Sinead O'Connor mit Gitarre auf der Bühne
Die irische Sängerin Sinéad O'Connor starb im Alter von 56 Jahren.
EPA/ENNIO LEANZA

"Wenn ich als Künstlerin mir etwas erhoffe", schrieb Sinéad O'Connor in ihrer Autobiografie, "dann, dass ich gewisse Leute dazu inspiriere zu sein, wer sie wirklich sind." Inspiration war sie mit ihrer Stimme und ihren Songs vielen, und womöglich konnte sie Menschen tatsächlich dabei helfen, sich selbst näherzukommen. Ihr gelang das auf der Bühne und mit ihren Liedern, mit denen sie unvergessen bleibt. Wie am Mittwochabend bekannt wurde, ist die irische Popsängerin Sinéad O'Connor im Alter von 56 Jahren gestorben.

Sinéad O'Connor – Nothing Compares 2 U
SineadOConnorVEVO

Protest gegen den Papst im Live-Fernsehen

Über die Todesursache war vorerst nichts bekannt. "Mit großer Traurigkeit geben wir den Tod unserer geliebten Sinéad bekannt", heißt es in einer Erklärung, aus der die Sender RTE und BBC zitieren. "Ihre Familie und Freunde sind am Boden zerstört und bitten um Privatsphäre in dieser schweren Zeit." Im vergangenen Jahr hatte sich ihr Sohn Shane mit 17 Jahren das Leben genommen.

Video: Die irische Sängerin Sinead O'Connor ist im Alter von 56 Jahren gestorben.
AFP

In der Galerie der großen Popstars hat sich Sinéad O'Connor einen Fixplatz erworben. Einerseits als sensible Interpretin mit samtig weicher und intensiver Stimme. Andererseits als Künstlerin mit Hang zu exzentrischen Auftritten. Sie war authentisch bis zur Schmerzgrenze und ließ alle, die es hören und nicht hören wollten, ihre Wut über Gott, die Welt und das Leben spüren.

Ihr Leben war geprägt von persönlichen Dramen. 1966 in Glenageary bei Dublin geboren, wurde Sinéad Marie Bernadette O'Connor nach der heiligen Bernadette von Lourdes getauft. Ihre Eltern trennen sich früh, und O'Connor wuchs zunächst bei ihrer Mutter auf, die sie offenbar schwer misshandelte. Die Gewalteskalation im Nordirlandkonflikt hinterließ bei der strenggläubigen Jugendlichen tiefe Wunden und sorgte für ein zorngeprägtes politisches Bewusstsein.

Anfang der 1980er-Jahre nahm O'Connor als Teenager ihre ersten Songs auf und gründete die Band Ton Ton Macoute. Ihr erstes Solo-Album "The Lion and the Cobra" entstand, als sie mit ihrem ersten Kind hochschwanger war – das Werk stürmte international die Hitparaden, brachte ihr eine Goldene Schallplatte ein und verkaufte sich 2,5 Millionen Mal.

Sinead O Connor
Das Bild zeigt O'Connor, die 2018 zum Islam konvertiert ist, bei einem Konzert im Admiralspalast in Berlin.
imago images/Martin Müller

1990 gelingt ihr mit dem Prince-Coversong "Nothing Compares 2 U" ein Welthit. Der Aufstieg ist rasant, zu rasant, wie sie später sagen wird. Als sie zwei Jahre später ihrer Wut über Kindesmissbrauch von katholischen Priestern Ausdruck verlieh, indem sie in der US-amerikanischen Show "Saturday Night Live" ein Bild des Papstes zerriss, widerfuhr ihr ein Shitstorm, der schwere Depressionen zur Folge hatte.

Fight the REAL Enemy! Bob:Marley's 'War' performed by Sinéad o'Connor!
stickymarx

Geradezu tragisch verlief ein Auftritt O'Connors bei einem Konzert zu Ehren Bob Dylans, wo die Irin vom Publikum ausgebuht und ausgepfiffen wurde. Bei dem Konzert waren unzählige Stars vertreten, unter anderem Dylan selbst. Keiner von ihnen meldete sich zu Wort, ergriff Partei. Man kann sich den Auftritt auf Youtube anschauen. Er ist herzzerreißend. Aus heutiger Sicht war die Aktion ein unglaublich mutiger und wichtiger Akt, damals wurde O'Connor zum Hassobjekt der beinahe gesamten christlichen Welt.

Sinead O'Connor: 'War' live at the Bob Dylan Tribute.
eyesaw77

Gebrochen, aber nicht vernichtet kehrte O'Connor immer wieder auf die Musikbühne zurück und produzierte zum Teil exzellente Popalben, zum Beispiel 1994 "Universal Mother", 2002 "Sean-Nós Nua" mit irischen Folkliedern oder 2012 "How About I Be Me (And You Be You)".

Sinéad O'Connor – The Last Day Of Our Acquaintance (Live in Rotterdam, 1990)
SineadOConnorVEVO

Im April 2012 wurde eine Tournee von Sinéad O'Connor aufgrund von psychischen Problemen abgebrochen. 2015 machte sie erstmals Suizidgedanken öffentlich. Im Oktober 2018 konvertiert sie zum Islam und nannte sich fortan Shuhada' Davitt, das heißt Märtyrer. Mit den Weißen wolle sie nichts mehr zu tun haben, sofern damit Nichtmuslime gemeint seien.

O'Connor war Mutter von vier Kindern. Als ihr Sohn Shane starb, wollte sie nie wieder live auftreten. "Niemand hat mich je verstanden, nicht einmal ich selbst, wenn ich nicht gesungen habe", schrieb sie. Ihre Songs haben Bestand, und durch sie versteht man O'Connor vielleicht doch ein wenig besser.

Ich war Sinéad-O'Connor-Fan der ersten Stunde, ihre Konzerte in Wien bleiben mir ewig in Erinnerung. Die exzentrischen Auftritte waren Teil ihrer faszinierenden Persönlichkeit und offenbarten eine einzigartige, unvergleichliche, kämpferische, mutige Frau. Mit einer großen Stimme, die genau dort traf, wo sie es wollte: mitten ins Herz. (Doris Priesching, 26.7.2023)*

*Die APA-Meldung zum Tod von Sinéad O'Connor wurde Mittwochabend durch einen persönlichen Nachruf ersetzt.