Es ist kein gutes Fazit, das der US-Geheimdienst NSA Ende 2020 dem japanischen Militär ausstellte. Chinesische Hacker waren tief in die Netzwerke der Landesverteidigung eingedrungen, hatten sich dort permanenten Zugriff eingerichtet und konnten kritische Informationen einsehen. Pläne, Kapazitäten, Befunde zu militärischen Defiziten und anderes waren für sie einsehbar gewesen, erklären drei ehemalige hochrangige US-Beamte gegenüber der "Washington Post".

"Es war schlimm – schockierend schlimm", so der Wortlaut eines Militärs. Daher entsandte die Trump-Regierung damals General Paul Nakasone, Chef der NSA und des US Cyber Command, sowie den stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Matthew Pottinger, nach Tokio. Dort unterredete man sich mit dem Verteidigungsminister, der wiederum umgehend den Premier informierte. Der Vorfall wird als einer der schlimmsten Hacks in der Geschichte Japans gewertet.

Japan hatte Problem verschleppt

In Washington wechselte der Fokus zu jener Zeit schnell auf andere Themen. Noch-Präsident Trump mobilisierte seine Anhänger mit der Falschbehauptung, er hätte die Wahl nur wegen großangelegten Betrugs verloren. Die Biden-Regierung musste sich zu Beginn ihrer Amtszeit wiederum mit der Aufarbeitung eines russischen Cyberangriffs gegen Regierungsstellen beschäftigen, der noch unter Trump bekannt geworden war.

Ein Typ-90-Panzer der japanischen Armee während einer Übung auf der Insel Hokkaido.
AP/Eugene Hoshiko

Anfang 2021 widmete man sich wieder der Situation in Japan und stellte mit Erstaunen fest, dass die Netzwerke des strategischen Bündnispartners immer noch von chinesischen Hackern ausspioniert wurden. Manche US-Beamte beschlich das Gefühl, in Japan habe man gehofft, dass sich das Problem von selbst in Luft auflöse.

Japan investiert in Cybersicherheit

Seitdem wurden die Sicherheitsmaßnahmen angezogen. Japan kündigte an, seine Netzwerksicherheit zu stärken und das Budget für Cybersicherheit im Laufe von fünf Jahren zu verzehnfachen. Dazu erhöhte das Militär seinen Personalstand im Bereich Cybersecurity von etwa 1.000 auf rund 4.000 Personen. Offen bleibt im Bericht der "Washington Post", ob bzw. wann der Zugriff der chinesischen Hacker gekappt wurde.

Ängste, selbst von der NSA ausspioniert zu werden, hat man mittlerweile überwunden. Man einigte sich auf ein Prozedere, bei dem Japan das Know-how einheimischer IT-Security-Firmen anzapft, um den Hack zu analysieren. Das Ergebnis solle dann der NSA vorgelegt werden, die anschließend Vorschläge zum weiteren Vorgehen unterbreitet.

Spannungen im Pazifikraum

Der Vorfall spielt sich auch vor dem Hintergrund zunehmender chinesischer Aggression ab. China beansprucht den Westpazifik – das Japanische und das Südchinesische Meer – als seinen historischen Machtbereich. Zudem betrachtet man Taiwan als abtrünnige Provinz des eigenen Landes und strebt, notfalls gewaltsam, eine Wiedervereinigung an. Man erkennt die Insel nicht als souveränen Staat an und pflegt mit Staaten, die dies tun, nur informelle diplomatische Kontakte.

Als die damalige Sprecherin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan besuchte, feuerte China ballistische Raketen in Japans exklusive maritime Wirtschaftszone. Dazu rüstet man das nukleare Arsenal auf, und es kommt immer wieder zu riskanten Manövern gegenüber amerikanischen, kanadischen und australischen Schiffen und Flugzeugen über dem Pazifik.

Dazu kommt es auch verstärkt zu Cyberangriffen gegen Staaten wie die USA und Länder im asiatisch-pazifischen Raum. Chinesische Hacker sollen sich laut Berichten im Juni Zugriff zu E-Mails der US-Handelsministerin Gina Raimondo, des US-Botschafters in Peking und anderen Diplomaten verschafft haben.

Auch konventionelle Aufrüstung

Japan reagiert mit dem Einkauf von US-Militärequipment, darunter Marschflugkörper des Typs "Tomahawk". Im Falle einer Auseinandersetzung mit China will man dazu in der Lage sein, mit Gegenschlägen Ziele auf dem chinesischen Festland zu erreichen. Weiters werden US-Truppen auf einer Insel südwestlich von Okinawa stationiert. Sie sollen schnell eingreifen können, sollte Peking einen Angriff auf Taiwan starten.

Es gibt aber auch Druck aus Washington, die Absicherung der eigenen Netzwerke schnell voranzutreiben. Andernfalls, so ließ es das US-Verteidigungsministerium anklingen, könne der militärische Datenaustausch eingeschränkt werden. Man sehe mittlerweile "umfangreiche Investitionen und Anstrengungen auf japanischer Seite", erklärt ein Pentagon-Beamter gegenüber der "Washington Post", allerdings habe Japan noch einige Arbeit vor sich. (gpi, 8.8.2023)