Im Community-Artikel zeigt Gertraud Moser, wie ein Alltag für sie und zwei weitere Familien ohne eigenes Auto auf dem Land funktionieren kann.

Drei Beispiele aus Absdorf im niederösterreichischen Weinviertel zeigen, dass ein Leben ohne Auto sehr gut möglich ist. Der Alltag lässt sich auch ohne gut organisieren. Dazu braucht es vor allem eine gute Planung und die Bereitschaft, auf ein gewisses Maß an Komfort zu verzichten. In Absdorf ist auch erleichternd, dass es eine gute öffentliche Anbindung und ein gutes Angebot an Nahversorgern im Ort gibt.

In diesem Text möchte ich die Erfahrungen von Personen, die ohne Auto auf dem Land leben, zeigen. Dazu schildere ich den Alltag von zwei Personen sowie meine eigenen Eindrücke. Wir alle arbeiten in Wien und nutzen die gute Anbindung an die Franz-Josefs-Bahn sowie Carsharing.

Sharing völlig ausreichend

Armin N. hat seit fünf Jahren kein eigenes Auto mehr, da es finanziell nicht mehr leistbar war. Somit begann für ihn der Versuch, das Leben anders zu organisieren: So wird auf dem Heimweg noch schnell nach dem Aussteigen aus dem Zug eingekauft, denn der Wohnort liegt nur zehn Minuten zu Fuß entfernt. Der Alltag lässt sich für ihn sehr gut autofrei organisieren, jedoch hat es etwas Zeit für die Umstellung gebraucht.

Armin N.
Armin N. greift bei den Wegen, die anders nicht zu bewältigen sind, auf Carsharing zurück.
Gertraud Moser

Im Durchschnitt mietet Armin acht- bis zehnmal im Monat ein E-Auto. "Die restliche Zeit des Monats wäre mein eigenes Auto ein Stehzeug. Ich bin mittlerweile bei drei Carsharing-Diensten: 'Fahrvergnügen' in Absdorf, 'Share now' und 'E-Loop'. Diese drei Anbieter decken alle meine Mobilitätsbedürfnisse ab", erkärt Armin. Für Urlaube wird das Auto für mehrere Tage ausgeborgt, was gut funktioniert, denn bei ganz vielen Sehenswürdigkeiten und bei den meisten Gemeindeämtern gibt es mittlerweile Ladestellen. Mit dem Stromtankstellenverzeichnis findet man in Österreich sehr leicht die nächste Ladestation. Damit findet man auch Ladestationen zum kostenlosen Aufladen.

Die Vorteile, wenn man sich den Alltag autofrei gestaltet, sieht Armin vor allem darin, dass es günstiger ist und man sich sehr viel Zeit erspart: "Ich verschwende keine Gedanken an Service, Winter- oder Sommerreifen, die günstigste Tankstelle zu finden, die günstigste Waschstraße zu haben, die billigste Versicherung und ob ich ein Parkpickerl brauche oder nicht. Autobesitz belastet auf jeden Fall", erklärt Armin. Geht es nach ihm, so soll im Bereich Verkehrsplanung das Auto als Letztes Berücksichtigung und Platz finden: zuerst die Fußgänger und Fußgängerinnen, dann jene, die Fahrräder nutzen, danach die Öffis und als Letztes die Autos.

Räder für alle Fälle

Philipp G. und Magdalena K. hatten nie ein eigenes Auto. Vor sechs Jahren ist die Familie nach dem Studium von Wien nach Absdorf gezogen und erledigt alles mit den Öffis, dem Rad, mit dem Roller oder den Inlineskates. Der Wohnort ist knapp zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt, und der Arbeitsort ist Wien.

Auch sie nützen gelegentlich Carsharing, allerdings nicht öfter als ein- bis zweimal pro Jahr. Mit der Zeit haben sie immer mehr die Vorteile gesehen, ohne Auto auszukommen. "Es macht uns Spaß, in Bewegung zu bleiben, man bleibt so fit im Alltag. Und wahrscheinlich das Wichtigste: Es ist einfach ein Stück Lebensqualität, das man nicht mehr hergeben möchte", meint Philipp. Als weitere Beweggründe, autofrei zu leben, werden Geld- und Zeitersparnis genannt, ebenso der Umweltgedanke.

Philipp G. mit Lastenrad.
Philipp G. mit Lastenrad. Seine Familie hat daneben auch noch Citybikes, ein E-Bike und andere Modelle.
Gertraud Moser

Philipp und Magdalena besitzen für alle Fälle ein geeignetes Fahrrad: ein Lastenrad, zwei Citybikes, ein E-Bike, ein Rennrad, ein Klapprad und ein Mountainbike. Die vierjährige Tochter wird per Lastenrad oder mit dem Fahrradanhänger in den Kindergarten gebracht. Weitere zwei Räder sind "Besucherräder" und stehen am Bahnhof bereit.

Philipp hat auch schon mehrere Radtouren durch ganz Europa unternommen. Seine längste Tour war von Zöbing in Niederösterreich nach Cornwall, 1.910 Kilometer in elf Tagen. "Längere Touren mit dem Rad zu machen ist eine tolle Möglichkeit, neue Regionen kennenzulernen", erzählt Philipp begeistert.

Als Obmann eines Laufvereins macht Philipp wöchentliche Lauftrainings mit Kindern verschiedenen Alters. "Man sieht, dass Bewegungsmangel und Verlust an koordinativen Fähigkeiten ein immer größeres Problem werden. Die Kids haben einen ordentlichen Bewegungsdrang – was echt toll ist –, aber man merkt, dass sie diesen im Alltag nicht ausleben können. Wir brauchen möglichst bald wieder Rahmenbedingungen, dass die Kinder absolut sicher und selbstverständlich aktiv und selbstständig in die Schule, zu Freunden und auch überall sonst hinkommen können", so Philipp. Die Verkehrsplanung sollte daher dringend wieder mehr an unseren Kindern und weniger an Autos ausgerichtet sein.

"Neben der innerörtlichen müsste auf jeden Fall auch die überörtliche Radinfrastruktur deutlich besser ausgebaut werden, wie zum Beispiel in den Niederlanden. Zwischen allen größeren Städten sollte es ganz selbstverständlich gute Radverbindungen geben", meint Philipp.

Mehr Sicherheit gefordert

Nun zu mir: Seit vier Jahren lebe ich, Gertraud Moser, ohne Auto, und auch bei mir war es eine finanzielle Entscheidung, das Auto zu verkaufen. Zum Bahnhof fahre ich mit dem Rad und von dort aus weiter in die Arbeit nach Wien. Die beiden Kinder im Teenageralter nehmen den Zug nach Krems zur Schule. Heuer sind wir auch mit dem Zug in den Skiurlaub gefahren, und dabei mussten wir schon gut überlegen, was eingepackt werden soll.

Der Alltag lässt sich in Absdorf sehr gut ohne Auto bewältigen, denn es gibt zwei Nahversorger im Ort und mehrere Hofläden. Bei einem lokalen Gemüseanbauer kann man sich wöchentlich ein Bio-Gemüsekisterl holen.

Carsharing bietet für mich eine gute Möglichkeit, wenn ich doch ein Auto benötige. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Kinder zu einer Geburtstagsfeier zu bringen sind oder der Kater zur Tierärztin muss. Wünschen würde ich mir ein Auto etwa dann, wenn es in der Früh stark regnet, um die Kinder zum Bahnhof zu bringen, aber selbst das lässt sich organisieren.

Viele Wege auf dem Land lassen sich zwar mit dem Rad erledigen, sind aber oft nicht sicher genug.
Gertraud Moser

Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind vielen jungen Familien sehr wichtig, jedoch werden Kinder häufig mit dem Auto zur Schule und zum Kindergarten gebracht, weil der Schulweg nicht sicher genug erscheint. Als meine Kinder das erste Mal alleine zur Schule radelten, hatte ich schon Bauchweh, denn viele Autos und Lkws sind einfach zu schnell unterwegs. Die Bedürfnisse von Radfahrerinnen und Radfahrern sowie Fußgängerinnen und Fußgängern sind in der Gestaltung des öffentlichen Raumes zu wenig berücksichtigt, und das sollte sich unbedingt ändern.

Frage der Infrastruktur 

Abschließend kann gesagt werden, dass es für alle drei Familien gut möglich ist, den Alltag so zu organisieren, dass man kein eigenes Auto benötigt. Erleichternd dafür ist, dass es im Ort eine sehr gute öffentliche Anbindung, ein gutes Angebot an Nahversorgern sowie eine Carsharing-Möglichkeit gibt.

Alle drei Familien wünschen sich, dass die Infrastruktur innerorts besser ausgebaut wird, um den Alltag sicher mit dem Rad oder zu Fuß bewältigen zu können. Das würde auch jenen Kindern Sicherheit geben, die mit dem Roller oder Fahrrad zur Schule und zum Bahnhof fahren. Oder dies gern tun würden. (Gertraud Moser, 11.8.2023)