Festspiele
Düstere Gesänge: Katrien Baerts, Dirigent Ilan Volkov und das Klangforum.
Borelli

Nicht unweit jener Salzburger Orte, an denen es – je nach Wetterlage outdoor oder indoor – um das Sterben des reichen Mannes geht, erklingt zurzeit Musik, die als Begleit- und Abschiedssound ebenfalls zum Jedermann passen würde. In der Kollegienkirche, wo die Ouverture spirituelle trubelfreie Nachdenklichkeit bietet, geht es sogar sehr konzentriert um das Lebensende und das Danach.

Unterhaltsame Ablenkung klingt anders. So müssen sich Vertreter und Vertreterinnen der Letzten Generation gar nicht – sagen wir – an das Cembalo ankleben, das bei Sofia Gubaidulinas Meditation über den Bach-Choral Vor deinen Thron tret’ ich hiermit eine Rolle spielt. Mit teils bissigen Clustern (Florian Müller) bedrängt das altehrwürdige Instrument modernistisch die Streicherwelt des Klangforums Wien.

Der Schmerz der Streicher

Schönfärberisch-idyllisch ist in dem Werk nichts. Die Meditation erscheint schwermütig und kann getrost auch als Wehklage über den Zustand des Erdplaneten verstanden werden. "Winselglissandi" einzelner Streicher künden von einem Schmerz, der sich durch kollektives Aufbrausen zum mahnenden Instrumentalchor fügt. Was Gubaidulinas Werk, das Ilan Volkov konzis dirigierte, vorausging, verwies auch auf eine sinnhafte Konzertdramaturgie. Da fungierte Giacinto Scelsis eröffnendes Orgelstück In nomine lucis wie ein von Alexander Bauer geschaffener atmosphärisch sanfter Klangraum, in dem Gubaidulinas emotional aufgeladene Unruhemusik hernach intesiv-effektvoll Entfaltung fand.

Gérard Griseys Quatre chants pour franchir le seuil für Sopran und Ensemble führten dann wieder zurück in ruhigere Klangsphären, ohne jedoch inhaltlich vom Zentralthema Tod abzuweichen. Im Gegenteil: Sopranistin Katrien Baerts besang mit lyrischer Zartheit oder stoßweise herausgeschleuderten kurzen Tönen nicht nur das Drama des individuellen Dahinscheidens, sondern auch jenes der ganzen Zivilisation.

Unheimliche Idylle

Der Franzose Grisey vertonte schließlich auch Inschriften ägyptischer Sarkophage, zudem auch Passagen aus dem babylonischen Gilgamesch-Epos, die von der Sintflut handeln. Das hatte im Orchestralen etwas von einer unheimlichen und Unheil kündenden dezenten Idylle. Die Akkorde wirkten wie Schatten, die auf den mitunter flehenden und flüsternden Duktus der Stimme fielen, die auch Jedermann beunruhigend zu denken gegeben hätte. (Ljubisa Tosic,23.223)