Ein Arbeiter steht auf einer Baustelle auf einer Leiter.
Die Kreditzinsen haben die Banken bereits kräftig nach oben geschraubt, bei den Einlagenzinsen stehen sie aber nach wie vor auf der Bremse.
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Zeiten steigender Zinsen sind für Banken meist gute, da sie in dieser Phase im Zinsgeschäft mehr verdienen. Das ist auch diesmal so: Da die Europäische Zentralbank (EZB) im Vorjahr von ihrem sechsjährigen Nullzinskurs abgegangen ist, steigerten die Kreditinstitute ihren Betriebsgewinn im Privatkundengeschäft deutlich. Nämlich im europäischen Schnitt um 18 Prozent, geht aus dem "Retail Banking Monitor 2023" der Beratungsgesellschaft PwC hervor. Wesentliche Treiber der Entwicklung sind demnach die steigenden Zinsen und dadurch steigende Margen sowie Effizienzgewinne durch Einsparprogramme und Digitalisierungsprojekte.

Auffallend sind in der Erhebung jedoch Österreichs Geldhäuser: Sie konnten ihre Ertragslage im Privatkundengeschäft im Vorjahr um 28 Prozent verbessern, das sind um zehn Prozentpunkte mehr als im Europaschnitt. Woran liegt das? Haben heimische Institute die Zinsspanne besonders weit aufgehen lassen, indem sie die Kreditzinsen stark, aber die Einlagenzinsen noch kaum angezogen haben?

Bei Kreditkunden wird abgeschöpft

Für Oliver Picek ist das "definitiv" ein Grund für den Gewinnsprung um mehr als ein Viertel in Österreich: "Man sieht in den Bankbilanzen, dass die Nettozinserträge deutlich gestiegen sind", sagt der Chefökonom des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts. Zur Verdeutlichung verweist er auf Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB): Demzufolge seien in den zwölf Monaten bis Dezember 2022 die Zinsen auf Kundeneinlagen der Haushalte hierzulande bloß um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte angestiegen, also "um fast nichts". Im selben Zeitraum sei das Zinsniveau für Wohnbaukredite um 0,7 Prozentpunkte, für Konsumkredit sogar um 1,1 Prozentpunkte nach oben geschossen. "Daran sieht man, dass die Zinsspanne deutlich auseinandergegangen ist", sagt der Momentum-Ökonom. "Die Banken fahren einen Kurs, der bei den Kreditkunden abschöpft."

Heimische Banken agieren bei der Weitergabe des höheren Zinsniveaus – für ihre Einlagen bei der EZB bekommen die Geldhäuser der Eurozone derzeit selbst bereits 3,5 Prozent Zinsen – auf der Einlagenseite besonders pomadig. Als Grund dafür gilt auch, dass wegen des Einbruchs des Neugeschäfts an Wohnkrediten seit Mitte 2022, dem Ende des Immobilienbooms, Banken hierzulande wenig Einlagen benötigen und daher der Wettbewerb um diese bisher noch nicht Fahrt aufgenommen hat.

Picek verweist auch auf einen grundlegenden Unterschied: Während bei variablen Krediten die Zinserhöhungen vertraglich festlegt seien und automatisch umgesetzt werden, gebe es bei Spareinlagen oft nichts Vergleichbares, sprich, meist müsse erst der Kunde selbst aktiv werden. "Es dauert auch, bis sich das bei Kunden herumspricht und die bei der Bank um höhere Einlagenzinsen nachfragen", ergänzt Picek.

"Glücksfall für Banken"

Der Krieg in der Ukraine hat sich Picek zufolge über die sprunghaft angestiegene Inflation und steigende Zinsen als "Glücksfall für Banken" erwiesen. "Ich finde es nicht schlecht, wenn man in dieser Situation eine Übergewinnsteuer für Banken einführen würde", folgert er daraus – zumal die Banken auch bedacht seien, diese ertragreiche Phase möglichst lange auszudehnen. Picek verweist auf Länder wie Spanien oder Tschechien, wo bereits Übergewinne besteuert werden, oder auch auf die Bankenabgabe in Österreich nach der Finanzkrise. Daher können man auch jetzt erwägen, die zusätzlichen Gewinne abzuschöpfen.

Denn die Entwicklung höherer Gewinne im Bankgeschäft mit Privatkunden setzt sich Picek zufolge auch heuer fort. Einerseits, da die Zinsspanne sich weiter ausweite, andererseits wegen der Anpassung vieler Bankgebühren um die Inflationsrate – immerhin hierzulande 8,6 Prozent im Vorjahr. Dieser Anhebung würden aber keine entsprechend hohen Kostensteigerungen gegenüberstehen, meint Picek. Europaweit sind die Betriebskosten PwC zufolge 2022 bloß um zwei Prozent gestiegen.

Die Beratungsgesellschaft empfiehlt den Banken, die derzeit günstige Ausgangsposition für weitere Veränderungen zu nützen. "Die Institute sollten das aktuelle Zeitfenster der Zinserholung für die erforderliche Transformation im Vertrieb und im Angebotsportfolio nutzen“, sagt Pwc-Experte Hendrik Bremer. Banken müssten aktiver mit ihren Kunden interagieren und Produkte "verständlicher, einfacher und zugänglicher" gestalten, lautet die Empfehlung. (Alexander Hahn, 18.7.2023)