Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii
Die Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii ist derzeit in Altarmen der Donau unterwegs.
Nationalpark Donau Auen/Heinz Jaksch

Die Begegnung mit ihnen kann so manchen Urlaub vermiesen – einige Quallenarten können bei Berührung ziemlich schmerzhaft sein. Daher ist es kein Wunder, dass das Auftreten von Quallen in der Donau zunächst für Aufsehen sorgte. Das wortwörtliche Auftauchen der Süßwasserquallen ist aber weder eine Seltenheit noch eine Gefahr, beruhigen Fachleute.

"Sobald das Wasser Temperaturen von 26 bis 28 Grad erreicht, schwärmen die Tiere aus", sagt der Gewässerökologe Heinz Jaksch. "Nach ein paar Wochen ist das Spektakel wieder vorbei." Bei den rund 2,5 Zentimeter großen Quallen, die nicht nur in Seiten- und Altarmen der Donau, sondern auch in heimischen Badeseen auftreten, handelt es sich um Tiere der Gattung Craspedacusta sowerbii. Seit vielen Jahren kommen sie regelmäßig an Stellen wie dem Kuchelauer Hafen oder auch in der Alten sowie der Neuen Donau in Wien vor. Laut dem STANDARD-Archiv wurden sie das erste Mal am 25. Juli 2003, also vor genau 20 Jahren, an die mediale Oberfläche gespült. Als Vertreter der Nesseltiere haben sie zwar ebenso wie ihre Genossen in Meeresgewässern Nesselzellen an ihren Fangarmen, diese sind für den Menschen jedoch völlig ungefährlich.

Verwandlung zur Meduse

Die meiste Zeit über fristen die Tiere ein komplett unbeachtetes Leben als Polypen. Gerade zwei Millimeter groß, können sie Jahre und Jahrzehnte am Grund stehender oder langsam fließende, nährstoffreicher Gewässer fristen, wie Jaksch erläutert. Sie sitzen auf Steinen oder Wasserpflanzen und ernähren sich mithilfe ihrer Fangarmstummel von Einzellern, Rädertierchen und Fadenwürmern. Die Ausbreitung erfolgt wahrscheinlich über gründelnde Wasservögel. Oder eben über die Metagenese, eine besondere Form des Generationenwechsels.

Denn bei entsprechend warmen Wassertemperaturen erwachen die festsitzenden Polypen, um sich in Medusen, also die eigentlichen Quallen, zu verwandeln. "Die ungeschlechtlichen Polypen schnüren einen Teil ihres Körpers ab und werden damit zu Geschlechtstieren", sagt Jaksch. Der Aufstieg der Quallen an die Wasseroberfläche läutet also auch einen neuen Lebenszyklus ein. Anfangs hat die losgelöste Meduse nur acht Fangarme. Im fertigen Zustand besitzt sie bis zu 400 Tentakel und zahlreiche Gleichgewichtsorgane. Bei sonnigem Wetter lassen sich die wabbeligen Tiere gerne blicken, um Nahrung zu sammeln und dann wieder zu Boden zu sinken.

In dieser Zeit geben die Medusen Eier und Spermien ab, die Befruchtung findet im Wasser statt. Aus dem befruchteten Ei entwickelt sich dann eine winzige, bewimperte Larve, die sich an einer geeigneten Stelle festsetzt und in der Folge zu einem Polypen auswächst. Damit ist ihre Arbeit dann aber auch schon getan. "Nach der Fortpflanzung sterben die Medusen ab", sagt Jaksch. Sobald die Temperaturen sinken und die Quallen einmal verschwunden sind, tauchen sie nicht mehr auf, zumindest nicht im selben Jahr.

Blick auf den Kuchelauer Hafen
Hohe Wassertemperaturen haben zum Auftauchen tausender ungefährlicher Quallen im Kuchelauer Hafen geführt, ein von der Donau abgetrenntes Hafenbecken in Wien-Döbling.
APA/EVA MANHART

Sensible Wesen mit "Superzellen"

Viel bleibt nicht von ihnen übrig: Mit 99,3 Prozent haben sie den höchsten Wasseranteil unter den Tieren. Und dennoch steckt so einiges in der gallertartigen Stützschicht, die ihren hauchzarten Körper einhüllt. Zwar besitzen Quallen kein Gehirn, ihr Nervensystem und spezielle Sinnesorgane ermöglichen aber die Jagd auf Beute, Reaktionen auf Feinde und das Ausfindigmachen von Partnern. Außerdem sind Quallen durch sogenannte Superzellen in der Lage, verlorengegangene Körperteile wie Fangarme und Teile des Schirms wieder nachzubilden.

Süßwasserquallen sind heute weltweit, außer in der Antarktis, zu finden. Der erste Nachweis von Craspedacusta sowerbii in Europa erfolgte 1880 in den Royal Botanic Gardens in London, wo sie in einem Seerosenbecken auftraten. Es wird vermutet, dass sie aus Brasilien oder Ostasien eingeschleppt wurden.

Durch ihre Anpassungsfähigkeit konnten Quallen bereits 500 Millionen Jahre Evolution überdauern. Auch aus den heimischen Gewässern werden sie so schnell nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil, angesichts steigender Temperaturen werden Badende sie wohl häufiger zu Gesicht bekommen. Dort, wo sie auftreten, kann man jedenfalls völlig unbesorgt ins Wasser gehen, heißt es von der MA 45, zuständig für die Wiener Gewässer. Ihr Auftauchen habe nichts mit mangelnder Wasserqualität zu tun, sondern sei nur den Temperaturen geschuldet. Wenn man ihnen beim Schwimmen begegnet, könne man sie leicht mit den Handrücken zur Seite drücken, rät Gerald Loew, Leiter der MA 45. Denn die Tierchen sind nicht nur ungefährlich, sondern durch ihre Zartheit auch sehr verletzlich. (Karin Krichmayr, 24.7.2023)