Es ist ein dringender staatlicher Rat, dessen Befolgung für junge Erwachsene ordentlich ins Geld geht. Bis zum dreißigsten Geburtstag empfiehlt der Nationale Impfplan des Gesundheitsministeriums die Impfung gegen Humane Papillomaviren, kurz: HPV. Gratis ist der Schutz allerdings nur bis 21, danach schlägt der volle Marktpreis zu: Für die vorgeschriebenen drei Dosen müssen impfwillige Frauen und Männer in der Apotheke 647 Euro hinblättern, dazu kommt noch das ärztliche Honorar von circa 15 Euro pro Stich – macht in Summe rund 700 Euro. Ein Betrag, der in dieser Altersgruppe mitunter ein halbes Monatseinkomamen wegfrisst – oder die komplette Studienbeihilfe.

Erklärvideo zu HPV: Der Virus, den fast alle haben aber vor allem Männer nicht kennen
DER STANDARD

Die Viren selbst holt man sich hingegen spielerisch. Fast alle sexuell aktiven Menschen werden mit HPV infiziert, mehrmalige Infektionen sind möglich. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich rund 80 Prozent der Bevölkerung im Laufe des Lebens mit den sexuell übertragbaren Erregern anstecken. In den meisten Fällen merken die Betroffenen nichts davon, und die Infektion verschwindet spurlos. Sie kann aber auch brandgefährliche Folgen zeitigen, die tödlichste ist der Gebärmutterhalskrebs, der praktisch immer von HPV verursacht wird: 400 neue Fälle von Zervixkarzinomen werden hierzulande jährlich registriert, rund 150 Frauen sterben daran. Die vergleichsweise seltenen Krebserkrankungen an Vulva und Vagina stehen ebenfalls maßgeblich mit HPV in Verbindung.

Impfung gegen HPV
Humane Papillomviren (HPV) verursachen Krebs und Genitalwarzen. Die Impfung wirkt gegen die gefährlichsten Virentypen.
IMAGO/ANP

Auch bei Männern beschränkt sich das Problem entgegen landläufiger Vorurteile nicht auf die Übertragung der Viren. Krebserkrankungen im Mund-, Rachen und Halsbereich hängen zu einem erheblichen Teil mit HPV zusammen, und die Zahl der Patienten steigt: Mehr als tausend bösartige Tumore in diesem Bereich werden laut Gesundheitsministerium jährlich neu diagnostiziert, die Mehrheit bei Männern. Auch die gesundheitlich recht harmlosen Genitalwarzen, die HPV bei mehr als 20.000 Personen im Jahr auslöst, können belastend sein.

Vor dem ersten Sex

Durch Kondome lässt sich all dies nicht ausreichend verhindern, einen wirksamen Schutz vor Übertragung und Erkrankung bietet nur die Impfung. Studien zeigen, dass sie das Risiko für Gebärmutterhalskrebs um bis zu 90 Prozent reduziert, die bestmögliche Wirkung wird bei einer Immunisierung vor dem ersten Geschlechtsverkehr erreicht.

Grafik HPV
Empfehlung und Kosten der HPV-Impfung in Österreich nach Altersgruppe und Bundesland
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Deshalb zielt das österreichische Impfprogramm darauf ab, dass möglichst früh – also bei Neunjährigen – mit der Verabreichung begonnen wird. Selbst bei sexuell bereits aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen senkt das Vakzin die Infektions- und Krebsgefahr allerdings deutlich, weswegen die Empfehlung eben zumindest bis 30 gilt. Der Impfstoff wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "extrem sicher" eingestuft.

Weniger Kinder in Pandemie geimpft

Neuere Forschungsergebnisse schüren gar die Hoffnung, dass sich Gebärmutterhalskrebs auf längere Sicht mit einer Durchimpfungsrate von mehr als 80 Prozent nahezu ausrotten ließe. Doch wie weit ist Österreich mit seiner traditionell hartnäckigen Masse an Impfskeptikern von solchen Werten entfernt? Eine Antwort hierauf ist schwierig und das hat mit einer weiteren österreichischen Tradition, nämlich der schlechten Datenlage im Gesundheitswesen, zu tun. Ein zentrales Dashboard, in dem sich die Entwicklung der Impfungen nach Alter und Geschlecht einsehen lässt, existiert nicht – wobei der im März eingeführte elektronische Impfpass zumindest ein Schritt in diese Richtung ist.

Vorerst behilft sich das Gesundheitsministerium mit geschätzten Zahlen aus einem Modell des Forscherduos Niki Popper und Claire Rippinger, das Informationen aus verschiedenen Quellen umfasst. Die Berechnungen zeigen, dass nur wenige Eltern ihre Kinder zum frühesten Zeitpunkt impfen lassen: Bei der Altersgruppe 9–11 hatten Stand 2022 gerade einmal 13 Prozent beide Dosen – Kinder und Jugendliche brauchen nur zwei Teilimpfungen – erhalten. Vor 2020 war dieser Anteil höher: Popper und Rippinger vermuten, dass der Dämpfer am eingeschränkten Schulbetrieb der Pandemiejahre liegen könnte.

HPV-Impfung nach Alter in Österreich
Die österreichische Datenlage zum HPV-Impffortschritt ist mangelhaft, ein Berechnungsmodell lässt allerdings die Verteilung über die Altersgruppen abschätzen.
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Besonders interessant ist die Gruppe der 14-jährigen, weil viele ab diesem Alter mit sexuellen Erkundungen loslegen: Hier halten sich Geimpfte und Ungeimpfte immerhin die Waage. In den älteren Kohorten ist die Durchimpfung wesentlich geringer, woran sich die wichtige Rolle der Gesundheitspolitik und mit ihr des Geldes ablesen lässt. Denn erst seit 2014 gibt es den Impfstoff für Kinder zwischen neun und elf gratis.

Die letzte Ausdehnung des kostenfreien Programms auf alle unter 21 trat überhaupt erst im Februar diesen Jahres in Kraft. Einen "Meilenstein" nannte das Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und erntete dafür breiten Zuspruch, der vom Koalitionspartner ÖVP über die Krebshilfe und Jugendorganisationen bis zur SPÖ reichte. Die bisherigen Effekte dieser Maßnahme kann das Ministerium – Stichwort Datenlage – derzeit nicht beurteilen, wie es auf Anfrage heißt.

Rabatte vereinbart

Klar ist aber, dass die heute Mitte Zwanzigjährigen von vornherein keine Chance auf einen Gratis-Impfstoff hatten und nur die Minderheit entsprechend der Empfehlung gegen HPV geschützt ist. Bleibt es für sie beim durchaus abschreckenden Preis von 650 Euro in der Apotheke? Markus Stickler von der Pharmafirma MSD, die das HPV-Vakzin herstellt, sagt: "Die Fertigung des Impfstoffs ist extrem aufwendig und komplex, das sorgt für hohe Kosten in der Produktion. Als global agierender Konzern können wir nicht einfach einen günstigeren Preis hergeben und müssen den weltweiten Bedarf im Auge behalten."

Bei Initiativen aus den Bundesländern gibt es aber durchaus Spielraum für Sondervereinbarungen, wie das Beispiel Burgenland zeige. Personen ab 21, die dort ihren Hauptwohnsitz haben, bekommen den Impfstoff in der Apotheke günstiger als überall sonst in Österreich – um 462 Euro. Auf Betreiben der burgenländischen Krebshilfe wurde mit dem Land, der lokalen Ärzte- und Apothekerkammer und MSD das billigere Angebot paktiert. Der niedrigere Preis erklärt sich auch dadurch, dass das Land direkt bei der Firma einkauft und somit die Preisaufschläge des Pharmagroßhandels und der Apotheken am privaten Markt wegfallen.

Studierende, Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge über 21 bekommen von der burgenländischen Krebshilfe bei HPV-Impfnachweis noch eine zusätzliche Unterstützung von 162 Euro, sodass sie letztlich mit 300 Euro auskommen: "Hohe Kosten sollen kein Grund mehr sein, sich nicht gegen HPV impfen zu lassen", begründet Geschäftsführerin Andrea Konrath den Zuschuss.

Wünschenswert, aber Budget fehlt

Ein vergünstigtes Angebot um 300 Euro gibt es auch in Niederösterreich – und zwar für alle zwischen 21 und 25, die sich in den Landeskliniken impfen lassen. Die restlichen Kosten für den Impfstoff tragen das Land und die Sozialversicherungsträger. Die Aktion finde regen Anklang, heißt es aus dem Büro der Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).

Dennoch schaut es nicht danach aus, als würden die restlichen Bundesländer alsbald mit Rabatten nachziehen. Für die Salzburger Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) sei das derzeit "kein Thema", wie ihr Büro mitteilt – man fokussiere sich auf die Impfungen für die Jüngeren in Schulen. So will man das auch in Wien weiterhin halten: "Finanzielle Unterstützungen für eine HPV-Impfung nach dem Alter von 21 Jahren sind nicht angedacht" erklärt ein Pressesprecher von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Laut Gesundheitsministerium mangelt es für eine Vergünstigung zugunsten von Personen über 21 schlicht am Budget: Eine Übernahme ins Gratisprogramm wäre zwar "sicher wünschenswert", aber finanziell derzeit nicht zu stemmen. Volkswirtschaftlich könnte das in der Endabrechnung allerdings noch teurer werden, wie eine Analyse des Instituts für Pharmaökonomische Forschung im Auftrag des Impfstoffherstellerverbands nahelegt: Jeder Euro, der in die HPV-Impfung investiert wird, erspare der Gesellschaft später das Vierfache für Krankenstände und Krebsbehandlungen. (Theo Anders, 14.8.2023)