Illustration des Twitter-Vogels mit einem X
Der Vogel ist tot, und Twitter heißt jetzt X. Musk hat sich damit keinen Gefallen getan, sagt die Fachwelt.
AFP/CHRIS DELMAS

Lange hat es nicht gedauert, bis der Twitter-Eigentümer Elon Musk seine Plattform in X umbenannt hat: Am Sonntag wurde der Schritt angekündigt, am Montag war der ikonische blaue Vogel schließlich Geschichte. Die eilige Umbenennung einer der relevantesten Social-Media-Plattformen und die Vernichtung von 15 Jahren Markenbildung gingen freilich nicht ohne Störgeräusche über die Bühne. Das könnte noch zu einem gewaltigen Problem für Elon Musk werden, denn Meta und Microsoft haben eigene markenrechtliche Ansprüche. Vorerst scheiterte die Umwandlung zur X-App im Hauptquartier in San Francisco aber nicht an gewerberechtlichen Spitzfindigkeiten, sondern an der US-Staatsmacht.

Video: Twitter heißt jetzt X
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Die Super-App

Doch der Reihe nach: Elon Musk will Twitter in eine Art Universalapp für alle möglichen Anwendungen verwandeln. Vorbild ist das chinesische We Chat, das nicht nur ein Messengerdienst ist, sondern auch als Bezahlplattform, Jobvermittler oder zum Buchen von Arztterminen verwendet wird. Für dieses Ziel hat Musk Twitter schon Anfang des Jahres in X Corp umbenannt, wie die Klage einer rechtsextremen Verschwörungsideologin im April ans Licht brachte. Nun wurde diese Umwandlung auch sichtbar, nämlich am Logo vollzogen, und das X ersetzt den fast zwei Jahrzehnte alten blauen Vogel.

Logo ist ein Unicode-Zeichen

"Wenn jemand ein X-Logo postet, das gut genug ist, dann wird es morgen weltweit live gehen", kündigte Musk am Sonntag an. Tatsächlich postete ein User ein X, an dem Musk Gefallen gefunden haben dürfte. Das Problem: Es handelt sich dabei um ein allgemeines Unicode-Zeichen, nämlich den "mathematische Großbuchstaben X mit Doppelstrich", der im März 2001 dem Unicode hinzugefügt wurde, wie Eliot Higgins, Gründer des Recherchekollektivs Bellingcat, bemerkte. Matthew Scroggs, ein Postdoktorand am University College London, twitterte, dass das Zeichen seit den 70er-Jahren in mathematischen Lehrbüchern verwendet werde.

Damit ein Logo beim US-Patent- und -Markenamt geschützt werden kann, muss es in irgendeiner Weise einzigartig und unverwechselbar sein, so Josh Gerben, Anwalt für Markenrecht und Gründungspartner der in Washington ansässigen Anwaltskanzlei Gerben IP. Twitters ikonisches Vogellogo war genau das – ein einzigartiges Schablonenbild eines kleinen Vogels, den die Öffentlichkeit als die Social-Media-Website kennt. Das neue X-Logo dürfte dieses Kriterium aber nicht erfüllen.

Anwalt: Chance auf Klage bei 100 Prozent

Doch damit hören die Probleme nicht auf. Denn auch das Unternehmen von Musks neuem Lieblingsfeind Mark Zuckerberg hat bereits ein X-Logo im Zusammenhang mit Onlinenetzwerkdiensten registriert, wie "Business Insider" berichtet. Das Logo von Meta sieht, im Gegensatz zu Musks neuem Logo, einzigartig aus und besteht aus zwei Pfeilen mit abgerundeten Ecken. Laut dem Markenrechtsanwalt Josh Gerben gibt es 900 Markeneintragungen, die den Buchstaben X verwenden. "Die Chance, dass Twitter geklagt wird, liegt bei 100 Prozent", sagt der Anwalt.

Auch Microsoft hat Anspruch auf die Marke X, ist der Buchstabe doch seit 20 Jahren das Logo der eigenen Gaming-Sparte Xbox. Ob die beiden Unternehmen klagen werden, ist unklar, denn weder Microsoft noch Meta haben sich bislang zu der Causa geäußert.

Polizei verzögerte Umbenennung

Eine weitere Panne im Prozess der Umbenennung von Twitter zu X geschah in San Francisco, dem Hauptsitz des Unternehmens. Dort begannen Arbeiter, das alte Twitter-Schild von der Fassade zu nehmen, und zwar jeden Buchstaben für sich. Dabei standen die Arbeiter auf einer Hebebühne. Doch nach einer Weile traf die örtliche Polizei ein und stoppte die Arbeiten wegen angeblich fehlender Genehmigungen.

Laut "The San Francisco Standard" handelte es sich dabei aber um ein Missverständnis, denn jemand bei Twitter dürfte sehr wohl über eine Genehmigung für die Arbeiten an dem Schild verfügt haben, hatte dies aber nicht dem Eigentümer des Gebäudes und dem Sicherheitsdienst mitgeteilt. Die Arbeiten wurden dennoch gestoppt, und übrig blieben vom alten Twitter nur die Buchstaben "er" und der blaue Vogel.

Der Spott ließ im Netz naturgemäß nicht lange auf sich warten. Wie zahlreiche User bemerkten, lasse sich das neue Twitter mit seinem Logo nun in der Lesezeichenleiste kaum noch von einschlägigen Pornoseiten unterscheiden. Der indische Cartoonist Satish Acharya vermutet indes eine andere Geschichte, wie es zu dem X-Logo kam.

Markenwert vernichtet

Ob die Umbenennung aus geschäftlicher Sicht eine gute Idee war, daran hat Mike Proulx, Forschungsleiter bei dem US-Beratungsunternehmen Forrester, seine Zweifel. Twitter habe den Menschen etwas bedeutet. Etwas zu "twittern" wurde zum anerkannten Verb und steht heute in Wörterbüchern – seit 2009 im Duden und seit 2013 im Oxford Dictionary. "Dies ist eine Marke, die sich einen Platz in unserem Kulturlexikon gesichert hat. Musk hat über 15 Jahre Markenwert im Namen Twitter vernichtet", sagt Proulx gegenüber der "Washington Post".

Wie das neue Verb für die Plattform X heißen soll, ist noch unklar und wird im Netz heiß debattiert. Elon Musk machte aber einen Vorschlag, wie man Tweets in Zukunft nennen soll, nämlich X's. (pez, 25.7.2023)