Der 1. August ist der International Childfree Day. Warum dieser Tag gefeiert wird, darüber schreibt die deutsche Buchautorin Verena E. Brunschweiger in ihrem Gastkommentar.

Eine Frau auf eine Straße blickend.
Muss eine Frau auch Mutter sein?
Foto: Getty Images / iStockphoto / Viktor Pryymachuk

Alle wissen, dass am zweiten Sonntag im Mai Muttertag ist. Und in Deutschland muss man sich an Christi Himmelfahrt leider immer noch bisweilen betrunkene Gestalten anschauen, die mit einem Wägelchen voller Flaschen "wandern", da sie ja feiern, Väter zu sein.

Was viele Leute vor allem im deutschsprachigen Raum aber nicht wissen, ist, dass der 1. August der International Childfree Day ist. In den güldenen Jahren des echten Feminismus, also in den 1970ern, wurde dieser Tag in den USA eingeführt, um Aufmerksamkeit auf die Menschen zu lenken, die sich aus freien Stücken gegen die Elternschaft entschieden haben.

Kinderfreie feiern

1970 erschien das grandiose Buch "The Dialectic of Sex: The Case for Feminist Revolution" der US-amerikanischen Autorin Shulamith Firestone. Sie war wie Simone de Beauvoir und viele andere Radikalfeministinnen aus Vergangenheit und Gegenwart davon überzeugt, dass man sich als Feministin niemals dem Patriarchat als Inkubator zur Verfügung stellt.

In progressiven Ländern wie Kanada fand daher am vergangenen Wochenende bereits zum dritten Mal die International Childfree Convention statt, mit 60 internationalen Speakerinnen und Speakern, ich war eine davon.

Es geht weder bei der kanadischen Convention noch beim Feiern des International Childfree Day darum, zu behaupten, Kinderfreie wären prinzipiell die besseren Menschen (obwohl die Größe ihres ökologischen Fußabdrucks logischerweise deutlich unter dem eines jeden Elternteils liegt). Es steht jeder Frau natürlich frei, sich für die Mutterschaft zu entscheiden. Es geht vielmehr darum, eine Alternative in den Fokus zu rücken.

Rechte Politik

1930 verfasste der Schriftsteller Lion Feuchtwanger seinen Roman "Erfolg". Darin beschreibt er den Aufstieg der NSDAP zur Macht und warnt vor deren Gefahren. Er erklärt, dass Leben für die Zwecke der Herrschenden im Überfluss vorhanden sein musste, dass der Staat alles tat, um den Kurswert des Lebens zu drücken. Gerade um den Kaufpreis der Ware Leben so niedrig wie möglich zu halten, bestand der Staat auf Gebärzwang. Konkret schreibt Feuchtwanger: "Den Herren der Industrie, den Anhängern der Idee vom größeren Reich schien es nützlich, die Geburtenzahl nach Möglichkeit zu steigern, und ohne Rücksicht auf die Warnung Helldenkender unterband man mit allen Mitteln die Geburteneinschränkung."

Tja, die Warnungen Helldenkender werden 93 Jahre später leider immer noch nicht in ausreichendem Maß gehört. So wird das Recht auf Abtreibung nicht nur in den USA wieder enorm eingeschränkt. In Deutschland und Spanien beispielsweise haben ebenfalls rechte Parteien erschreckenden Aufwind. Wie desolat es in Viktor Orbáns Ungarn oder in Polen aussieht, muss man kaum explizit ansprechen. Besonders arg ist die Situation in Russland, wo es einen Gesetzesvorschlag gab, kinderfreie Inhalte als gefährliche Propaganda einzustufen – gleich neben LGBTQ- und radikalfeministischen Themen.

"Elly Schlein, Partito-Democratico-Vorsitzende, kinderfrei, bisexuell und in jeder Hinsicht so progressiv wie Giorgia Meloni reaktionär."

In Italien regiert aktuell leider Giorgia Meloni, die öffentlich bedauert, kein zweites Kind zu bekommen. Aber es gibt dort auch eine wundervolle Gegenspielerin – Elly Schlein, Partito-Democratico-Vorsitzende, kinderfrei, bisexuell und in jeder Hinsicht so progressiv wie Meloni reaktionär. Um noch ein weiteres positives Vorbild zu nennen: In Südkorea wollen bereits 51 Prozent der jungen Leute kinderfrei bleiben. Gerade junge koreanische Feministinnen haben auf patriarchalen Blödsinn jeglicher Art keinerlei Lust mehr.

Meloni, Orbán und Konsorten führen fort, was faschistische Kräfte begannen: Nationalismus über alles, Blut und Boden. Kein Wunder, dass die Nazis besonders begeistert waren vom Muttertag, denn was gab es Ehrenvolleres, als dem Führer ein weiteres arisches Kind zu schenken? Für vier davon erhielt man immerhin schon das Mutterverdienstkreuz in Bronze! Dass Relikte dieser unheilvollsten Zeit der Menschheitsgeschichte immer noch nicht nur vorhanden sind, sondern sogar gehypt werden, ist ein Skandal. Daher möchte ich nochmal an den Club of Rome erinnern, der ebenfalls in den 1970ern auf die Grenzen des Wachstums hinwies und dessen wunderbare Idee ich den Menschen seit 2019 immer wieder gern ins Gedächtnis zurückrufe: eine fünfstellige Prämie für jede kinderfreie Frau an ihrem 50. Geburtstag! Und solange es die noch nicht gibt, feiern wir doch wenigstens den 1. August. (Verena E. Brunschweiger, 1.8.2023)