Verglichen mit der Gesamtzahl der Verdächtigen der heurigen Kriminalstatistik waren Tatverdächtige meist jugendlich und männlich. (Symbolbild)
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Wien – 5.865 Hate-Crimes haben sich im Jahr 2022 ereignet, was einen Zuwachs von rund sieben Prozent bei dieser Art von Straftaten entspricht. Das geht aus dem aktuellen Bericht des Innenministeriums hervor. Erneut stechen dabei Straftaten auf Basis von "weltanschaulichen Motiven" hervor. Der Verfassungsschutz werde weiterhin mit allen Mitteln gegen die "radikalen und extremen Ränder unserer Gesellschaft" vorgehen, hieß es von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Österreichweit wurden laut Bericht im Jahr 2022 mehr Hassverbrechen als im Jahr 2021 (5.464) erfasst. Die Aufklärungsquote lag 2022 bei 68,3 Prozent und damit deutlich über der Aufklärungsquote der Kriminalstatistik (52,2 Prozent) für das vergangene Jahr. Bei den Tatmotiven führt zum zweiten Mal nach 2021 die Weltanschauung die Gründe für Straftaten mit 2.466 Registrierungen an. Als weitere besonders oft genannte Motive wurden nationale/ethnische Herkunft mit 1.968 Erfassungen sowie Religion in 630 Fällen genannt. "Beim Motiv Weltanschauung machen Verstöße gegen das Verbotsgesetz am meisten, nämlich die Hälfte aller registrierten Straftaten aus", hieß es zudem in dem Bericht.

Taten gegen Verbotsgesetz

Delikte gegen das Verbotsgesetz fallen in dem Bericht jedoch auch insgesamt auf. "Strafbare Handlungen nach dem Verbotsgesetz zeigen die stärkste Häufung und machen mit 1.969 Delikten ein Drittel der Hasskriminalität aus, gefolgt von Vermögensdelikten (1.422), Delikte gegen Leib und Leben (972) und gegen die Freiheit (815)", so ein Sprecher des Innenministeriums auf APA-Anfrage. Von insgesamt 6.779 Vorurteilsmotiven entfielen zudem 2.377 auf strafrechtliche Nebengesetze - "hiervon fast nur auf das Verbotsgesetz".

2021 führten Vermögensdelikte noch die Statistik an, gefolgt von Verstößen gegen strafrechtliche Nebengesetze. Um fast 21 Prozent zurückgegangen sind dagegen Straftaten gegen die sexuelle Integrität bzw. Selbstbestimmung. Wurden im Jahr 2021 noch 141 Delikte bei 186 Vorurteilsmotiven in diesem Bereich verzeichnet, lag die Zahl 2022 bei 112 Straftaten und 122 Motiven.

Häufiger jugendlich oder strafunmündig

Verglichen mit der Gesamtzahl der Verdächtigen der heurigen Kriminalstatistik waren Hate-Crime-Tatverdächtige häufiger jugendlich oder strafunmündig. "Sie waren außerdem zumeist männlich und hatten seltener eine fremde Staatsbürgerschaft als die Gesamtzahl aller Tatverdächtigen 2022. Diese Umstände waren besonders bei antisemitischen Straftaten auffällig", so der Bericht. Hingegen sei der Anteil an Verdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei christen- und muslimfeindlichen Straftaten sowie bei Hate-Crimes gegen das Geschlecht sowie die sexuelle Orientierung erhöht. 42 Prozent aller Tatverdächtigen von vorurteilsmotivierten Straftaten seien darüber hinaus unter 25 Jahren, hieß es weiter.

Bei Körperverletzungen und Sachbeschädigungen dominierten wie 2021 die (halb-) öffentlichen Tatorte, weniger deutlich auch bei Freiheitsdelikten. Verhetzungen hätten dafür überwiegend online stattgefunden, ähnlich häufig jeder zweite Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Online stechen vor allem die hohen Anteile bei antisemitischen Motiven, weltanschaulichen Motiven, die nicht unter das Verbotsgesetz fallen sowie die Straftaten gegen das Verbotsgesetz hervor. "Dies spricht für weniger Direktkontakte der Tatverdächtigen mit diesen Opfergruppen und dürfte an den antisemitischen und rassistischen 'Memes' liegen, die in sozialen Medien oder Social-Media-Plattformen via Messengerdienste ausgetauscht wurden", wird als Grund dafür angeführt.

Prävention laut Karner Schlüsselfunktion

Laut Innenministerium werden strafbare Handlungen, die auf Vorurteilen beruhen, seit November 2020 elektronisch erfasst. Auf Grund des erst kurzen Erfassungszeitraumes (2021 und 2022) sei ein Entwicklungstrend darum auch noch nicht interpretierbar, wurde betont. "Es können nur kurzfristige Ableitungen getroffen werden", sagte der Sprecher der APA. Durch Maßnahmen zur Sensibilisierung sei mit einem weiteren Anstieg der angezeigten Straftaten zu rechnen. Gleichzeitig erfolge dadurch eine Verringerung des Dunkelfeldes. "Für das kommende Jahr wird eine wissenschaftliche Untersuchung zur Dunkelfeldforschung vorbereitet", so der Sprecher.

Innenminister Gerhard Karner verwies in Zusammenhang mit dem Bericht auf die Schlüsselfunktion von Prävention. "Im Rahmen der aktuell laufenden Reform des Kriminaldienstes und des Verfassungsschutzes in den Ländern wird hier ein Schwerpunkt gesetzt. Durch die Präventionsarbeit mit Jugendlichen können extremistische Tendenzen früh erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden", sagte Karner. "Die radikalen und extremen Ränder unserer Gesellschaft versuchen unser demokratisches Zusammenleben zu unterwandern und damit zu gefährden."

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) schlug in die gleiche Kerbe. Hate-Crimes seien eine schwerwiegende Bedrohung für den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft. "Wie real diese Bedrohung ist haben uns zuletzt erneut Hetz-Kampagnen und Gewaltaufrufe gezeigt", wird sie in einer Aussendung zitiert.

"Dunkelfeld-Studie" gefordert

Dass es laut BMI-Report im Jahr 2022 gleich viele Anzeigen wegen Verbrechen gegen LGBTIQ-Personen gab, sei "erschreckend genug", sagte SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner in einer Aussendung am Samstag. Gerade Verbrechen gegen die Community würden seltener zur Anzeige gebracht werden und in die Dunkelziffer fallen. Er kritisiert, dass es seitens des Innenministeriums keine Erhebungen zur Dunkelziffer gibt. Eine solche "Dunkelfeld-Studie" sei bereits im Pilotbericht des BMI im Jahr 2021 von Experten gefordert, bis dato aber noch nicht umgesetzt worden.

Angesichts der Ergebnisse des Berichts wiederholt die SPÖ die Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan gegen Hass und Diskriminierung. Lindner kündigte weiters eine "Reihe von parlamentarischen Initiativen" sowie eine "Serie von parlamentarischen Anfragen an alle zuständigen Regierungsmitglieder" an. Denn "die Zeit der Arbeitskreise und Runden Tische ist auf jeden Fall vorbei." (APA, 22.7.2023)