Elon Musk bei der Eröffnung der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin.
Tesla soll die Software zur Berechnung der Reichweite manipuliert haben. Die Anweisung dazu kam von Musk persönlich, berichtet Reuters.
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Der Elektroautobauer Tesla soll die Anzeigen am Armaturenbrett seiner Autos manipuliert haben, um die Reichweite höher erscheinen zu lassen. Das berichtet Reuters unter Berufung auf eine mit der Materie vertraute Person. Die zu hoch angegebenen Reichweiten führten wiederum zu einer Schwemme an Kundenbeschwerden. Tesla soll daraufhin ein eigenes Team eingerichtete haben, das die Werkstatttermine absagte.

Da staunte ein Tesla-Besitzer aus Kalifornien nicht schlecht, als er sein Auto zum Servicetermin bringen wollte. Er hatte bemerkt, dass sein Tesla Model 3 vor allem bei kaltem Wetter nur auf etwa die Hälfte der Reichweite kam. Kurz vor dem Besuch in der Werkstatt erhielt er zwei Textnachrichten, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass die "Ferndiagnose" ergeben habe, dass seine Batterie in Ordnung sei, und dass sein Besuch abgesagt sei.

Partys im "Diversion Team"

Wie sich laut Reuters nun herausstellte, steckt dahinter ein System. Im Sommer 2022 hat das Unternehmen heimlich ein "Diversion Team" in Las Vegas gegründet. Dessen Aufgabe: so viele Servicetermine wegen der Reichweite wie möglich abzusagen. Der Elektroautohersteller hatte dieses Abteilung gegründet, weil die Servicezentren mit Serviceterminen überschwemmt wurden. Die Kundschaft war und ist von den angegebenen Reichweiten enttäuscht, und viel vermuteten einen Defekt an der Batterie ihres Autos.

Im Büro des Diversion Teams wurde unterdessen gefeiert. Dort wurden oft hunderte Servicetermine in der Woche abgesagt, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden täglich über die Zahl der durch ihre Arbeit nicht stattfindenden Termine informiert. Eine Form der Leistungsbewertung, die im Büro heftig gefeiert wurde: Jedes Mal, wenn ein Termin abgesagt wurde, schlugen die Mitarbeiter ein Xylophon an, es gab Beifall von Kollegen, und manchmal sprangen die Angestellten auf die Tische, um ihre besonders erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen zu feiern, berichtet die Quelle. Den Mitarbeitenden wurden gesagt, dass sie für ihren Arbeitgeber für jeden abgesagten Termin rund 1.000 Dollar einsparen.

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DER STANDARD

Musk soll Manipulation angeordnet haben

Dabei hatte Tesla die Flut an Beschwerden selbst ausgelöst – indem das Unternehmen die Reichweite seiner Elektrofahrzeuge in den Himmel lobte und damit die Erwartungen der Verbraucher weit über die tatsächliche Leistung hochschraubte. Reuters beruft sich auf drei Automobilexperten, die Tesla-Modelle getestet haben. Demnach dürften die angegebenen Reichweiten nur selten erreicht werden.

Tesla soll bereits seit einem Jahrzehnt die Reichweiten seiner Fahrzeuge übertreiben. Dafür soll das Unternehmen die Software für die Reichweitenberechnung manipuliert haben. Elon Musk selbst soll diese Maßnahme angeordnet haben, um die Reichweite bei voller Batterie überhöht darstellen zu können. Erst wenn die Batterie dann unter die Hälfte ihrer maximalen Ladung fällt, würde der Algorithmus dem Fahrer realistische Prognosen für die verbleibende Reichweite anzeigen, so Reuters. Um zu verhindern, dass der Tesla plötzlich liegen bleibt, weil sich die Fahrerin oder der Fahrer auf die Reichweiten verlassen haben, wurde eine Art Sicherheitspuffer eingebaut, der eine zusätzliche Reichweite von etwa 24 Kilometern zulässt, selbst wenn am Armaturenbrett eine leere Batterie angezeigt wird.

Strafen für Tesla

Die Reichweite ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Entscheidung der Verbraucher, welches Elektroauto sie kaufen oder ob sie überhaupt eines kaufen wollen. Die sogenannte Reichweitenangst – die Befürchtung, dass der Strom ausgeht, bevor man eine Ladestation erreicht – war und ist ein Haupthindernis für die Ankurbelung des Verkaufs von Elektroautos.

Ob Tesla die manipulierte Software immer noch verwendet, ist unklar. Tesla wurde jedoch Anfang dieses Jahres von südkoreanischen Aufsichtsbehörden zu einer Geldstrafe verurteilt, da die Fahrzeuge bei kaltem Wetter nur die Hälfte der angegebenen Reichweite erreichten. In einer anderen aktuellen Studie wurde festgestellt, dass drei Tesla-Modelle im Durchschnitt 26 Prozent unter ihrer angegebenen Reichweite lagen. Weder Tesla noch Elon Musk haben sich bislang zu den Vorwürfen geäußert. (red, 28.7.2023)