Es dauerte dann doch nur Stunden, ehe die Entscheidung gefallen war. Dann teilten der türkise Kanzler Karl Nehammer und sein grüner Vize Werner Kogler in einer Aussendung mit: Eine Gehaltserhöhung werde es für die Politikerinnen und Politiker kommendes Jahr nicht geben – zumindest nicht für Mitglieder der Bundesregierung oder den Bundespräsidenten. Der Kanzler verordnete eine weitere Nulllohnrunde – so geschehen bereits 2009 bis 2012 sowie 2018. In den Ländern und Gemeinden wird die Lohnanpassung geringer ausfallen als möglich. Das gilt auch für Abgeordnete auf allen Ebenen.

2024 hätten Nehammer und Co deutlich mehr verdienen können – nämlich um satte 9,7 Prozent. Das würde zumindest dem (voraussichtlichen) Anpassungsfaktor der Pensionen entsprechen – und der ist für die monatlichen Auszahlungen an heimische Politikerinnen und Politiker relevant.

Denn im sogenannten Bezügebegrenzungsgesetz ist geregelt: Politikereinkommen sollen entweder mit dem Anpassungsfaktor für die Pensionen oder mit der Inflation von Juli des Vorjahres bis Juni des laufenden Jahres wachsen – je nachdem, welcher der beiden Werte niedriger ist. Heuer wäre das die Pensionsanpassung, also 9,7 Prozent. Der Wert basiert auf den vorläufigen Inflationsdaten, die sich bis zur Verlautbarung im Dezember allerdings noch ändern können.

Am Rekord vorbeigeschrammt

Eine Erhöhung der Politikergehälter um 9,7 Prozent wäre ein historischer Rekord. Man muss dazusagen: Die Gehaltspyramide für Politikerinnen und Politiker hat seit ihrer Einführung vor über 25 Jahren massiv an Wert verloren – aufgrund mehrerer Nulllohnrunden und Anpassungen unter der Inflationsrate.

Ein Überblick: Im Jahr 1997 erhielt ein Nationalratsabgeordneter 100.000 Schilling (das sind 7267 Euro). Wäre dieser Betrag laufend an die Inflation angepasst worden, müssten die Parlamentarier heute 12.100 Euro monatlich erhalten. Tatsächlich sind es 9.873 Euro. Wollte man diesen Wertverlust ausgleichen, müssten die Politikerbezüge theoretisch also um mehr als ein Fünftel erhöht werden.

Kanzler und Vizekanzler beim Pressefoyer
Nehammer und Kogler beim Pressefoyer nach dem Ministerrat.
IMAGO/SEPA.Media/Martin Juen

Doch statt zu steigen, stagnieren die Gehälter in der Spitzenpolitik auf Bundesebene. Für Abgeordnete "aller Ebenen, Länder und Gemeinden" sollen die Bezüge laut Nehammers Sprecher um die Hälfte, also knapp unter fünf Prozent, erhöht werden. Das gilt auch für die Landeshauptleute. Eine noch geringere Erhöhung sei jedoch auch möglich. Das sei eine autonome Entscheidung, heißt es aus dem Kanzleramt.

Damit die Politikerinnen und Politiker auf Lohn verzichten dürfen, braucht es erst die Zustimmung des Nationalrats. Den dafür notwendigen Beschluss werde man im Herbst im Nationalrat fassen, hieß es. Die Regierung ist dafür auf die Unterstützung der Opposition angewiesen – es handelt sich um Verfassungsmaterie.

Dienstagfrüh wurde erstmals über das mögliche Gehaltsplus für die heimische Politik berichtet. Zehn Stunden später reagierte die türkis-grüne Regierungsspitze. In der Zwischenzeit schäumte die Opposition. FPÖ und SPÖ mahnten eine Nulllohnrunde ein: Der blaue Klubchef Herbert Kickl hatte eine Erhöhung der Politikergehälter für "unanständig" gehalten. "Es kann nicht sein, dass die Verantwortlichen in der Regierung immer mehr verdienen, während die Bevölkerung mit massiven finanziellen und existenziellen Problemen zu kämpfen hat", sagte Kickl. Die FPÖ plane im Herbst, einen generellen Antrag gegen die Steigerung der Politikerbezüge einzubringen.

Die SPÖ forderte eine Nulllohnrunde für Regierungsmitglieder und Bundesorgane, die Gehälter in der Höhe der Klubobleute oder höher beziehen. "Es wäre absolut unmoralisch, wenn die Gehälter der Regierung die höchste Gehaltsanpassung erhalten", befand SPÖ-Chef Andreas Babler.

Nach Bekanntwerden der Nulllohnrunde gab sich Babler im Ö1-"Journal" zufrieden. Die Bundesregierung sei "in dem Punkt zumindest zur Vernunft gekommen, dass sie sich nicht selber dafür belohnt, dass sie eigentlich nichts gemacht hat gegen steigende Preise", sagte der Rote. Kickl wiederum bezeichnete die Ankündigung als "halbherziges Einlenken des Kanzlers". Es sei "ein Paradebeispiel mehr dafür, dass er erst auf Druck der FPÖ weiß, was richtig und falsch ist".

Die Neos waren von Beginn an nicht ganz so streng: Sie lehnten eine Gehaltserhöhung für Politiker nicht grundsätzlich ab und verwiesen darauf, dass sich der Nationalrat Ende des Jahres damit beschäftigen werde. "Es gibt aber einen guten Grund, warum in Österreich Politiker nicht mit sich selbst verhandeln und es einen gesetzlichen Anpassungsfaktor gibt", hieß es in einer Aussendung.

Was die Pensionisten bekommen

Während die Politik verzichtet, könnten die Pensionen zwar mehr, aber nicht weniger steigen. Die aktuelle Annahme fußt auf einer Schnellschätzung. Der Wert wird vom Sozialministerium berechnet. Die zuständigen Beamten dort orientieren sich am Durchschnitt der Teuerungsraten der vergangenen zwölf Monate. Daraus ergibt sich, dass die Pensionen im kommenden Jahr um fast zehn Prozent ansteigen dürften.

Geringfügig kann sich der Wert noch verändern. Erst wenn die endgültigen Daten feststehen, wird der gesetzliche Wert für die Pensionserhöhung verlautbart. Der Politik steht es allerdings frei, noch eine höhere Anpassung für die Pensionistinnen und Pensionisten zu beschließen. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 1.8.2023)