Für Banken sind Zeiten steigender Zinsen meist lukrativ, denn das Geschäft mit Krediten und Einlagen wird in der Regel profitabler. So gesehen war die vergangene Woche beschlossene Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf nunmehr 4,25 Prozent eine gute Nachricht für die Geldhäuser – allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Denn die Notenbank hat gleichzeitig auch eine Verschärfung ihrer Zinskonditionen angekündigt: Ab 20. September wird nämlich die sogenannte Mindestreserve der Banken bei der Zentralbank nicht mehr verzinst. Derzeit wird sie noch mit der Verzinsung für Bankeinlagen bei der Notenbank, die die EZB auf 3,75 Prozent gehievt hat, abgegolten.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei einer Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
Unter EZB-Chefin Christine Lagarde ging es mit den Zinsen zuletzt steil nach oben. Bei der letzten Zinserhöhung in der vergangenen Woche wurde den Kreditinstituten jedoch die Verzinsung ihrer Mindestreserve bei der Notenbank gestrichen.
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Das kostet die europäischen Kreditinstitute viel Geld: Insgesamt haben sie 165 Milliarden Euro als Mindestreserve eingezahlt, davon entfallen laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) 4,85 Milliarden Euro auf heimische Banken. Anstatt auf ein Jahr gerechnet zum derzeitigen Zinssatz knapp 182 Millionen Euro an Zinszahlungen zu lukrieren, gehen sie ab September leer aus. Analysten der Deutschen Bank schätzen, dass die Gewinne von Europas Kreditinstituten dadurch 2024 im Mittel um zwei Prozent geringer ausfallen werden. Weniger stark betroffen seien Häuser mit eher wenig Geschäft in der Eurozone wie die Raiffeisen Bank International, die etwa die Hälfte ihres Gewinns in Russland erzielt.

Höhere Mindestreserve

Wie hoch die Mindestreserve einer Bank ausfällt, hängt von ihren kurzfristigen Verbindlichkeiten ab, also hauptsächlich vom Einlagenvolumen ihrer Kunden. Davon müssen die Institute ein Prozent als Mindestreserve bei der nationalen Notenbank hinterlegen, seit die EZB diesen Wert 2012 halbiert hatte. Allerdings steht nun wieder eine Erhöhung des Satzes auf zwei Prozent im Raum – ein entsprechender Vorschlag soll im EZB-Rat aber keine Mehrheit gefunden haben.

Einem Insider zufolge war der Beschluss ein Kompromiss. Banken seien in den Krisenzeiten lange von der EZB unterstützt worden. Dies sei nun aber nicht mehr notwendig. Laut dem Bankenexperten Sebastian Mack vom Berliner Jacques Delors Centre hätte die Notenbank weiter gehen sollen: "Um den Vermögenstransfer von der öffentlichen Hand zum privaten Sektor wirksam einzudämmen, sollte die EZB bei den nächsten Sitzungen den Mindestreservesatz nun schrittweise anheben", sagt er dem Handelsblatt. Allerdings würde dies dem Finanzsystem weitere 165 Milliarden Euro an Kapital entziehen.

Das Aus der Verzinsung für die Mindestreserve wird wohl auch auf das Kundengeschäft durchschlagen: Für Banken, die besonders in Österreich trotz der starken Zinserhöhungen der EZB mit Sparzinsen geizen, wird die Finanzierung über Kundeneinlagen dadurch freilich nicht attraktiver, da sie einen Teil davon künftig unverzinst bei der Notenbank hinterlegen müssen. (Alexander Hahn, 2.8.2023)