Alfred Riedls Rückzug kann auf zwei Arten interpretiert werden. Der Präsident des Gemeindebundes hat sein Amt ja vergangene Woche ruhend gestellt. Der Grund dafür war die Debatte über die Grundstücksgeschäfte des Bürgermeisters in seiner Gemeinde Grafenwörth. Riedl selbst will die kommenden Wochen nutzen, um die Vorwürfe zu klären und sich und den Gemeindebund aus der Schusslinie zu nehmen – das sei ein Abschied auf Zeit.

Interpretation eins: Das ist ein Versuch des ÖVP-Politikers, die Affäre zu durchtauchen. Interpretation zwei: Die "Ruhe" ist der Beginn eines geordneten Rückzugs. Demnach stünde Riedls Abschied bei der nächsten Sitzung des Bundesvorstands des Gemeindebundes an. Dafür gibt es noch keinen Termin.

Schlüssel abgegeben

"Vorgesehen ist, dass wir die Aufgabe jetzt einmal für ein halbes, Dreivierteljahr übernehmen", sagt Erwin Dirnberger (ÖVP). Er ist Präsident des steirischen Gemeindebundes und hat mit seiner Vorarlberger Amts- und Parteikollegin Andrea Kaufmann bis auf weiteres Riedls Vertretung übernommen. "Mein Eindruck ist, dass er nicht mehr zurückkehren wird. Das hat er auch so anklingen lassen", sagt Dirnberger zum STANDARD. Das sei aber keine endgültige Einschätzung. Dem Vernehmen nach verzichtet der Präsident nicht nur auf seine Aufwandsentschädigung, sondern auch auf die Dienste des Chauffeurs. Sogar die Büroschlüssel habe er abgegeben, heißt es.

Alfred Riedl an einem Podium
Alfred Riedl beim Gemeindetag im Juni.
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Die Personalie kommt für den Bund zur Unzeit: Aktuell verhandeln Bund, Länder und Gemeinden den Finanzausgleich. Der Gemeindebund als offizielle Vertretung der Kommunen fordert mehr Steuergeld, Kaufmann und Dirnberger müssen nun für die politischen Verhandlungen einspringen. "Uns wird mit Sicherheit nicht fad", sagt Dirnberger.

Personelle Weichenstellung

Sollte Riedl tatsächlich final als Präsident des Gemeindebundes zurücktreten, steht eine interne Wahl unter den Präsidentinnen und Präsidenten der Landesorganisationen an. "Das muss gut vorbereitet sein", sagt Johannes Pressl (ÖVP), Präsident des niederösterreichischen Gemeindebundes. "Wir brauchen langfristig einen personellen Konsens, wie es weitergeht." Für eine potenzielle Nachfolge Riedls gebe es "einige mögliche Kandidaten", noch sei es aber viel zu früh, um darüber zu reden, sagt Pressl. Das findet auch Dirnberger. Kaufmann war für eine Anfrage am Sonntag nicht erreichbar.

Wegen der Kräfteverhältnisse im Gemeindebund käme Riedls Nachfolgerin oder Nachfolger so gut wie fix aus der ÖVP, denn die roten Gemeinden sind stark in der Unterzahl. De facto machen sich die schwarzen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Personalie also unter sich aus, wobei große Bundesländer wie Niederösterreich, Oberösterreich oder die Steiermark viele Stimmen und damit einen strategischen Vorteil haben.

Die
Der Beton des Anstoßes: die Siedlung "Sonnenweiher" am Ortsrand von Grafenwörth. Der Bürgermeister selbst soll daran verdient haben.
Wojciech Czaja

Roter Bürgermeister: "Gemeindebund unter Druck"

Rupert Dworak, Präsident der roten Gemeinden in Niederösterreich, hält im STANDARD-Gespräch aber fest, dass auch rote Kommunalpolitiker gerne für das Amt zur Verfügung stehen. Er hat Riedl schon früh den Rücktritt nahegelegt und tut dies auch weiterhin. "Wegen dieser Affäre gerät der Gemeindebund immer stärker unter Druck", sagt Dworak zum STANDARD.

Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Gemeinden beim Thema Bodenversiegelung. Und: "Die Frage, die sich natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung stellt, ist: Wie viel Insiderwissen wurde hier genutzt?", sagt Dworak.

Grundstück um 630 Euro

Während sich der Gemeindebund noch neu ordnet, bringen Recherchen weitere Neuigkeiten aus Grafenwörth ans Licht: Die Wiener Zeitung wertete für einen Bericht das Grundbuch aus – und stellte fest, dass Riedl zahlreiche weitere Grundstücke in Grafenwörth gekauft hat, um sie dann an seine Töchter zu verschenken. Ins Auge sticht dabei ein Grundstück mit fast 4800 Quadratmetern, das der Bürgermeister im Jahr 2020 dem Baukonzern Swietelsky abgekauft habe – um nur 630 Euro und damit 13 Cent pro Quadratmeter. Daraufhin verschenkte er die Immobilie an seine Töchter und Enkelkinder.

Laut den Recherchen des Mediums wird der Wert im Schenkungsvertrag auf 190.000 Euro geschätzt. Riedl verweise darauf, dass die Firma dort weiterhin zum Abbau von Schotter berechtigt sei, er habe den Kauf bestätigt, den Preis aber nicht. (Sebastian Fellner, 30.7.2023)