Wien – Seit mehr als zehn Jahren herrscht im Parlament und in den Landtagen Transparenz, zumindest was die Nebentätigkeiten und Bezüge der Abgeordneten betrifft: Einmal im Jahr müssen sie melden, welche Jobs sie neben der Politik ausüben und wo sie ehrenamtlich tätig sind. Auch die Höhe ihres Verdiensts wird in einzelnen Kategorien ausgeschildert. Kanzler und Regierungsmitglieder sowie Landeshauptleute und Landesräte sind mit einem Berufsverbot belegt.

Also sollte man theoretisch bei allen auf Landes- und Bundesebene tätigen Politikerinnen und Politikern wissen, welche Nebentätigkeiten sie (nicht) ausüben. In der Praxis gibt es allerdings eine Lücke, und die liegt an einem Wiener Kuriosum: den nicht amtsführenden Stadträten. Die haben einerseits kein Berufsverbot, andererseits sind sie aber nicht von den Offenlegungspflichten umfasst. Das zeigte sich etwa bei der STANDARD-Recherche zu den Nebentätigkeiten des Wiener ÖVP-Chefs Karl Mahrer. Die "Mahrer Communications GmbH" taucht weder auf den Seiten der Stadt Wien noch auf Mahrers ÖVP-Seite auf.

SPÖ "definitiv" für Reform

Das liegt aber nicht (nur) an Mahrer: Schon seine Vorgänger wie Johann Gudenus (FPÖ) oder aktuelle Kolleginnen und Kollegen wie Dominik Nepp (FPÖ), Isabelle Jungnickel (ÖVP) oder die beiden Grünen-Chefs Peter Kraus und Judith Pühringer werden durch die Transparenzlücke nicht erfasst.

"Da gibt es eine Lücke, deren Schließung wir schon lange fordern", sagt Marion Breitschopf. Sie betreibt die Transparenzplattform "Meine Abgeordneten", die eine Übersicht über Lebensläufe, Funktionen und Nebentätigkeiten von Politikerinnen und Politikern bietet.

Wie sieht das die Wiener Politik? Aus dem Klub der Wiener SPÖ heißt es, man sei "definitiv dafür", diese Lücke zu schließen. Allerdings handle es sich bei der Regelung um ein Bundesgesetz, eine solche Reform "sollte und könnte also der Bund andenken".

Nicht amtsführende Stadträte wie Dominik Nepp (FPÖ, im Bild Mitte links) und Karl Mahrer (ÖVP, Mitte rechts) werden von Offenlegungspflichten nicht erfasst.
APA/EVA MANHART

Der grüne Klubobmann David Ellensohn sagt: "Selbstverständlich sollen alle Politiker:innen ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Wenn alle Parteien mitziehen, ist das schnell umsetzbar." Die Neos sehen eine Offenlegung als "Minimum", die Position des nicht amtsführenden Stadtrats gehöre aber eigentlich "komplett abgeschafft".

Das will auch die ÖVP Wien. Von dort heißt es, dass sämtliche Mitglieder der Stadtregierung "amtsführend" sein sollten. Eine Offenlegung der Nebenverdienste begrüße man auch. Von der Wiener FPÖ hieß es lediglich, man beantworte keine Anfragen des STANDARD.

Das Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz sieht prinzipiell vor, dass alle Mitglieder des Nationalrates oder Bundesrates leitende Tätigkeiten beispielsweise in Aktiengesellschaften, GmbHs oder Stiftungen, Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des Dienstgebers sowie selbstständige Tätigkeiten angeben. Außerdem sollen ehrenamtliche Tätigkeiten sowie Funktionen in Interessenvertretungen und politische Funktionen offengelegt werden.

Auch Einkommenshöhe

Bis zum 30. Juni des Folgejahres müssen die Abgeordneten außerdem angeben, wie viel sie in jeder einzelnen Funktion durchschnittlich pro Monat verdient haben, das wird dann in einzelnen Kategorien ausgeschildert. Diese Meldepflichten gelten "sinngemäß für die Mitglieder des Landtages", heißt es weiters – die nicht amtsführenden Stadträte wurden offenbar nicht bedacht.

Die Offenlegung soll Interessenkonflikte vermeiden oder zumindest öffentlich machen. In anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, sind die Transparenzpflichten noch schärfer. (Fabian Schmid, 8.8.2023)