Dass Flugzeuge oft aus Kostengründen, aufgrund von Zwischenfällen oder wegen anderer Gründe nicht den direkten Weg von A nach B nehmen, ist bekannt. Einen kuriosen Umweg auf dem Flug von Süditalien nach London haben etwa erst kürzlich fast 200 Passagiere gemacht. Anstatt auf direktem Weg von Lamezia Terme Richtung Großbritannien zu fliegen, nahm eine Tui-Maschine Kurs nach Südwesten – und landete nach rund einer Stunde in Tunesien, wie in der britischen Zeitung "Independent" zu lesen war. Das Reiseunternehmen bestätigte den Vorfall: Flug BY4651 habe einen Stopp in Enfidha-Hammamet eingelegt, um dort Ausrüstung für ein anderes Flugzeug abzugeben.

Drei Kondensstreifen am Himmel
Wie Umwege und langlebige Kondensstreifen von Flugzeugen dem Klima schaden.
IMAGO/Hohlfeld

Demnach benötigte eine ältere Maschine vom Typ Boeing 737, die von Tunesien nach Manchester fliegen sollte, nach einem technischen Problem Unterstützung. Die 189 Passagiere an Bord, darunter kleinere Kinder, hätten ein kostenloses Getränk erhalten und könnten eine Entschädigung für die mehr als vierstündige Verspätung beantragen, hieß es von Tui weiter. Da der Flug im EU-Land Italien startete, haben die Passagiere ein Anrecht auf eine Erstattung in Höhe von 400 Euro pro Person. Von Tunesien ging es dann in drei Stunden schließlich zum eigentlichen Ziel, dem Flughafen Gatwick südlich von London. Solche Umleitungen liegen durchaus im Ermessen der Fluggesellschaften, wenn damit ein Betriebsproblem behoben wird. Allerdings ergeben sich neben den nervigen Wartezeiten für die Kunden noch andere Auswirkungen.

Großer Umweg, große Wirkung

Wenn Airlines aus verschiedensten Gründen Umwege in Kauf nehmen, entstehen dadurch logischerweise auch ein höherer CO2-Ausstoß und somit weitere negative Auswirkungen auf das Klima. Im Fall des Fluges von Italien nach London beträgt etwa die direkte Strecke 1.900 Kilometer, mit Umweg über Tunesien sind es schon 2.500 Kilometer. Oder anderes berechnet: Ein einzelner Reisender in der Economy-Class hätte mit dieser Maschine ohne Umweg rund 0,34 Tonne CO2 ausgestoßen – durch die geänderte Streckenführung wird so bereits ziemlich genau eine halbe Tonne CO2 draus. Kein Schelm, wer denkt, dass das an diesem Flugtag nicht der einzige Umweg am Himmel war.

Dass Umwege oder generell wenig präzise geplante Flugrouten eine erheblichen Anteil an den negativen Auswirkungen auf das Klima haben, ist auch der Branche bewusst. Allerdings gibt es durchaus widersprüchliche Erkenntnisse. So ist der kürzeste Weg nicht zwangsläufig der klimafreundlichste. Der Forscher Robert Sausen arbeitet am Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) schon länger im Bereich der "klimaoptimierten Flugrouten". Dafür müssen Bereiche der Atmosphäre umflogen werden, in denen sich aufgrund der vorherrschenden spezifischen Wetterlagen Emissionen in Form von "langlebigen Kondensstreifen" besonders stark auswirken. Heutzutage würden Flüge auf eine möglichst kurze Flugzeit und einen minimalen Kerosinverbrauch ausgelegt. Durch letztere Maßnahme habe die Luftfahrt zwar einen Schritt hin zu effizienteren Flugzeugen und einem grüneren Flugverkehr gemacht. Die CO2-Emissionen machen aber nur rund ein Drittel der gesamten Klimawirkung eines Flugzeuges aus. Sausen hat berechnet, dass nur ein bis zwei Prozent der gesamten langlebigen Kondensstreifen, die sogenannten Big Hits, mehr als 80 Prozent der Erwärmung bewirken. Man solle sich also vor allem auf deren Vermeidung konzentrieren, sagte er in dem Fachmagazin "Aeroreport". Dadurch könnte die negative Klimawirkung um bis zu 20 Prozent verringert werden – ohne technische Änderungen an den Flugzeugen.

Bessere Planung der Flugrouten

Die Vermeidung der CO2-Emissonen spiele dennoch eine ebenso erhebliche Rolle, betont wiederum Michael Finke vom DLR-Institut für Flugführung in Braunschweig. Er koordiniert das Forschungsprojekt "Greener Air Traffic Operations", das Flugzeuge künftig ebenso klimafreundlicher fliegen lassen will. Ziel sind hier klar verminderte CO2-Emissionen. "Heutzutage sind Umwege und Warteschleifen keine Seltenheit", sagt Finke. Der Grund: Bei der Planung einer Flugroute spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Die Flugzeuge müssen beispielsweise aus Sicherheitsgründen in verschiedenen Flughöhen gestaffelt werden. "Jede Maschine hat aber nur eine verbrauchsoptimale Flughöhe", weiß der Experte. Ein anderes Thema seien auch die Gebühren, die beim Überflug von Ländern entstehen. Airlines sparen hier, indem sie teure Länder umfliegen, erzeugen so aber wieder mehr CO2-Emissionen.

Handelt es sich nicht um "technische Umwege" wie im Fall des umständlichen Fluges von Italien nach London, auf die man als Passagier keinen Einfluss hat, macht es durchaus Sinn, nachzurechnen. Auf Rechnern wie MyClimate kann man zumindest ein Bewusstsein dafür antrainieren, welchen Mehrausstoß an CO2 solche Umwege generieren, die man als Kunde vielleicht sogar aus Gründen der Kostenersparnis bislang bewusst in Kauf genommen hat. Denn eines ist ganz sicher so: Der direkte Weg ist für Reisende nicht immer der billigste in der Welt der Airlines. (red, APA, 9.8.2023)