Im Gastblog erklären Lukas Feiler, Michaela Petsche und Marlies Kittinger, welche Fragen sich aufgrund von künstlicher Intelligenz (KI) im Patenrecht stellen.

Technische Erfindungen können nur dann durch ein Patent geschützt werden, wenn sie die dafür notwendige Erfindungshöhe erreichen. Gerade moderne KI-Systeme können das Erreichen dieser Schwelle erheblich erschweren.

Moderne KI-Systeme eignen sich nicht nur zur Generierung von Inhalten wie Texten und Bildern, sondern können auch unterstützend bei der Entwicklung neuer Technologien eingesetzt werden oder diese zumindest erleichtern. So verfügen öffentlich zugängliche KI-Systeme über eine Fülle von wissenschaftlichem Know-how und werden insbesondere mit den aktuellsten wissenschaftlichen Publikationen gefüttert. Ein wesentlicher Teil der erfinderischen Tätigkeit kann daher von einem KI-System übernommen werden.

Wem gehört die Erfindung?

Sowohl in Österreich als auch in den meisten anderen Staaten muss eine Erfindung nicht nur neu sein, um patentiert werden zu können, sondern sie darf sich für den Fachmann oder die Fachfrau auch nicht aus dem Stand der Technik ergeben.

Der Gesetzgeber beginnt bereits darüber nachzudenken, wie KI-Systeme in Erfindungsprozesse integriert werden können und welche Auswirkungen dies auf die Patentierbarkeit von Erfindungen haben kann. Insbesondere in den USA hat das Thema "KI und Patente" in jüngster Zeit hohe Wellen geschlagen. Auslöser für die Diskussion um die Patentierbarkeit computergenerierter Erfindungen war unter anderem die Entwicklung des neuen Antibiotikums Halicin durch Forschende des MIT. Das Antibiotikum wurde nach dem Computer HAL aus dem Film "2001 – Odyssee im Weltraum" benannt. Nach US-amerikanischem Recht ist allerdings noch unklar, ob menschliche Wissenschafter und Wissenschafterinnen oder KI-Systeme als Erfinder des neuen Moleküls gelten können. Auch gerichtlich ist diese Frage noch nicht geklärt.

Glühbirne, die sich in Datenmuster auflöst
Wenn Erfindungen nicht nur aus menschlicher Hand kommen, wird auch die Frage nach der Patentierbarkeit schwieriger.
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In aller Munde ist derzeit auch der Programmierer Stephen Thaler, der in mehreren Ländern Klage auf Anerkennung der Erfindereigenschaft für sein KI-System "Dabus" eingereicht hat. In Australien, Deutschland, Großbritannien, Israel, Neuseeland, Südkorea und den USA wurde die Erfindereigenschaft eines KI-Systems bereits verneint. In Österreich hat Thaler bisher noch keine Klage erhoben, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die österreichischen Gerichte sich derselben Meinung anschließen könnten und die Erfindereigenschaft von KI-Systemen verneinen. In Südafrika konnte Thaler jedoch zumindest einen Teilsieg erringen, denn dort wurde das Patent bereits angemeldet, wenngleich das Land über kein materielles Patentprüfungssystem verfügt und somit die Bedeutung der Anerkennung möglicherweise nicht so groß ist wie in anderen Rechtsordnungen. Es bleibt abzuwarten, ob das Patent angefochten wird.

Was aber gilt, wenn eine öffentlich verfügbare KI derart weit entwickelt ist, dass sie in der Lage ist, durch einfache Eingaben eines Nutzers oder einer Nutzerin neue Erfindungen zu tätigen, die sich ohne den Einsatz eines KI-Systems für einen Fachmann oder eine Fachfrau nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben?

Eine Patentierbarkeit solcher primär durch öffentlich verfügbare KI getätigten Erfindungen könnte dazu führen, dass in naher Zukunft eine große Anzahl neuer Patente angemeldet und erteilt würden. Ein solches Ergebnis wäre aus wirtschaftlicher und politischer Sicht infrage zu stellen, zumal der Zweck des Patentrechts insbesondere darin besteht, die notwendigen Anreize zu schaffen, damit die für Erfindungen erforderlichen Investitionen getätigt werden. Bei derartigen Erfindungen, die primär durch öffentlich verfügbare KI-Systeme erzielt werden, sind solche Investitionen und damit Anreize eben gerade nicht erforderlich. Aus rechtlicher Sicht werden öffentlich verfügbare KI-Systeme richtigerweise – wie andere allgemein verfügbare Werkzeuge – als Teil des Standes der Technik anzusehen sein. Dies bedeutet, dass eine mit einem öffentlich zugänglichen KI-System getätigte Erfindung nur dann patentierbar ist, wenn sich die Erfindung für einen Fachmann oder eine Fachfrau auch unter Verwendung öffentlich verfügbarer KI-Systeme nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Der Vorteil proprietärer KI-Systeme

Wird eine Erfindung hingegen nicht mit einem öffentlich zugänglichen, sondern mit einem firmeneigenem System von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eines Unternehmens getätigt, so sollte dies die Aussichten auf eine mögliche Patentierbarkeit nicht schmälern. Denn die Tatsache, dass das KI-System nur dem Personal des Unternehmens zugänglich ist, führt gerade nicht dazu, dass der für die erforderliche Erfindungshöhe maßgebliche, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Stand der Technik dadurch verändert wird. Unternehmen, die signifikante Investitionen tätigen, um proprietäre KI-Systeme zu trainieren und zu betreiben, haben daher die Aussicht auf die Erteilung von Patenten für alle mit dem KI-System getätigten Erfindungen.

Eine Frage der Beweislast?

In der Praxis wird sich in Verfahren, in denen das Erreichen der erforderlichen Erfindungshöhe zu beurteilen ist, die Frage stellen, ob zum Zeitpunkt der Patentanmeldung öffentlich verfügbare KI-Systeme existierten, aus denen sich die Erfindung für den Fachmann in naheliegender Weise ergab. Dies ist ein besonders schwieriges Beweisthema, weil öffentlich verfügbare KI-Systeme ständig weiterentwickelt werden und die zwischenzeitigen Entwicklungsstände von den KI-System-Anbietern selten archiviert werden.

Welche Leistungsfähigkeit öffentlich verfügbare KI-Systeme zu welchem Zeitpunkt hatten, wird sich daher häufig nicht beweisen lassen. Ob im konkreten Fall vom Erreichen der erforderlichen Erfindungshöhe auszugehen ist, hängt daher insbesondere auch von der Beweislast ab. Im Rahmen des Anmeldeverfahrens beim Österreichischen Patentamt muss dem Antrag auf Erteilung eines Patentes eine Beschreibung der Erfindung beigelegt werden (§ 89 PatG). In dieser Beschreibung hat der Anmelder den bisherigen Stand der Technik anzugeben (§ 11 Patentamtsverordnung (PAV)). Somit liegt die Beweislast hinsichtlich des Standes der Technik im Zuge der Patentanmeldung fürs Erste beim Anmelder oder bei der Anmelderin.

Dritte können gegen eine Patentanmeldung Einwendungen (§ 101b PatG) und gegen die Erteilung eines Patentes Einspruch (§ 102 PatG) erheben. Gehen Dritte aufgrund des Nichterreichens der Erfindungshöhe gegen eine Patenterteilung vor (§ 102 Abs 2 lit 1 PatG), so gelten im Einspruchsverfahren für die Beweisaufnahme die allgemeinen zivilprozessrechtlichen Vorschriften: Die Partei, die den Einspruch erhebt, muss auch den Beweis dafür erbringen, dass die erforderliche Erfindungshöhe nicht erreicht ist. Entsprechendes gilt auch im Anfechtungsverfahren gegen ein bereits erteiltes Patent (§ 112 ff PatG).

Die rasch zunehmende Möglichkeit, KI-Systeme zur Erzielung technischer Erfindungen zu nutzen, stellt die Praxis vor neue Herausforderungen. Dennoch können auf Basis des bereits geltenden Rechts diese Neuerungen praktikablen Lösungen zugeführt werden. Unternehmen sind jedenfalls gut beraten, KI-Systeme in ihrer Patentstrategie umfassend zu berücksichtigen, um im Nachhinein keine bösen Überraschungen zu erleben. (Lukas Feiler, Michaela Petsche, Marlies Kittinger, 17.8.2023)