X, kürzlich noch bekannt als Twitter, kämpft seit geraumer Zeit mit schwächelnden Werbeeinnahmen. Verschiedene von Neo-Eigentümer Elon Musk initiierte Maßnahmen wie die Entsperrung umstrittener Accounts, die Entlassung eines Großteils des für Desinformationsabwehr zuständigen Teams sowie die Verbreitung von Verschwörungserzählungen durch Musk selbst haben zum Absprung zahlreicher Anzeigenkunden geführt.

Doch das Problem sieht man bei der X Corporation offenbar nicht primär bei sich selbst. Wie nun bekannt geworden ist, hat das Unternehmen eine Non-Profit-Organisation, die Hassrede erforscht, verklagt.

Musk erzürnt über Forschungsergebnisse

Konkret geht es um das Center for Countering Digital Hate (CCDH), das den Eingang eines am 20. Juli verfassten anwaltlichen Schreibens bestätigt hat. Darin wird der Organisation vorgeworfen, "eine Reihe beunruhigender und haltloser Behauptungen" aufgestellt zu haben, "die darauf abzuzielen scheinen, Twitter im Allgemeinen und dem Werbegeschäft im Speziellen zu schaden". In einem am Montag veröffentlichen Blogpost erklärte X, dass man eine Klagsschrift beim Bundesgericht für den Bezirk Nordkalifornien eingereicht habe.

X-CEO Elon Musk
Elon Musk hat sich nun das Center for Countering Digital Hate als neuen Gegner auserkoren.
Paul Hennessy via www.imago-imag

Das CCDH hatte im Juni eine Untersuchung über Hassrede auf dem damals noch Twitter genannten Dienst publiziert. In einem der insgesamt acht Paper stellte man fest, dass von 100 wegen Hassrede gemeldeten Konten, die über ein bezahltes "Twitter Blue"-Abo verfügten, nur eines sanktioniert worden war. X Corp. bezeichnet die Forschungsergebnisse als "falsch, irreführend oder beides" und wirft der Organisation vor, unerlaubt auf Daten zugegriffen sowie untaugliche Methodologie angewandt zu haben. Zudem verdächtigt man das CCDH, von konkurrierenden Plattformen oder ausländischen Regierungen zugunsten einer "höheren Agenda" finanziert zu werden und "aktiv gegen Meinungsfreiheit zu arbeiten".

Die NGO lässt diese Anwürfe allerdings nicht auf sich sitzen. "Elon Musks Handlungen sind ein dreister Versuch, ehrliche Kritik und unabhängige Forschung zu knebeln", sagt CCDH-Chef Imran Ahmed. Man nehme keine Spenden von Tech-Firmen, Regierungen oder ihren Partnern an. Seiner Ansicht nach versuche Musk, die Flut an negativer Berichterstattung einzudämmen, um wieder ein besseres Standing bei Anzeigenkunden zu bekommen. In einem Antwortschreiben (PDF) an Musks Juristen bezeichnete das Anwaltsbüro der Organisation den Brief mit den Vorwürfen als "lächerlich" und listete erneut Beispiele für nicht sanktionierte Hassrede auf.

Dauerstreit

Dass X mit dieser Klage das eigene Werbegeschäft retten kann, dürfte unwahrscheinlich sein. Laut "New York Times" lagen die Einnahmen zwischen 1. April und der ersten Maiwoche mit 88 Millionen Dollar um 59 Prozent unter dem Wert vom Vergleichszeitraum des Vorjahrs.

Es ist nicht das einzige rechtliche Schlachtfeld, auf das sich Musks Plattform zuletzt begeben hat. Geklagt hatte man auch das Anwaltsbüro Wachtell, Lipton, Rosen & Katz, dem man vorwirft, sich unzulässig am Übernahmedeal für Twitter bereichert zu haben. Microsoft drohte man im Mai mit einem Gerichtsverfahren, da sich der Konzern unrechtmäßig an Twitter-Daten bedient haben soll.

Meta (vormals Facebook Inc.) schickte man wiederum ein anwaltliches Schreiben, da man den Konzern der Nutzung von Twitter-Firmengeheimnissen bei der Umsetzung des konkurrierenden Netzwerks Threads beschuldigt. Gleichzeitig schien sich in den vergangenen Wochen eine kampfsportliche Auseinandersetzung zwischen Musk und Meta-CEO Mark Zuckerberg anzubahnen, die laut jüngsten Aussagen aber wohl doch nicht stattfinden wird. (gpi, 1.8.2023)