Hohe Offiziere der Armee, die vor Kameras weinen. Politikerinnen, die am Rednerpult im Parlament in Tränen ausbrechen. Forscherinnen und Unternehmer, die erzählen, sie würden zum ersten Mal in ihrem Leben übers Auswandern nachdenken, weil sie um die Zukunft ihrer Kinder fürchten. Es sind dramatische Tage in Israel.

Kurz erklärt: Die geplante Justizreform in Israel
AFP

Nur ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der am weitesten rechts stehenden Regierung, die Israel je hatte, ist das Land kaum wiederzuerkennen. Das rechts-religiöse Kabinett unter Benjamin Netanjahu hat Israel mit seinem Plan, die Justiz unter Regierungskontrolle zu bringen, an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Auf der einen Seite kämpfen jene, die das Land vor dem Abgleiten in einen autoritären Gottesstaat retten wollen. Auf der anderen Seite glauben viele, es sei nun der Moment gekommen, um einer vermeintlich übermächtigen Justiz die Flügel zu stutzen.

Graben zwischen den Lagern

Demos Proteste Israel Justizreform
Die Demonstrationen gegen die Justizreform in Israel reißen nicht ab.
IMAGO/Chen Junqing

Dass der Graben zwischen den beiden Lagern unüberwindbar geworden ist, ist Netanjahus Vermächtnis. Nun zieht sich dieser Spalt auch mitten durch die Armee. Bis vor kurzem wäre es völlig undenkbar gewesen, dass Reservesoldaten als Zeichen des politischen Protests den Dienst verweigern. Nun haben sich schon mehr als zehntausend Reservisten dem Boykott angeschlossen. Netanjahu, der seinen Erfolg auf dem Ruf als "Mister Security" aufgebaut hatte, ist damit zum akuten Sicherheitsrisiko für den Staat Israel geworden. (Maria Sterkl, 23.7.2023)