Ende Juli wurde der Kurswechsel der FPÖ einmal mehr sichtbar. Wollte der frühere Parteichef Norbert Hofer nichts mit den Identitären zu tun haben, sieht das unter seinem Nachfolger Herbert Kickl völlig anders aus. Während Hofer betonte, dass ihm Identitären-Anführer Martin Sellner "so was von wurscht" sei, bezeichnet Kickl dessen Gruppe als "interessantes und unterstützenswertes Projekt". So verwundert es nicht, dass am 29. Juli Identitäre gemeinsam mit FPÖ-Funktionären für "Remigration" durch Wien marschierten – einer rechtsextremen Umschreibung für "Ausländer raus". Silvio Hemmelmayr, der Obmann der Freiheitlichen Jugend Oberösterreich, hielt bei der Kundgebung eine Rede. Anwesende Identitäre, Neonazis und Corona-Leugner applaudierten. Diese Allianz mit den Identitären ist jedoch intern nicht unumstritten.

Demonstration der rechtsextremen Idenititären in Wien am 29. Juli 2023 vor der Albertina.
Foto: Markus Sulzbacher
Identitären-Wortführer Martin Sellner (Mitte) bei der Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Die Nähe zu den Identitären, deren harter Kern aus nicht einmal 30 Personen besteht, sorgt seit Jahren innerhalb der FPÖ immer wieder für Unstimmigkeiten. Sie gelten bei manchen FPÖ-Funktionären als "Troublemaker", andere wiederum tun sich schwer, Identitäre zu kritisieren, die wie sie ebenfalls in deutschnationalen Burschenschaften aktiv sind. Manche schätzen deren Aktivismus („Die zeigen es den Grünen“), sehen sie als Ideengeber oder sind von deren vorgeblicher Stärke im Netz beeindruckt.

Sellner unterhält sogar eine eigene kleine "Trollfabrik" auf Telegram, wo er Anweisungen gibt, welcher Artikel im Netz zu kommentieren sei. Allerdings zeigte sich bei ihrer jüngsten Kundgebung auch, dass sie selbst mit wochenlanger, europaweiter Mobilisierung kaum 500 Personen auf die Straße bringen.

Krach zwischen ÖVP und FPÖ nach Anschlag

Kurz vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Jahr 2019 sorgten die Identitären für einen gehörigen Krach in der damals regierenden türkis-blauen Koalition. Auslöser war ein Attentat eines Rechtsextremisten auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch, bei dem 51 Menschen ermordet wurden. Nach dem Anschlag präsentierte der Attentäter ein krudes Manifest, dessen Titel "Der große Austausch" Bezug auf eine identitäre Verschwörungstheorie bezüglich eines angeblichen "Bevölkerungsaustausches" nahm. Kurz nach dem Terrorakt wurde bekannt, dass der Attentäter der Galionsfigur der Identitären, Martin Sellner, 1.500 Euro gespendet hatte.

Dazu kam, dass Medien öffentlich machten, dass Sellner in jungen Jahren mit Gleichgesinnten Plakate mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Legalisiert es" an der Außenmauer der Synagoge im niederösterreichischen Baden anbrachte. Nachdem dies die "Kleine Zeitung" öffentlich gemacht hatte, zeigte sich der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) via Twitter empört. Er sei „angewidert" und werde "keine neonazistischen Umtriebe dulden". Geld von Rechtsterroristen und ein Hakenkreuz waren zu viel.

Auf Druck der ÖVP wandte sich daraufhin der damalige Koalitionspartner FPÖ von der Gruppierung ab, die zuvor von freiheitlichen Spitzenpolitikern unterstützt worden war. Sellner und seine Identitären haben das nicht vergessen, bei Corona-Demonstrationen Anfang 2021 tauchten sie mit einem "Kurz wegkickeln"-Transparent auf. Dafür gab es bei den Kundgebungen schon mal Lob von Kickl.

Identitäre mit "Kurz wegkickeln!"-Transparent.
Foto: Markus Sulzbacher

Nachdem Kickl seinen Kontrahenten Hofer auf eine eher unfreundliche Art als Parteichef ablöste, war es mit der "Distanziererei vorbei", wie es seitens der FPÖ hieß. Selbst als Personen aus dem Umfeld der Identitären die Polizei bei einer Demonstration attackierten und deswegen ein Salzburger Funktionär der Freiheitlichen Jugend vor Gericht landete und verurteilt wurde, gab es keinen Abstand seitens der Parteiführung. Das sorgte FPÖ-intern für Kritik, da Polizisten und Polizistinnen als freiheitliche Kernwählerschaft gesehen werden.

Auseinandersetzungen mit der Polizei bei einer Coronademonstration in Wien. 

Auch, dass Identitäre die ÖVP – immerhin Koalitionspartner der FPÖ in einigen Bundesländern – zum Ziel von Aktionen machten, ist für Kickl kein Grund, Abstand zu halten. So kletterten Aktivisten der Gruppe am Tag der Landtagswahl in Niederösterreich auf das Dach der ÖVP-Landesparteizentrale in St. Pölten, um dort ein Transparent zu hissen. Eine ähnliche Aktion wollten Identitäre auch beim Innenministerium in Wien abziehen, sie wurden jedoch von Security-Männern daran gehindert.

Keine einheitliche Linie bei der FPÖ

Ideologisch fahren die Identitären einen strammen Kurs. In einem aktuellen Beitrag im Blog "Heimatkurier" verunglimpft Sellner das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, in dem er eine "Kontextualisierung, Verwindung (sic!) und Historisierung" fordert, da die "deutsche Jugend" damit "künstlich traumatisiert" werde. Auch schreibt er von Profiteuren "der ruinösen 'Holocaust education'".

In jüngster Zeit ist es FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, der die Nähe der FPÖ mit den Identitären wortreich verteidigt. Dafür gibt er Interviews in rechtsextremen Medien. Dem "Heimatkurier" sagte er etwa, dass es für die FPÖ "keinen Grund zur Distanzierung" gebe. Allein schon, dass ein Generalsekretär der Freiheitlichen mit dem "Heimatkurier" redet, ist als Unterstützung zu sehen.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bei einer Corona-Demonstration 2021.
Foto: Markus Sulzbacher

Das sieht der oberösterreichische FPÖ-Parteichef und Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner offensichtlich nicht so. Seine Partei stimmte dem "Aktionsplan gegen Extremismus" zu, nachdem Ende Juni eine Gruppe von Rockern in Oberösterreich ausgehoben wurde, die teilweise eng mit der Neonazi-Szene verwoben ist. Neben zahlreichen Waffen, darunter Sturmgewehre vom Typ StG77, wie sie das Bundesheer verwendet, wurden auch Drogen wie Kokain und Cannabis sowie NS-Devotionalien wie Nazi-Flaggen, Medaillen und Literatur von den Behörden gefunden.

Eine Grundlage für diesen "Aktionsplan" war ein "Lagebericht" des Verfassungsschutzes, in dem auch Burschenschaften, Identitäre und die Corona-Protestszene erwähnt wurde. Die festgestellte Verfassungsschutz-Relevanz hat bei Personalaufnahmen beim Land, bei Landesförderungen und der Vermietung von Räumlichkeiten des Landes Folgen.

Nachdem Haimbuchner dem Aktionsplan zustimmte, hagelte es seitens der rechtsextremen Szene Kritik. Ihm wurde "aggressive Distanzieritis" vorgeworfen, er wurde als "bester ÖVPler" eingestuft und daran erinnert, dass er selbst Burschenschafter sei.

"Irregeleitete und sogenannte Identitäre"

Haimbuchner reagierte und ruderte zurück. "Die behördliche Ächtung von Burschenschaften ist nicht zu akzeptieren. Burschenschaften sind kein Problem für die Demokratie, sondern ihre Erfinder", sagte er der "Krone". Allerdings betonte er auch, dass Kritik an der FPÖ-"Kenntnisnahme" des Aktionsplans durch ein "paar Irregeleitete und sogenannte Identitäre" weder für ihn noch für die Partei ein Problem darstelle. Damit richtete Haimbuchner seinem Parteichef Kickl eine klare Botschaft aus.

Der freiheitliche Generalsekretär Hafenecker bezeichnete hingegen die Zustimmung der oberösterreichischen Freiheitlichen zu dem Aktionsplan als einen Fehler. Und zwar in einem Interview mit der rechtsextremen Zeitschrift "Info Direkt", die immer wieder mit Kritik an Haimbuchner auffällt. "Hier heißt es zusammenstehen, denn wir haben alle miteinander nichts Strafbares gemacht", wird Hafenecker zitiert. Die Zeitschrift gilt als Sprachrohr der Szene, in der Alt-Neonazis ebenso zu Wort kommen wie auch Identitäre und Freiheitliche.

Kritik am Verfassungsschutz

Hafenecker griff via "Info Direkt" auch den Verfassungsschutz an, dessen Einschätzung der rechtsextremen Szene er als "Geschwurbel" bezeichnet und deren Kompetenz er abstreitet.

Seitens des Verfassungsschutzes werden die Identitären, aus deren Umfeld immer wieder Straftaten begangen werden, als "Gefahr" und "Bedrohung" gesehen und dementsprechend überwacht. Auch vom deutschen Verfassungsschutz, da österreichische Identitäre auch in Deutschland aktiv sind. So wird ein Stützpunkt der Identitären im oberösterreichischen Steyregg, der dem "Heimatkurier" als Adresse dient, im deutschen Verfassungsschutzbericht erwähnt.

Der aktuelle Schulterschluss zwischen Teilen der FPÖ und den Identitären wirft intern beim österreichischen Verfassungsschutz Fragen auf, schließlich sind nicht wenige Beamte selbst glühende Freiheitliche. Wie heikel die Kontakte mancher FPÖ-Politiker sind, zeigte sich im Juni bei der Nominierung der Kontrollkommission für die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Der Kandidat der Freiheitlichen wurde von ÖVP, Grünen und Neos abgelehnt und verhindert. SPÖ und FPÖ machten sich hingegen für den Mann stark, der im Burschenschafter-Milieu aktiv ist.

Dazu kommt, dass die DSN seit ihrer Gründung 2021 von Omar Haijawi-Pirchner geleitet wird, dessen Vorname ausreicht, um von Identitären regelmäßig als Feind markiert zu werden. (Markus Sulzbacher, 9.8.2023)