Priscilla von Sofia Coppola
"Priscilla" von Sofia Coppola ist eines von mehreren Biopics im Wettbewerb von Venedig.
AP/Philippe Le Sourd

Alberto Barbera, der langjährige künstlerische Leiter der Biennale Cinema di Venezia, die heuer zum 80. Mal stattfindet, lässt die Katze gleich zu Beginn der Pressekonferenz aus dem Sack. Aufgrund der Schauspielstreiks in den USA habe man nur auf einen US-amerikanischen Film im Wettbewerb verzichten müssen, dafür aber auf den heiß erwarteten Eröffnungsfilm: Luca Guadagninos "Challengers". Zendaya spielt darin eine Profitennisspielerin, die in ein spielerisches Liebesdreieck mit zwei Männern gerät. Der Film wurde von seinen Produktionsstudios MGM und Warner Bros. nun allerdings auf das Frühjahr 2024 gelegt.

Barbera tat zurückhaltend sein Verständnis für die Streiks kund und kündigte an, dass Schauspieler und Schauspielerinnen, die Teil der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA sind, in Venedig nicht über den roten Teppich laufen werden. Dafür aber wird eine größere Anzahl von unabhängigen Stars erwartet. Für die Modefotografen dürfte das zwar langweilig werden, doch der im Vorfeld befürchtete Exodus von US-Filmen hat letztlich nicht stattgefunden.

Quote insgesamt gut, im Wettbewerb mau

Auch die Quote verlas Barbera sogleich: 66 Prozent der Einreichungen seien von männlichen Regisseuren gekommen, 32 Prozent von weiblichen. Etwa dieser Schnitt zeigt sich auch im Gesamtprogramm, das heuer mit einem Frauenanteil von 30 Prozent bestückt ist. 54 Länder sind im Programm insgesamt zu finden, Österreich ist nur mit einer DACH-Koproduktion dabei: "Die Theorie von allem" des jungen Deutschen Timm Kröger ist mit Burgschauspieler Jan Bülow und Olivia Ross im Wettbewerb vertreten.

„Die Theorie von allem“ Venedig
Burgschauspieler Jan Bülow ist in "Die Theorie von allem" in Venedig zu sehen
Stadtkino Filmverleih

Blickt man genauer auf den Wettbewerb, so ergibt sich hinsichtlich der Frauenquote ein anderes Bild: Von 23 Filmtiteln stammen drei von Regisseurinnen und einer von einem Regieduo. Die Namen sind zum Teil bekannt: Sofia Coppola stellt "Priscilla" vor, ein Porträt von Elvis Presleys Teenage-Wife, der späteren Schauspielerin und Unternehmerin Priscilla Presley. Die polnische Regieveteranin Agnieszka Holland widmet sich in "The Green Border" den Fluchtbewegungen rund um die polnisch-belarussische Grenze. Und auch ein zweiter polnischer Film findet sich im Wettbewerb, beide seien, so Barbera, "nicht auf Regierungslinie".

"Woman of ... " handelt von einer Transfrau und ihren Problemen mit den polnischen Behörden. Regie führte das Duo Małgorzata Szumowska und Michał Englert. Zuletzt hat auch die belgische Regisseurin Fien Troch mit ihrem Teenagerdrama Holly Chancen auf einen Goldenen Löwen, nachdem sie 2016 mit ihrem vierten Film Home in der Orizzonti-Selektion gewonnen hat.

Drei Netflix-Filme von Fincher, Cooper und Larraín

Etwas einsilbiger wurde Barbera angesichts der Wettbewerbsfilme, die von Streamern produziert wurden. Darunter sind durchaus große Namen, etwa David Fincher mit "The Killer". 2000 war "Fight Club" Finchers letzte Venedig-Teilnahme, der Film wurde damals nicht gut aufgenommen – "zu brutal für das Festivalpublikum", so Barbera. Auch der Schauspieler Bradley Cooper produzierte sein Leonard-Bernstein-Biopic "Maestro" bei Netflix. Cooper spielt den Dirigenten, Carey Mulligan seine Ehefrau. Und zuletzt ist da "El Conde" von Pablo Larraín, worin der Diktator Augusto Pinochet vom chilenischen Star Alfredo Castro als Vampir dargestellt wird.

Poor Things | Official Trailer | Searchlight Pictures
SearchlightPictures

Ein weiteres Biopic ist Michael Manns "Ferrari" mit Adam Driver und Penélope Cruz als Autofirmen-Ehepaar – ob man hier ein zweites "House of Gucci" erwarten darf? Weitere Filme kommen von Yorgos Lanthimos ("Poor Things" mit Emma Stone als Frankenstein-Geschöpf), Luc Besson ("Dogman") und Ryūsuke Hamaguchi ("Evil Does Not Exist"). Im Wettbewerb sind außerdem auffallend viele italienische Regisseure vertreten: Matteo Garrone, Giorgio Diritti oder Edoardo de Angelis, dessen Antikriegsfilm "Comandante" den Part des Eröffnungsfilms übernehmen wird.

Außer Konkurrenz: Polanski, Allen, Linklater

Außer Konkurrenz finden sich ebenfalls einige bekannte und teils umstrittene Namen: Roman Polanskis neuer Film "The Palace" läuft ebenso wie Woody Allens französischer Flirt "Coup de Chance". Auch weitere Veteranen wie William Friedkin oder Frederick Wiseman (mit einer Doku über ein französisches Haubenlokal) sind im Programm, ebenso wie neue Filme von Richard Linklater oder Harmony Korine.

Eine Ehrenauszeichnung erhält aber eine Veteranin: die 90-jährige Liliana Cavani. Die italienische Regisseurin wurde durch "Der Nachtportier" (1974) bekannt. 1965 nahm sie erstmals an dem Festival teil und gewann mit "Processo a Vichy" den Preis für den besten Dokumentarfilm. Der Hongkonger Schauspieler Tony Leung Chiu-wai wird ebenfalls mit einem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet. (Valerie Dirk, 25.7.2023)