Im Gastblog spricht Notariatspartner Nicolas Kotzmuth über den Einzug der Digitalisierung in das Notariat.

Obwohl es in Österreich flächendeckend Notariate gibt, kann die Anreise für Klientinnen und Klienten zur Herausforderung werden. Sei es, dass jemand körperlich eingeschränkt und nicht so mobil ist, sei es, dass sich einer der Beteiligten im Ausland aufhält und nicht kurzfristig zu einem Termin in die Kanzlei kommen kann. Spätestens seit der Pandemie hat sich herausgestellt, dass es oftmals auch nicht zwingend erforderlich ist, sich physisch im Notariat einzufinden, um "business as usual" abzuhalten. Seit 2020 können fast alle notariellen Dienstleistungen auch online, ohne persönliches Erscheinen in der Kanzlei, durchgeführt werden. Diese Neuerung ist nachhaltiger und zeitersparend, wenn eine weite Anreise der Klientinnen und Klienten wegfällt. Viele meiner Kundentermine finden bereits digital statt, und ich denke, dass die Nachfrage in Zukunft weiter steigen wird.

Digitales unterzeichnen
Die meisten notariellen Dienstleistungen können mittlerweile online erledigt werden, etwa das Unterzeichnen von Urkunden.
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Was braucht man dafür?

Um Online-Rechtsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, benötigen unsere Klientinnen und Klienten einen Laptop oder PC mit Kamera, Mikrofon, Lautsprecher und stabiler Internetverbindung. Sollen auch Urkunden unterschrieben werden, dann muss die Partei über eine elektronische Handysignatur verfügen und vorab einen Online-Identifikationsprozess durchlaufen. Bei diesem Online-Identifikationsprozess wird jede Person mit den Fotos auf ihren amtlichen Lichtbildausweisen abgeglichen. Darüber hinaus werden wichtige Daten abgefragt und Wasserzeichen des Ausweises überprüft. Dieser gesamte Prozess wird als Video aufgezeichnet und in einen Datenraum hochgeladen.

Einführung der hybriden Urkunden

Im Sommer 2022 hat es in puncto Digitalisierung eine weitere Neuerung gegeben: hybride Urkunden. Unter einer hybriden Urkunde versteht man, dass eine Partei analog im Notariat unterschreibt, während die zweite Partei online zugeschaltet ist und digital signiert. Diese Novelle zeigt, dass die Digitalisierung im Recht keine Entweder-oder-Frage ist, sondern schlicht die Bandbreite an Möglichkeiten vergrößert.

Persönliche Beratung weiterhin im Fokus

Spricht man über Digitalisierung in der Justiz, haben viele das Bild eines völlig automatisierten und standardisierten Prozesses vor Augen, der ohne menschliches Zutun abläuft. Tatsächlich steht bei unseren Tätigkeiten aber weiterhin der Mensch im Mittelpunkt. Die Beratung von Angesicht zu Angesicht ist das Herzstück unserer Arbeit – egal ob beim persönlichen Treffen oder im Onlinemeeting. Und das wird sich auch nicht ändern. Die Digitalisierung ist vielmehr ein Tool, das eine Alternative für alle darstellt, die nicht physisch anwesend sein können oder wollen.

Blick in die Zukunft

Welche weiteren Möglichkeiten sich durch die Digitalisierung im Notariatswesen in Zukunft ergeben, ist schwer abzuschätzen. Aktuell schneiden Österreichs Notarinnen und Notare hinsichtlich der Digitalisierung im EU-Vergleich sehr gut ab. Wir arbeiten auch daran, dass das weiterhin so bleibt. Die Europäischen Notarentage, die im April in Salzburg stattgefunden haben, waren etwa dem Thema der Digitalisierung in der Justiz gewidmet, und die Podiumsdiskussionen bei der Veranstaltung haben klar gezeigt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit ist, um einen einheitlichen Weg in Europa zu gehen.

Was denken Sie?

Wenn Sie an die Zukunft des Notariats und des Rechtwesens in Österreich denken – was glauben Sie, wohin die Reise geht? Welchen Wert haben persönliche Termine im Zeitalter einer digitalen Welt? Was braucht es Ihrer Ansicht nach, um die Rechtssicherheit zu erhalten? Und können Sie sich persönlich vorstellen, Ihren Notariatsbesuch online abzuwickeln? Teilen Sie uns Ihre Meinung in diesem Forum gerne mit. (Nicolas Kotzmuth, 14.8.2023)