Giorgia Meloni wetterte als Oppositionspolitikerin ungehemmt und ungestraft gegen alles und jeden. Doch seitdem sie im vergangenen Herbst Regierungschefin wurde, beweist sie überraschend viel Vernunft und Pragmatismus. So hält sie eisern am besonnenen finanzpolitischen Kurs ihres fachlich renommierten Vorgängers Mario Draghi fest: Nur durch die Budgetdisziplin gehen Italien nicht die knapp 200 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds durch die Lappen. Die Alternative? Undenkbar.

Giorgia Meloni im Palazzo Chighi, dem italienischen Regierungssitz
Giorgia Meloni trifft oft richtige Entscheidungen, zieht diese aber mitunter auf fragwürdige Weise durch.
REUTERS / Remo Casilli

In Sachen Ukrainekrieg hält Meloni ihre demagogischen Juniorpartner an der kurzen Leine. Die persönliche Bewunderung von Matteo Salvini für bzw. die Freundschaft von Silvio Berlusconi (bis zu dessen Tod im Juni) mit Wladimir Putin sind nicht kompatibel mit der italienischen Außenpolitik. Rom agiert vollkommen und glaubwürdig im Gleichklang mit EU und Nato. Und auch in der Migrationspolitik legt sie überraschend viel Sachlichkeit an den Tag.

Innenpolitisch musste Meloni zuletzt eine undankbare Aufgabe lösen: Die von Ex-Premier Giuseppe Conte installierte Mindestsicherung ist bei nüchterner Betrachtung ein überteuertes, völlig unfinanzierbares Wahlgeschenk, Meloni spart nun drastisch ein: Der Topf ist künftig nur noch mit fünf statt mit acht Milliarden Euro gefüllt. Der "reddito di cittadinanza" bleibt im Prinzip – allerdings profitieren nun viel weniger Menschen davon: Rund 170.000 Familien fallen um ihre finanzielle Unterstützung zur Begleichung der Lebenskosten um. Das ist hart – und oft auch ungerecht.

Aber im Prinzip richtig. Nicht zuletzt deshalb, weil das Conte-Modell nicht immer sozial treffsicher war: Berichte von Missbrauch dieser Gelder gab es zuhauf. Also handelte Meloni – die als Tochter einer Alleinerzieherin selbst weiß, wie es ist, wenn man in bescheidenen Verhältnissen leben muss.

Doch die Härte, wie sie diese Entscheidung durchsetzte und kommunizierte, war schäbig und empathielos: Hunderttausende betroffene Italienerinnen und Italiener erfuhren davon per SMS, mitten in der Ferienzeit. Damit verspielt sie bei den "kleinen Leuten" wertvolle Sympathien. Ob es das wert war, bloß um die rechtesten Polemiker im eigenen Lager zu befrieden? (Gianluca Wallisch, 1.8.2023)