Foto von sechs Barbies mit unterschiedlichen Größen, Hautfarben und Haarstilen
Die "inklusive" Barbie-Kollektion wurde 2023 noch erweitert.
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Dass Spielzeuge die eigene Gender- und Körperwahrnehmung beeinflussen können, gilt mittlerweile als allgemein bekannt. Besonders Barbie hielt das Ideal des Dünnseins für junge Frauen hoch und stand damit immer wieder in der öffentlichen Kritik. Anfang der 2010er-Jahre wurde das für die Produktionsfirma Mattel auch finanziell zum Problem. So sehr Mattel auch versuchte, sie als feministisch zu vermarkten – die stereotype Barbie überschattete in der öffentlichen Wahrnehmung immer ihre emanzipierten Business-Outfits.

Das Ansehen als selbstbewusste, moderne Frau ist ihr über die Jahre scheinbar abhandengekommen. Als Reaktion darauf wurde 2015 die gelenkige Barbie "Made to Move" eingeführt, 2016 folgte dann die Neuauflage der Barbie mit diverseren Körperformen, Hautfarben und Berufen. Die "neue" Barbie ist also nicht (nur) weiß, dünn und groß, sondern beweglicher und dynamischer. Sie schlüpft in die Rolle der Tennisspielerin, Yogalehrerin oder Ärztin. 2023 wurde die Spielewelt auch um eine Barbie mit Down-Syndrom erweitert.

Erklärvideo zum Phänomen Barbie: Warum die Kultpuppe 2023 realer ist denn je
DER STANDARD

Der Hype ist ungebrochen, die Image-Politur scheint geglückt. Mittlerweile finden sich zahlreiche digitale Pinnwände auf Pinterest mit dem Namen "Barbiecore". Vergangenen Sommer war der Trend dann in vollem Gange. Tiktok und Instagram wurden zum Ort des Geschehens. Der jüngst erschienene Blockbuster spielte in nur wenigen Wochen bereits über eine Milliarde US-Dollar ein. Doch was bedeutet der Barbie-Hype für die Körperwahrnehmung und das Selbstbild von Kindern und jungen Erwachsenen?

Körperwahrnehmung bei Kindern

Genau damit beschäftigte sich die klinische Psychologin Jennifer Webb in einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie. Die Forschungsarbeit stellt eine Erweiterung früherer Erkenntnisse dar – befragte sie doch junge Erwachsene, nicht Kinder. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Nataya Ford und Meagan Padro versuchte sie zu verstehen, inwiefern sich die eigene Körperwahrnehmung von jungen Frauen in Reaktion auf Bilder verschiedenster Spielzeuge veränderte.

Den US-amerikanischen Studienteilnehmerinnen mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren wurden im Zuge einer Online-Umfrage nach dem Zufallsprinzip zwölf Bilder zugewiesen. Auf diesen waren entweder sportlich posierende "Made to Move"-Modelle, Barbie-Fashionista-Puppen oder Szenen mit Lego-Friends-Figuren und -Spielsets abgebildet. Die Lego-Friends-Figuren funktionierten als "Kontrollgruppe", um die Aussagekraft bei der Bewertung der Barbie-Bilder einordnen zu können.

Barbie-Puppe in Yoga-Pose
Die beweglichere Barbie "Made to Move" soll Kinder zu mehr Sport animieren.
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Anhand einer zehn Punkte umfassenden Skala zur Wertschätzung des eigenen Körpers wurden davor und danach Fragen zur eigenen Körperwahrnehmung gestellt. Die Daten von insgesamt 106 jungen Frauen konnten ausgewertet werden. Entgegen ihrer zuvor aufgestellten Forschungshypothese fanden die Forscherinnen, dass auch die sportlicheren “Made to Move"-Barbies großteils die gleichen negativen Reaktionen hervorrufen wie die klassische Barbie. Obwohl sie nicht die Zielgruppe sind, verglichen die jungen Frauen ihr Aussehen mit der Puppe. Die Forscherinnen erklären sich dies damit, dass die bewegliche Barbie dem menschlichen Körper ähnlicher ist.

Mehrere experimentelle Studien mit Kindern aus den Jahren 2006 bis 2016 konnten einen Zusammenhang zwischen negativem Körperselbstbild und Barbies nachweisen. Sie alle kamen zu dem Schluss, dass sich das Spielen mit der konventionell dünnen Barbie im Vergleich zu anderen Puppen tendenziell negativ auf die Körperwahrnehmung von Mädchen auswirkte.

Grenzen der Forschung 

Die Reaktion auf Barbie spiegelt auch einen gesellschaftlichen Zeitgeist wider. In von Mattel durchgeführten Marktforschungen reagierten Kinder ganz verschieden auf Barbies mit diversen Körperformen. Doch letztlich gilt es, auch die Eltern zu überzeugen – diese kaufen die Puppen schließlich. Spielzeug, das unterschiedliche Körpertypen widerspiegelt, erlaubt Kindern früh, sich spielerisch mit der menschlichen Diversität zu befassen. Denn Spielen ist auch Bildung.

Im Interview mit dem Wissenschaftsjournal "Nature" ist sich Psychologin Webb auch über die Grenzen der Aussagekraft solcher Studien bewusst: "Wir wissen meist zu wenig über die anderen Aspekte des sozialen Umfelds der Kinder, sei es im unmittelbaren häuslichen Umfeld, in der Schule oder bei anderen Aktivitäten." In der Forschung geht man meist von einem dreiteiligen Modell aus, das das Zusammenspiel von Medien, Familie und Gleichaltrigen berücksichtigt. Webbs Studie unterscheidet sich von anderen psychologischen Untersuchungen zum Thema insofern, als sie sich auf die Generation Z und Millennials konzentriert. Die sind dem digitalen Barbie-Marketing und der Social-Media-Trendmaschine möglicherweise am stärksten ausgesetzt. Die meisten Trends kommen und gehen. Barbie wird wohl noch eine Weile bleiben. (Sebastian Lang, 8.8.2023)