Wenn es um Österreichs Erdgasversorgung geht, dann ist meistens die hohe Abhängigkeit von Russland im Gespräch. Doch es gibt auch eigene Vorkommen. Zu rund elf Prozent kann sich Österreich selbst mit Erdgas versorgen. Nun könnte diese Zahl deutlich höher werden.

Denn die teilstaatliche OMV hat bei einer Explorationsbohrung im niederösterreichischen Wittau nicht weit von der Wiener Stadtgrenze entfernt ein neues Gasfeld gefunden, wie der Öl- und Gaskonzern und größte Industriebetrieb im Land am Freitag in einer Aussendung bekanntgab. Es handelt sich laut OMV um den größten Gasfund seit 40 Jahren. Die OMV erwartet, dass sich ihre Gasproduktion in Österreich nach der vollständigen Erschließung des Fundes im Bezirk Gänserndorf gleich um 50 Prozent erhöht. Nach fünfmonatigen Bohrarbeiten wurde eine Endtiefe von 5.000 Metern erreicht.

Das Tankstellenschild der OMV
Die Gasbezugsquellen der OMV sollen diversifiziert werden.
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"Dieser neue Fund ist ein wichtiger Beitrag zur Gasversorgung unserer Kundinnen und Kunden, insbesondere in Österreich, mit einer erwarteten Erhöhung unserer lokalen Produktion", sagte Alfred Stern, der Vorstandsvorsitzende und CEO der OMV AG. Eine vorläufige Bewertung deutet auf potenziell förderbare Ressourcen von rund 48 TWh (28 Millionen Fass Ölequivalent) hin. Erschlossen werden soll das Feld durch eine Pipeline-Anbindung an die OMV-Gasanlage in Aderklaa, die nur zehn Kilometer entfernt liegt.

Der auch für Rohstoffe zuständige Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) begrüßte den Fund. "Der Gasfund in Niederösterreich hilft, die Abhängigkeit von Russland weiter zu reduzieren", sagte er laut einer Aussendung am Freitag. Laut der Interessenvertretung IG Windkraft entspricht die Energiemenge des Erdgasfundes ungefähr jener Menge, die 100 Windräder erzeugen. Sie forderte die OMV auf, in erneuerbare statt in fossile Energie zu investieren und das Erdgas im Boden zu belassen.

Gewinneinbruch im ersten Halbjahr 2023

Nicht ganz so gute Nachrichten – aber bei weitem keine schlechten – geben überdies die neuesten Geschäftszahlen des Konzerns her. Die OMV hat heuer im ersten Halbjahr deutlich weniger verdient. Der Konzernumsatz sank um 35 Prozent auf 19,9 Milliarden Euro, das CCS Operative Ergebnis vor Sondereffekten verringerte sich um 41 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Der Nettogewinn fiel um 69 Prozent auf rund 770 Millionen Euro. Der den Aktionären zuzurechnende Periodenüberschuss fiel um 40 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte.

"Das erste Halbjahr war ereignisreich", sagte Stern und verwies auf sinkende Rohstoff- und Energiepreise und kleinere Gewinnmargen, und auch das Konsumwachstum sei eingeschränkt. "Das hat unser Geschäft im ersten Halbjahr natürlich maßgeblich beeinflusst", so der CEO. Das Ergebnis sei dennoch ein sehr gutes, wenn auch nicht mehr auf dem Rekordniveau des Vorjahres. Für die Zukunft werden die Erwartungen nun leicht zurückgeschraubt: Die OMV erwartet für 2023 einen durchschnittlichen Brent-Rohölpreis zwischen 75 und 80 US-Dollar pro Fass, bisher war man von einem Ölpreis von mehr als 80 Dollar (71,91 Euro) ausgegangen (2022: 101 Dollar/Barrel).

Langfristiger Liefervertrag für Flüssigerdgas

Der neue Gasfund in Wittau fügt sich in die vielleicht größte Baustelle, die die OMV beschäftigt: die Diversifizierung der Gasversorgung, um von russischen Importen unabhängiger zu werden. Diesbezüglich hat die OMV etwa einen langfristigen Liefervertrag für Flüssigerdgas (LNG) mit BP unterzeichnet. Der Vertrag läuft ab 2026 für zehn Jahre und sieht die Lieferung von bis zu einer Million Tonnen LNG pro Jahr vor. Über den LNG-Terminal in Rotterdam (Niederlande) soll das Flüssigerdgas nach Europa kommen und dann über Pipelines auch nach Österreich weiterverteilt werden. Der Vertrag sei "ein weiterer Baustein" in der Diversifizierung des Gaseinkaufs der OMV.

Ein zweiter findet sich vor der Küste Rumäniens. Für das lange verzögerte Erdgasförderprojekt Neptun Deep im Schwarzen Meer hat die OMV im Juni endgültig grünes Licht gegeben. Die zuständige OMV-Tochter Petrom erarbeitet aktuell gemeinsam mit dem Partner den Field Development Plan, der in weiterer Folge von den rumänischen Behörden genehmigt werden muss. "Wir haben gute Fortschritte gemacht und meinen, dass wir dort bis 2027 die Produktion starten können", sagte der OMV-Chef.

Die OMV plant für heuer organische Investitionen in Höhe von rund 3,8 Milliarden Euro, nach 3,7 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Gesamtproduktion der OMV wird heuer voraussichtlich auf rund 360.000 Fass pro Tag zurückgehen (2022: 392.000 Fass pro Tag), vor allem weil die russische Produktion nicht mehr als Eigenproduktion ausgewiesen wird. Daneben gebe es natürliche Förderrückgänge in Norwegen und Rumänien. (joge, 28.7.2023)