Georg Dornauer
Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer spricht sich außerdem gegen eine "Aufweichung" der Migrationspolitik aus.
APA/EVA MANHART

Der Tiroler SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer schlägt bundespolitische Pflöcke ein. Es brauche eine "Neuausrichtung" der Bundes-SPÖ "hin zu den Lebensrealitäten der Menschen", sagte Dornauer im APA-Interview. Zudem pochte er auf eine restriktive Migrationspolitik. "Aufweichungen" der geltenden Parteilinie dürfe es dahingehend nicht geben. Und er zeigte sich erneut nicht konform mit der De-facto-Absage von Bundesparteichef Andreas Babler an einen Koalitionspartner ÖVP.

"Das würde ich nicht tun", meinte Dornauer zu Bablers Ablehnung einer Neuauflage von Schwarz-Rot. Selbiges habe er bereits bei Bablers Konkurrent um den Bundesparteivorsitz, Hans Peter Doskozil, "nicht verstanden". Auch dieser hatte eine Koalition mit der Volkspartei dezidiert ausgeschlossen. In Tirol befinde er selbst sich mit der ÖVP in einer "ruhigen, verlässlichen und unaufgeregten Koalition", die bestrebt sei, Politik für eine breite Masse zu machen, so Dornauer. Dasselbe, nämlich eine Koalition mit der ÖVP, müsse auch für die Bundesebene das Ziel sein.

"Pragmatische, restriktive" Migrationspolitik

In Sachen Migration, Asyl und Flüchtlinge sprach sich Dornauer erneut für eine "pragmatische, restriktive Politik" aus und forderte sie auch von der Bundespartei. Dafür stehe er, "da können sich die Tirolerinnen und Tiroler darauf verlassen", so Dornauer. Dass er hier mit dem neuen SPÖ-Vorsitzenden eventuell nicht auf einer Linie sei, "kann durchaus sein", räumte er ein. Nicht viel anfangen kann er offenbar mit der von Babler angekündigten Überarbeitung des "Doskozil-Kaiser-Papiers" zur Migration.

Es dürfe "keinerlei Aufweichungen" in dieser Frage geben, betonte Dornauer. Das Konzept sei ohnehin bei der Neujahrsklausur der SPÖ, noch unter der damaligen Chefin Pamela Rendi-Wagner, "pragmatisch weiterentwickelt" worden. Daher sehe er hier keinen Änderungsbedarf. Auch mit Lagern bzw. Asylverfahren an den EU-Außengrenzen hat Dornauer weit weniger Probleme als Babler: "Ich bin für kurze, sichere und rechtssichere Asylverfahren. (...) Es kann nicht sein, dass Toleranz und Solidarität der heimischen Bevölkerung überstrapaziert werden. Vorkommnisse an den Grenzen wie 2015 und 2016 dürfen sich nicht wiederholen, daraus müssen Lehren gezogen werden." Er stehe als ressortverantwortlicher Landeshauptmann-Stellvertreter in "engem Austausch" mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Gleichzeitig betonte Dornauer, dass jenen geholfen werden müsse, die Hilfe wirklich benötigten und unter den Asylstatus fallen. So habe man in den neun Monaten seiner bisherigen Amtszeit die Unterbringungsquote in Tirol von 60 auf 80 Prozent erhöhen können. Dornauer hat in Tirol die Flüchtlingsagenden inne.

Dornauer fordert Neuausrichtung der SPÖ

Von seiner Bundespartei und dem neuen Vorsitzenden, der ihn am 17. August in seinem Heimatbezirk Innsbruck-Land besuchen wird, forderte Dornauer – nach den "unrühmlichen Vorgängen um die Vorsitzendenwahl, die auch international Negativschlagzeilen gemacht hat" – eine "Neuausrichtung hin zu den Lebensrealitäten". Es dürfe nicht sein, dass sich "Teile der arbeitenden Bevölkerung" von der SPÖ zu wenig angesprochen fühlen. Babler habe die Partei "relativ schnell in die Spur gebracht" und "beruhigt", aber nun müsse er integrativ wirken, die notwendige Breite ausstrahlen und letztlich in puncto Wahlergebnis "liefern".

Den Höhenflug der FPÖ sieht Dornauer keinesfalls allein in Problemen wie der Teuerung begründet. Er stelle eine "massive Polarisierung" in der Gesellschaft fest, die in den vergangenen Jahren durch Corona zugenommen habe. Das sei auch in "einer Politik von oben herab, einer Politik der immer weniger Freiheiten, einer Politik des erhobenen Zeigefingers und der vermeintlich politischen Korrektheit" begründet, die damit korreliere. Letzteres betreffe auch die SPÖ.

"Wenn man die Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern verliert, das politische Gleichgewicht, die Ausgewogenheit, dann wird es schwierig, Wähler von der FPÖ zurückzuholen", meinte Dornauer und nannte etwa die "Klimakleber"-Problematik. "Man muss eine Politik betreiben, die den Lebensrealitäten entspricht. Die Klimakleber beispielsweise provozieren 99 Prozent unserer Gesellschaft und schaden damit den Klimaschutzanliegen." Eine Koalition mit der derzeitigen Führung der Bundes-FPÖ schloss Dornauer aus. Diese schüre konsequent "Gehässigkeit" in der Gesellschaft. Leider liege die Partei mit einem "überschaubar charismatischen Herbert Kickl" schon länger auf Platz eins, Menschen würden teilweise "aus Frust und Verzweiflung" freiheitlich wählen.

In Tirol "kein Beiwagerl"

In der seit neun Monate bestehenden schwarz-roten Koalition in Tirol sieht Dornauer eine starke sozialdemokratische Handschrift. "Wir sind der Motor dieser Landesregierung, kein Ministrant und schon gar kein Beiwagerl." Im Fokus stehe nun, den paktierten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung anzugehen, bis Ende des Jahres soll dahingehend "der Fahrplan" stehen.

"Die ganzjährige und ganztägige Kinderbetreuung ab zwei Jahren ist das zentrale Thema dieser Legislaturperiode", erklärte Dornauer. Derzeit werde "mit Hochdruck daran gearbeitet." Es gehe unter anderem um die Unterstützung der Gemeinden, damit die Infrastruktur konsequent ausgebaut werden könne, sowie die "Schaffung von sinnvollen, gemeindeübergreifenden Lebensräumen." Bis Ende 2023 soll klar sein, für wie viele Kinder das Angebot zu schaffen sei und wie viel Personal man dafür benötige. Dann werde es im Laufe der Periode an die Umsetzung gehen. In allen Tiroler Gemeinden werde es das Angebot klarerweise nicht brauchen, so Dornauer.

Mit den bisherigen Maßnahmen von Schwarz-Rot im Kampf gegen die Teuerung und für leistbares Wohnen zeigte sich Dornauer zufrieden. Alleine ein 56-Millionen-Euro-Paket im Bereich Wohnen mit Erhöhung der Wohnbeihilfe sowie Erhöhung der Mietzinsbeihilfe sowie des Annuitätenzuschusses aufzusetzen könne sich sehen lassen. Schwarz-Rot würde jedenfalls eine "viel engagiertere Politik leben" als frühere Regierungen. (APA, red, 2.8.2023)