Rogue Planet Planet ohne Stern
Planet ohne Stern
Künstlerische Darstellung eines Planeten ohne Stern, der in etwa die Größe des Jupiters hat. Kleinere Geisterplaneten dürften weitaus häufiger sein als so große.
AFP

Dass es sie gibt, weiß die Wissenschaft seit gut zehn Jahren. Im Mai 2012 berichteten zwei Astronomenteams im Fachblatt "Nature" darüber, dass sie im Zentrum der Milchstraße zehn einsame Himmelskörper von der Größe des Planeten Jupiter entdeckt hätten, die ohne Heimatstern auskommen. Als ob diese Entdeckung nicht schon spektakulär genug gewesen wäre, legten die Forschenden damals noch nach: Laut ihren damaligen Schätzungen könnte es in unserer Milchstraße Milliarden von diesen einsamen Wanderern geben, die auf englisch "rogue planets" genannt werden.

Häufiger als "normale" Planeten

Die Entdeckung solcher "free floater" und die Behauptung, dass sie sehr häufig seien, stieß damals auf einige Skepsis. Selbst einige der Forschenden, die diesen spektakulären Beobachtungen verkündeten, fanden die enormen Zahlen überraschend. Sie konnten damals zudem nicht eindeutig sagen, ob es sich dabei tatsächlich um Planeten oder um braune Zwerge handelt – also Sterne, die zu klein geraten sind, um dauerhaft Kernfusion zu betreiben.

Mittlerweile hat sich diese Frage klären lassen: Ja, es sind "echte" Planeten. Und es gibt nicht nur Milliarden solcher Free Floater in der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, sondern Billionen. Das behaupten zumindest Forschende der US-Weltraumagentur Nasa und der Universität Osaka in zwei Arbeiten, die als Preprints auf der Plattform Arxix abrufbar sind, aber bereits zur Veröffentlichung im "Astronomical Journal" angenommen wurden. Laut den neuen Berechnungen kommen solche ungebundenen Planeten sechsmal häufiger vor als Planeten, die ihre eigenen Sonnen umkreisen. Zudem vermeldet das internationale Team die Entdeckung des zweiten erdgroßen Geisterplaneten.

Hilfreicher Gravitationslinseneffekt

Das Team um David Bennett, Astronom am Nasa Goddard Space Flight Center, hat dafür neun Jahre lang Daten des Microlensing Observations in Astrophysics-Teleskops am Mount-John-Observatorium der Universität von Canterbury in Neuseeland ausgewertet. Um die frei flottierenden Exoplaneten zu entdecken, setzten die Forschenden auf eine Fahndungstechnik, die dank Albert Einsteins Relativitätstheorie möglich wurde: Dieser zufolge verstärkt ein Planet oder ein anderer massereicher Himmelskörper, der zufällig genau zwischen Erde und einem fernen Stern vorbeiwandert, das Licht dieses Sterns wie ein Brennglas. Dieser Gravitationslinseneffekt (englisch: Microlensing) lässt den fernen Stern in charakteristischer Weise vorübergehend aufflackern.

Mithilfe empirischer Modelle berechneten die Forschenden die Verteilung der Massen von mehr als 3.500 Microlensing-Ereignissen, darunter Sterne, Sternüberreste, braune Zwerge und Planetenkandidaten. Auf der Grundlage dieser Auswertung schätzt das Team, dass es in unserer Milchstraße etwa 20-mal mehr frei schwebende Welten als Sterne gibt, wobei kleine Planeten mit Erdmasse 180-mal häufiger sein dürften als solche von der Größe des Jupiters.

Entstehung durch Kollisionen

Dass es mehr kleine Free Floater gibt, ist für Bennett nur logisch: Das liegt daran, dass Planeten ihres Sterns abtrünnig werden, wenn zwei Protoplaneten aufeinanderprallen. Die Wucht der Kollision ist dann so stark, dass einer von beiden aus dem entstehenden Sternsystem herausschleudert werden. Dazu braucht es aber größere Objekte. Wenn nun aber die meisten der bisher entdeckten Free Floater die Größe eines Jupiters hatten, müssten viele sogenannte Superjupiter um Wirtssterne kreisen – doch die sind rar. Das deutet wiederum darauf hin, dass Planeten von der Größe der Erde ein größeres Risiko haben, aus einem Sternsystem herausgeschleudert zu werden.

What If a Rogue Planet Entered Our Solar System?
Was passiert, wenn ein Planet ohne Stern unser Sonnensystem streifen würde.
What If

An der Studie nicht beteiligte Forscher wie Przemek Mróz, ein Astronom an der Universität Warschau, sehen in der neuen Doppelstudie einen weiteren Beweis dafür, dass frei schwebende Planeten mit geringer Masse in der Milchstraße sehr häufig sind. Wobei immer noch eine gewisse Unklarheit darüber besteht, ob diese Planeten wirklich frei flottieren oder nur extrem weite Umlaufbahnen haben, dass die Astronominnen und Astronomen sie nicht mit einem Wirtsstern in Verbindung bringen können. Diese Frage könnte dann mit dem Nancy Grace Roman Space Telescope geklärt werden, einer Nasa-Mission, die 2027 starten soll und mit der hunderte weitere Geisterplaneten entdeckt werden könnten.

Leben auf den Geisterplaneten?

Bliebt die Frage, ob einer dieser Planeten bewohnbar sein könnte. David Bennett will das im Interview mit der "New York Times" nicht ausschließen: Die Geisterplaneten wären ohne einen Wirtsstern zwar dunkel, aber nicht unbedingt kühl. Der Wasserstoff in der Atmosphäre eines Planeten könnte wie ein Treibhaus wirken und die aus dem Inneren des Planeten austretende Wärme einfangen. Das reiche auch aus, um etwa das mikrobielle Leben in den Tiefseeschloten auf der Erde aufrechtzuerhalten. Aber im Moment sei die Suche nach Leben auf diesen einsamen Welten freilich völlig unmöglich. (Klaus Taschwer, 8.8.2023)