Schauspieler Ryan Gosling und Schauspielerin Margot Robbie vor einem
Die beiden Hauptdarsteller Ryan Gosling und Margot Robbie bei der europäischen Premiere von Barbie. Die Farbe des Anzugs von Ken ist gut gewählt, denn für eine in Rosa "sozialisierte" Person würde die echte Welt grünlich aussehen.
AFP/JUSTIN TALLIS

An den US-Kinokassen hat das Drei-Stunden-Drama "Oppenheimer" bis jetzt zwar gut abgeschnitten, ist aber doch dem unterhaltsamen pinken Wunderland von "Barbie" unterlegen, das in etwa doppelt so viele Zuseherinnen und Zuseher fand. Zusammengenommen sorgte "Barbenheimer" jedenfalls sowohl in den USA wie auch in Österreichs Cineplexxen zuletzt für ein Rekordwochenende. Die Wissenschaftsredaktion hatte naturgemäß einiges zum Vater der Atombombe zu sagen beziehungsweise zu schreiben (hier, hier oder hier), aber auch bei Barbie drängt sich noch eine kleine wissenschaftliche Nachbetrachtung auf.

Wie wäre es, wenn wir – so wie die Original-Barbie –in einer weitgehend monochromen Welt aufwachsen würden, die vor allem von der Farbe Rosarot dominiert ist? Würden wir "pink denken", so wie das ein italienisches Sportmodelabel proklamierte, das seine beste Zeit allerdings bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren hatte? Konkreter weitergedacht: Würde sich unsere Farbwahrnehmung ändern, wenn wir einige Jahre auf dem roten Planeten Mars verbrächten? Und wenn ja, wie?

Ein monochromes Experiment

Diesen und ähnlichen Fragen ist das populäre Wissenschaftsmagazin "Scientific American" kürzlich nachgegangen und lieferte einige interessante Antworten. Experimentell abgesicherte Erkenntnisse sind freilich eher rar, denn an Menschen wurden bis jetzt keine langfristigen Untersuchungen durchgeführt, die der Versuchsanordnung der "echten" Barbie nahekommen. Es gibt aber immerhin ein relativ rezentes Experiment, das nahelegt, dass ein einfärbiges Leben – no na – ziemlich eintönig wäre.

Für diese Studie, die 2019 im Fachblatt "Nature Communications" erschien, wurde ein Raum mit Niederdruck-Natriumlicht gelb gefärbt. Die Teilnehmenden der Untersuchung, die vom Künstler und Neurowissenschafter Bevil Conway (National Eye Institute und National Institute of Mental Health) geleitet wurde, beschrieben alle Objekte, die ihnen präsentiert wurden, als "irgendwie gelb". Farbe habe in so einer monochromen Welt keine große Bedeutung mehr, sagte Conway im Gespräch mit "Scientific American". Die Netzhäute benötigen unterschiedliche Wellenlängen, um Farbinformationen zu erfassen, und bei der einzigen Wellenlänge des Natriumlichts hatten die Menschen Schwierigkeiten, Farben zu unterscheiden.

Alles gelblich, außer Gesichter

Das überraschende Hauptergebnis der Studie: Die einzigen Objekte, die inmitten der Gelbwüste eine unterscheidbare Farbe hatten, waren Fotos von menschlichen Gesichtern, die den Probanden in einem eher kränklichen Grün erschienen. Es sei unklar, warum die Gesichter so wahrgenommen wurden, obwohl sie unter normalem Licht eigentlich gar nicht grün waren, sagt Conway. Er vermutet, dass sich das Gehirn daran erinnert, wie Gesichter normalerweise aussehen, und es die Farbe moduliert – ein klares Zeichen dafür, dass die Perzeption durch die Kognition beeinflusst wird. Die "Voreinstellungen" des Gehirns beeinflussen also wesentlich mit, was das Auge wahrnimmt.

Eine echte Barbie im pinken Traumhaus würde zwar keine ähnliche Erfahrung machen wie die Studienteilnehmer in dem gelb beleuchteten Raum. Aber das einfärbige Experiment legt für Conway nahe, dass ein Leben in einer rosafarbenen Welt vermutlich nicht so viel Spaß macht, wie wenn man sie auf der Kinoleinwand sieht, sondern eher langweilig wäre.

Zusammenspiel von Farbe und Licht

Diese und andere Forschungsergebnisse deuten jedenfalls darauf hin, dass das Gehirn der Verarbeitung von Farben ähnlich viel Platz widmet wie dem Erkennen von Gesichtern. Farbe hilft dem Gehirn, visuelle Reize zu verarbeiten und die Informationen in der Welt zu sichten. Die verschiedenen Schattierungen und Töne helfen beim Unterscheiden von Objekten und fördern das Gedächtnis. Unsere Gehirne jonglieren dabei ständig mit zwei Parametern: der Farbe des Objekts, das wir betrachten, und dem Umgebungslicht um es beziehungsweise uns herum, also oft mit dem Sonnenlicht.

Sowohl das Objekt als auch das Licht haben eine Farbe, und durch ihr Zusammenspiel entsteht das Kaleidoskop der Farbtöne, das wir sehen. Dieses komplexe Zusammenspiel ist auch eine der möglichen Erklärungen dafür, warum es zum viralen Internet-Hit der unterschiedlich wahrgenommenen Kleiderfarbe kam:

What Colour Is This Dress? (SOLVED with SCIENCE)
AsapSCIENCE

Was dieses berühmte Wahrnehmungsexperiment jedenfalls auch zeigte: Farbwahrnehmung ist weder statisch noch objektiv. Unser Gehirn passt sich ständig an. Das würde auch passieren, wenn wir uns für einige Zeit auf den Mars begäben, wie der Psychologe Mike Webster (Universität von Nevada in Reno) im "Scientific American" erläutert: Unser Sehvermögen würde sich laut seinen Forschungen schnell von einer Mischung aus Rot- und Orangetönen zu mehr Blautönen verändern, da sich unser Gehirn schnell an die neue Umgebung adaptiert. Dabei wäre es unwahrscheinlich, dass wir diese kontinuierliche Veränderung überhaupt bemerken würden.

Wie sähe Barbie unsere Welt?

Wie aber nimmt eine in pink sozialisierte Barbie unsere Welt wahr? Die dürfte für sie – jedenfalls im ersten Augenblick – eher grünlich aussehen, vermutet Webster. Denn das ist das Gegenteil von rosa. Eine eher grünliche Welt steht auch uns im Alter bevor, ohne dass wir es merken: Die Linsen in unseren Augen werden mit dem Alter gelblich, weil sie durch die ultravioletten Strahlen der Sonne geschädigt werden.

VIDEO: Phänomen Barbie - Warum die Kultpuppe 2023 realer ist denn je
DER STANDARD

Bemerkbar wird das allenfalls bei einem altersbedingtem grauen Star, unter dem auch der Maler Claude Monet in fortgeschrittenen Jahren litt. Das hat ihn augenscheinlich dazu veranlasst, einige seiner späten Bilder mit Gelbtönen zu übermalen. (Klaus Taschwer, 29.7.2023)