alter von 17 bis 29 Jahren waren es acht Prozent, die durch diese Betrugsform finanziell geschädigt wurden.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit will nun Kampagnen starten, um, auf die Zielgruppen abgestimmt, vor den Gefahren im Netz zu warnen.

Kaum Aufklärung

Denn die Opfer bleiben letztlich allein zurück – mit finanziellem Schaden und oftmals großer Scham. Das ist auch der Grund dafür, dass viele keine Anzeige erstatten. Sie wollen das Kapitel lieber schnell vergessen. Doch auch im Falle einer Anzeige ist die Aufklärungsrate verschwindend gering. Täter in Nigeria oder anderswo auszuforschen scheitert oft an den Behörden im Ausland. Ermittler erzählen davon, dass Rechtshilfeersuchen oft im Sande verlaufen. Selbst wenn man den Täter finde, könne dieser nur via internationalen Haftbefehl festgenommen werden. Hier seien auch die Staatsanwaltschaften gefordert.

Auch auf europäischer Ebene läuft die Aufklärung schleppend. Eine Kontenöffnung in Großbritannien oder Italien anzufordern sei vergebene Liebesmüh, heißt es. Aus diesen Ländern gebe es null Auskunft. Hinzu komme, dass die Täter ihre Konten oft mit gefälschten Ausweisen eröffnen. Letztlich gleiche das dann der Jagd nach einem Phantom. Und die Täter können ihr Spiel fortsetzen. (Bettina Pfluger, 23.7.2023)