Niamey/Abuja – Nach dem Putsch im Niger erhöht sich der Druck auf die neuen Militärmachthaber. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas droht den Putschisten mit schweren Sanktionen und Gewalt. Wenn der festgesetzte Präsident Mohamed Bazoum nicht innerhalb einer Woche freigelassen und wieder eingesetzt werde, werde Ecowas Maßnahmen ergreifen, die den Einsatz von Gewalt beinhalten könnten, teilte die Staatengemeinschaft am Sonntagabend mit. Deutschland stoppt nach den Sanktionen der EU auch seine Entwicklungshilfe.

Video: Tausende protestieren vor französischer Botschaft im Niger
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Am Mittwoch hatten Offiziere von General Omar Tchianis Eliteeinheit den demokratisch gewählten Präsidenten festgesetzt und für entmachtet erklärt. Tchiani ernannte sich am Freitag selbst zum neuen Machthaber. Kurz danach setzten die Putschisten die Verfassung des westafrikanischen Landes außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf, mindestens 180 Mitglieder der Regierungspartei wurden festgenommen.

Deutschland stoppt Enwicklungshilfen

Deutschland legt nach dem Militärputsch im Niger weitere Hilfen für das westafrikanische Land auf Eis. Am Montag wurde auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt, nachdem zuvor alle direkten Unterstützungszahlungen an die zentrale Regierung in Niamey vorerst gestoppt worden waren. Die EU stellte sich indes klar hinter die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas, die den Putschisten am Wochenende ein Ultimatum gestellt hatte.

Die Ministerien in Berlin handeln dabei im politischen Gleichklang mit EU-Partnern sowie der Afrikanischen Union und Ecowas, um den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum zurück ins Amt zu bekommen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin machte deutlich, es sei vorschnell zu unterstellen, dass dieser Putsch schon erfolgreich sei. "Also von daher glaube ich, sind da noch viele Dinge im Fluss, und es gibt durchaus noch die Möglichkeit, dass dieser Putsch scheitert."

Deutschland steht diesbezüglich vor schwierigen Fragen, weil es über seinen Lufttransportstützpunkt im nigrischen Niamey den Abzug seiner Soldaten aus Mali abwickelt. Seit dem Putsch ist der Flugbetrieb auf dem Lufttransportstützpunkt in Niamey aber gesperrt. Er dient nun auch als sicherer Zufluchtsort für die Belegschaft der deutschen Botschaft in Niamey.

Ultimatum der Ecowas

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hatte den Putschisten am Sonntag ein Ultimatum gestellt. Sollte Bazoum nicht binnen einer Woche freigelassen und wieder eingesetzt werden, werde Ecowas Maßnahmen ergreifen, die den Einsatz von Gewalt beinhalten könnten, hieß es. Dieses Ultimatum wurde nun auch von der EU gutgeheißen. "Die Europäische Union unterstützt alle Maßnahmen, die die Ecowas als Reaktion auf den Staatsstreich ergriffen hat und wird sie rasch und entschlossen fördern", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag. Der Niger galt bisher als ein Anker der Demokratie in der vom islamistischen Terrorismus heimgesuchten Sahelzone.

Ecowas forderte zudem die Zentralbanken ihrer Mitgliedsstaaten auf, die Vermögenswerte nigrischer staatlicher und halbstaatlicher Unternehmen sowie der am Putsch beteiligten Militärs einzufrieren. Außerdem würden alle finanziellen Unterstützungen und Transaktionen mit nigrischen Finanzinstituten suspendiert. Ecowas werde umgehend einen Sonderbeauftragten ernennen und in den Niger entsenden, um der Militärjunta die Forderungen zu überbringen.

Demonstrierende in Niamey
Demonstrierende in der Hauptstadt Niamey.
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Reaktionen aus den USA und Großbritannien

US-Außenminister Antony Blinken begrüßte den Vorstoß der Ecowas. Er unterstütze die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses in ihrer Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger, schrieb Blinken in der Nacht auf Montag auf Twitter (X). Die rechtmäßige und demokratisch gewählte Regierung müsse sofort wiedereingesetzt werden.

Auch Großbritannien erklärte in einer Mitteilung von Sonntagabend seine Unterstützung der Ecowas. Das Vereinigte Königreich werde seine langfristige Entwicklungshilfe für den Niger aussetzen, hieß es. Man werde den Menschen in dem Land aber weiterhin kritische humanitäre Hilfe zukommen lassen, teilte der Staatssekretär für Entwicklung, Andrew Mitchell, mit.

Tausende Demonstrierende

Während des Ecowas-Gipfels demonstrierten in Nigers Hauptstadt Niamey Tausende Menschen für die neuen Militärmachthaber. Zahlreiche Menschen schwenkten dabei auch russische Fahnen. Französischen Medienberichten zufolge artete ein Protest vor der französischen Botschaft in Niamey in Gewalt aus.

Die US-Botschaft in Niamey riet US-Bürgern in der nigrischen Hauptstadt, sich vor Ort in Sicherheit zu bringen, sich nicht unnötig im Stadtgebiet zu bewegen und vor allem den Bereich um den Präsidentenpalast zu meiden. Auch Protesten sollten sie aus dem Weg gehen. Das deutsche Auswärtige Amt mahnt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen ebenfalls zu besonderer Vorsicht in Niamey. Deutsche im Land sollten sich zudem in der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts registrieren. Diese Liste soll Menschen dabei helfen, in einem Krisen- oder Katastrophenfall schnell informiert und in Maßnahmen einbezogen zu werden.

Druck von westlichen Staaten

Auch westliche Staaten üben Druck auf den Niger aus. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich setzte ihre Budget- und Entwicklungshilfe für das westafrikanische Land aus. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gab bekannt, dass die EU ihre Budgethilfe für den Niger sofort einstelle und alle Maßnahmen der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich auf unbestimmte Zeit aussetze.

Bisher war der Niger ein wichtiger Partner für die USA und die EU im Anti-Terror-Kampf in der Sahelzone, die sich vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten zieht. Sie leidet seit Jahren unter einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage. Viele Milizen, die zum Teil dem "Islamischen Staat" (IS) oder dem Terrornetzwerk Al-Kaida ihre Treue geschworen haben, verüben regelmäßig Anschläge.

Der Niger ist außerdem eins der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die sich auf den Weg in Richtung Europa machen. Seit seinem Amtsantritt im April 2021 war Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU. Die EU kooperiert mit dem Niger bereits seit 2015, vor allem um die kritische Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

Prigoschin unterstützt Militärregierung

Eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung forderte am Montag auch Russland. Was im Niger geschehe, sei eine Angelegenheit von ernster Besorgnis, sagte Kreml-Chef Dmitri Peskow zu der Lage nach dem Staatsstreich, der von vielen Ländern verurteilt, aber vom Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, vorige Woche ausdrücklich begrüßt wurde.

Prigoschin hat mit seiner Wagner-Gruppe umfangreiche politische und wirtschaftliche Interessen in Afrika, seine Kämpfer sind dort in mehreren Ländern aktiv. So auch in Nigers Nachbarstaat Mali, wo sie die Militärregierung unterstützen, die sich 2021 an die Macht putschte. Malis Militärmachthaber haben schrittweise mit Frankreich, Deutschland und anderen westlichen Staaten gebrochen, die bisher bei dem Kampf gegen Islamisten und der Stabilisierung des Landes halfen. (APA, 31.7.2023)