Curretzis
Teodor Currentzis und sein Utopia-Ensemble in Salzburg zu Gast.
Muraveva

Nur ein paar Schritte vom Lärm des Festspielbezirks entfernt, im Hof der Benediktiner-Erzabtei St. Peter, wirkt alles plötzlich still und andächtig. Kein Fotografengrüppchen sucht verzweifelt nach Prominenten Marke Thomas Gottschalk, der bei der Figaro-Premiere gesichtet wurde.

In der Stiftskirche, wo Mozarts unvollendete c-Moll-Messe in Teilen tatsächlich uraufgeführt wurde, ist der Dirigent dann allerdings fast in seinem gewohnt exaltierten Element. Er wirkt zwar nicht ganz so opernhaft expressiv wie bei Henry Purcells Indian Queen in der Felsenreitschule. Zweifellos aber ist Teodor Currentzis, der Exzentriker unter den interessanten Werkgestaltern, optisch offensiv auch um inniges Musizieren bemüht.

Man muss es nicht mögen, wie er musikalische Linien zu streicheln scheint oder gestisch für die Sänger und Sängerinnen vorzeichnet. Bei geschlossenen Augen offenbart sich beim Hören allerdings durchaus der musikalische Sinn der markanten Körpersprache.

Eindringliche Sopranstimmen

Bei Mozarts c-Moll-Messe, in der kontrapunktisch barocke Einflüsse wie auch fast opernhafter Sologesang zu finden sind, ist etwa der Hang zur legatoverliebten Ausgestaltung der Motive offensichtlich.

Dies wirkt jedoch nie kitschig ausgewalzt und verdankt sich auch den eindringlichen Sopranstimmen von Nadezhda Pavlova und Rachel Redmond. Ist bei Pavlova der poetische Tonfall, vor allem in der Höhe, von erstaunlicher Klarheit und Delikatesse, sind die Koloraturen bei Redmond gut aufgehoben, die schon bei Indian Queen als Doña Isabel zu hören war. Das delikate wenige, was Mingjie Lei und Matthias Winckhler zu bewältigen hatten, kam jederzeit kultiviert rüber.

Der grandios-prunkvolle Barockraum der Kirche ist natürlich akustisch heikel. Bei voller Entfaltung von Dynamik und gemeinsamem Einsatz von Utopia-Chor und -Orchester klingt es dann schon bisweilen etwas breiig. Ist wohl nicht zu vermeiden.

An Mozart abgearbeitet

Currentzis aber variiert die Dynamik sorgfältig, lässt den makellosen Chor subtil entlang der Stille hauchen, was im Kyrie besondere Effekte bewirkt. Wenn es deutlich ins Dramatische gehen soll, welches heftigerer Akzente bedarf, bleibt das Utopia-Orchester im Gegenzug ebenfalls an Pointiertheit nichts schuldig. Man merkt, Currentzis hat sich an Mozart abgearbeitet, den er in Salzburg zuletzt mit Don Giovanni kontrovers umgesetzt hat. Auch hier, im sakralen Kosmos, scheint jeder Ton, jede Phrase bewusst durchgeformt.

Auch wenn alles tendenziell auf der weichen Seite der Interpretation verortet ist, wirkt nichts zaghaft oder unsicher umgesetzt. Als würde ein Dirigent gerne in jene Sphäre entschwinden wollen, die von irdischen Themen nicht behelligt wird. (Ljubisa Tosic,9.8.2023)