Das von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Bürogebäude von Wien Energie nahe der Müllverbrennungsanlage auf der Spittelau in Wien.  
Neben Strom- und Gaspreisen sinken auch die im Vorjahr fast verdoppelten Preise für Fernwärme in Wien wieder. Ein Preisvergleich mit anderen Anbietern ist mangels Transparenz in Österreich nicht möglich.
Robert Newald / Robert Newald Photo

Die neuen Privatkundentarife von Wien Energie sorgen ob der undurchsichtigen Rabatte für Verwirrung bei Konsumentinnen und Konsumenten – und sie rücken ein Thema in den Vordergrund, das bereits zur Normalität und Gewohnheit geworden ist: die Stromkostenbremse. Die im Dezember im Lichte horrend steigender Strompreise aufgrund des Ukrainekrieges geschaffene Zuzahlung des Bundes sorgt inzwischen für erhebliche Verzerrungen in der Tarifgestaltung der heimischen Versorger.

Denn der als Strompreisbremse bekanntgewordene Stromkostenzuschuss ermöglicht es den überwiegend staatlichen Anbietern, ihre Entgelte höher zu halten, als dies aufgrund laufend sinkender Großhandelspreise angezeigt wäre.

Denn die Großhandelspreise sinken seit Monaten, im August erneut. Der maßgebliche Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) verringert sich gegenüber dem Vormonat um 13,1 Prozent. Allerdings liegt der Index damit noch immer um 16,7 Prozent höher als im August 2022. Der Grundlastpreis fällt gegenüber Juli 2023 um 12,4 Prozent, im Jahresabstand ist er damit aber noch immer um 15,5 Prozent höher. Beim Spitzenlastpreis beträgt das Minus im Vergleich zum Juli um 14,7 Prozent, im Jahresvergleich liegt er jedoch um 19,9 Prozent höher. Das macht Preiskalkulationen grundsätzlich zur Herausforderung.

Preise hoch

Aus Sicht der Anbieter legt die in der Not geborene staatliche Zuzahlung zu den Endkundenpreisen geradezu nahe, Haushaltsenergie nicht so preisgünstig anzubieten, wie dies aufgrund der zeitverzögerten Entwicklung des ÖSPI möglich wäre. Denn das Delta zwischen dem Anfang Juli von der Wien Energie angebotenen Listenpreis von 33,26 Cent netto pro Kilowattstunde (kWh), die durch ein Jahr Vertragsbindung an die Wien Energie und den im Gegenzug gewährten Rabatt von 190 Frei-Energietagen auf knapp 16 Cent* (netto) gedrückt werden, gleicht der Bund aus. Im Fall von Wien Energie zahlt der Bund die Differenz zwischen dem rabattierten Nettopreis von 15,9 Cent und den zehn Cent pro kWh (netto) gemäß Stromkostenzuschussgesetz.

Im Prinzip zahlt sich der Steuerzahler die Kostenbremse selbst. Bis zu 2,75 Milliarden Euro hat Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für die Subvention budgetiert, zur Not gibt es eine Ermächtigung, befristet bis Ende Juni 2024 bis zu drei Milliarden Euro in die Erhaltung von leistbaren Endkundenpreisen auszugeben.

Mit Zeitverzögerung

So teuer dürfte es aus derzeitiger Sicht wohl nicht werden, allerdings mit Sicherheit mehr als die 102 Millionen Euro, die von Dezember bis April aufgewendet wurden. Denn die Abrechnung über die Versorger erfolgt zeitverzögert. Das dicke Ende kommt also erst, denn nationale wie internationale Energieagentur erwarten im Herbst erneut steigende Preise. So billig wie vor dem Krieg in der Ukraine werde Energie so bald nicht wieder werden, heißt es.

Wie viel Geld letztlich für die Stromkostenbremse aufgewendet werden wird – für den auf Wettbewerb und Monopole spezialisierten Wifo-Ökonomen Michael Böheim steht längst fest, "dass der Stromkostenzuschuss in dieser Form nicht zielführend ist". Er sollte dringend modifiziert werden. Eine Möglichkeit wäre der Einbau einer Klausel: "Sobald der Großhandelspreis um fünf Prozent sinkt, ist die akkumulierte Preissenkung in voller Höhe sofort an die Kunden weiterzugeben", schlägt Böheim vor.

Falsche Anreize

Denn es gebe aufgrund des Stromkostenzuschusses weder für Verbraucher einen ausreichend starken Anreiz, Energie zu sparen, noch für die Stromanbieter, die Preise zu senken. "Die Kunden sind träge und nicht gewohnt, sich um Energiepreise zu kümmern. Mit einer trägen Kundschaft haben die Energieanbieter ein leichtes Spiel."

Im Finanzministerium reagiert man auf den Vorschlag verhalten. Die Stromkostenbremse sei – wie andere Energiehilfen auch – eine stark inflationsdämpfende und damit eine gute, sehr wirkungsvolle Maßnahme, betonte ein Sprecher. Aber das Ministerium prüfe alle Maßnahmen auf deren Sinnhaftigkeit.

Temporäre Senkung?

Auch Energiemarktexperten, die nicht namentlich genannt werden wollen, halten die staatliche Kostenbremse für überschießend. Zumindest vorübergehend, falls die Energiepreise wieder steigen (was im Herbst erwartet wird), sollte die Subvention gesenkt werden. Denn diese sichere besonders den Landesenergieversorgern ihre Zufallsgewinne, die von den Bundesländern im Wege der Dividenden abgeschöpft werden.

Wifo-Experte Böheim geht noch weiter. Er sieht durch die vergleichsweise hohen Energiereise die öffentliche Hand als Eigentümerin der Versorger infrage gestellt. Der Staatsbesitz werde stets mit der Daseinsvorsorge argumentiert. "Aber hohe Preise kann ich privaten Anbietern auch zahlen. Dazu brauche ich kein öffentliches Eigentum."

Einnahmen für den Staat

Der Trägheit bei Preissenkungen leisteten zudem Überkreuzbeteiligungen großer Anbieter wie EVN und Wien Energie (die ihrerseits am Verbund beteiligt sind) und das genehmigte Vertriebskartell Energie Allianz in Ostösterreich Vorschub. Das lähme den Wettbewerb bei Endkundentarifen. "Um diesen Wettbewerb anzukurbeln, könnte man etwa Versorger ab einer gewissen Größe per Gesetz verpflichten, ihre Bundeslandtarife, die im Vorjahr teilweise unter der Marke der Stromkostenbremse lagen, österreichweit anzubieten", schlägt Wettbewerbsökonom Böheim vor. Eine andere Möglichkeit wäre, den Wasserkraftriesen Verbund zu verpflichten, den günstigsten Tarif der Landesenergieversorger österreichweit anzubieten. Dazu bräuchte es allerdings ein Verfassungsgesetz, also eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. (Luise Ungerboeck, 27.7.2023)