Junta-Anhänger schwenken in Niamey nigrische und russische Fahnen, in Anspielung an mögliche Unterstützung durch Wagner-Söldner.
Junta-Anhänger schwenken in Niamey nigrische und russische Fahnen, in Anspielung an mögliche Unterstützung durch Wagner-Söldner.
AFP/-

Auch nach Ablauf des Ultimatums gegenüber der nigrischen Junta seitens des westafrikanischen Staatenbunds Ecowas ist noch lange nicht ausgemacht, dass es tatsächlich zu der angedrohten militärischen Intervention des Regionalbündnisses kommen wird. Wie genau es weitergehen wird, soll bei einem Treffen am Donnerstag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja besprochen werden, erklärte ein Ecowas-Sprecher am Montag.

Die Widerstände gegen einen derartigen Eingriff sind groß: Sie kommen nicht nur von den beiden benachbarten Militärdiktaturen in Mali und Burkina Faso, auch Algerien, das mit dem Niger eine rund 1000 Kilometer lange Grenze teilt, hat sich klar gegen eine militärische Lösung des Konfliktes ausgesprochen.

Kein grünes Licht

Selbst der Senat Nigerias, dessen Präsident Bola Tinubu zu den leidenschaftlichsten Fürsprechern einer Intervention zählt, gab dem Staatschef kein grünes Licht. Das kann Tinubu nur dadurch umgehen, dass er eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit der westafrikanischen Supermacht erklärt.

Sollte der Staatenbund trotzdem intervenieren, wäre das zumindest keine Premiere. Im August 1990 marschierten 3000 Ecowas-Soldaten im damaligen Bürgerkriegsland Liberia ein, acht Jahre später beendete eine Eingreiftruppe des Staatenbunds den Bürgerkrieg in Sierra Leone. Und vor sechs Jahren marschierten 7000 Ecowas-Soldaten in Gambia ein, um den dortigen Autokraten Yahya Jammeh ins Exil zu schicken, nachdem dieser seine Wahlniederlage nicht akzeptieren wollte.

Die Vorgänger unterscheiden sich allerdings durch ein wichtiges Merkmal vom aktuellen Fall: Sie fanden alle in wesentlich kleineren Staaten als dem Niger statt. Der Sahelstaat ist mehr als doppelt so groß wie Frankreich: Eine herkömmliche Invasion mit Bodentruppen kommt hier kaum infrage.

Luftraum gesperrt

Welche Szenarien die Generalstabschefs der Ecowas-Mitglieder bei ihrem dreitägigen Treffen in der vergangenen Woche entwarfen, ist nicht bekannt: Fest steht allerdings, dass der Hauptschlag aus der Luft geführt werden müsste. Der Niger hat drei große Flughäfen, einer davon neun Kilometer außerhalb von Niamey: Ihn müsste die Eingreiftruppe zuallererst unter ihre Kontrolle bringen. Das wissen auch die Putschisten und haben deshalb vorsorglich den gesamten Flugverkehr über dem Niger gesperrt: eher ein symbolischer Schritt.

Ins Kalkül der Generalstabschefs wird auch eingegangen sein, dass Nigers Streitkräfte keine geschlossene Einheit bilden. Zu Beginn des Coups brauchte es einen ganzen Tag, bis sich der Generalstabschef hinter den Putschistenchef Abdourahmane Tchiani stellte.

Verdeckte Charmeoffensive

Ihr Eingreifen könnten die Ecowas-Militärs mit einer verdeckten Charmeoffensive gegenüber den putschkritischen Offizieren begleiten. Dass sich Nordnigerianer und Nigrer gut kennen und dieselbe Sprache sprechen, ist für derartige Manöver hilfreich.

Grundsätzlich gilt für Niger dasselbe wie für die meisten afrikanischen Staaten: Wer die Hauptstadt kontrolliert, kontrolliert den Rest des Landes. Dass sich die Putschisten als Rebellen in den Busch verziehen, ist so gut wie ausgeschlossen: Das lässt schon ihre mangelnde Sympathie unter der Bevölkerung nicht zu.

Kämpfe im eigenen Land

Zweifellos wird Nigeria die Führung einer derartigen Mission übernehmen, auch wenn die Regierungen der Côte d’Ivoire, des Senegals und Togos ihre Beteiligung bereits zugesagt haben. Nigeria hat nicht nur die längste Grenze zum Niger (1600 Kilometer), sondern mit rund 230.000 Soldaten auch die mit Abstand größte Armee.

Allerdings sind viele von ihnen mit dem Kampf gegen Extremisten, Separatisten und Gangstern im eigenen Land beschäftigt: ein Umstand, der Nigerias Streitkräftechef Kopfzerbrechen bereitet.

Bleibt die Frage, wie andere Staaten reagieren werden. Von Mali und Burkina Faso geht trotz ihrer Drohungen keine Gefahr aus: Sie müssten ihre Soldaten durch von Extremisten kontrolliertes Gebiet verlegen: ein Selbstmordkommando.

Der Faktor Wagner

Dass sich die noch im Niger befindlichen französischen und amerikanischen Soldaten auf der Seite von Ecowas einmischen, ist ebenfalls unwahrscheinlich: Das würde nur den Eindruck vergrößern, dass Präsident Bazoum eine Marionette des Westens ist. Bleibt noch die Frage nach der russischen Söldnertruppe Wagner, mit der die nigrische Junta anscheinend bereits Kontakt aufnahm: Sie ist – wie üblich – unberechenbar. (Johannes Dieterich, 8.8.2023)