Allein dass diese Zusammenkunft im brasilianischen Belém überhaupt über die Bühne ging, wurde im Vorfeld als Erfolg gefeiert. Von Dienstag bis Mittwoch trafen einander die acht Mitglieder der Organisation der Kooperation im Amazonasgebiet (OTCA), um darüber zu beraten, wie der mit Abstand größte Regenwald der Erde besser geschützt werden kann. Am Ende konnte man viele Initiativen verkünden, doch in der Abschlusserklärung fehlen viele zentrale Punkte.

Brasiliens Präsident Lula und weitere Vertreter der Amazonas-Arbeitsgruppe OTCA.
Die Vertreter der OTCA-Staaten in Belém.
AP/Eraldo Peres

Der seit 1. Jänner wieder amtierende brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte das Treffen initiiert. Nachdem sein umstrittener Vorgänger Jair Bolsonaro Brandrodungen und Abholzungen im Regenwald im großen Stil toleriert hatte, setzte sich Lula zu Beginn seiner nun dritten Amtszeit das Ziel, den Umwelt- und Klimaschutz zu stärken. In den vergangenen Monaten ging die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet auch tatsächlich zurück, unter anderem wegen großer Polizeieinsätze unter anderem gegen Holzfäller und Goldsucher. Bis 2030 will Lula die Abholzung dort vollständig stoppen.

"Unser amazonischer Traum"

Die Zeit dränge, sagte Lula nun in Belém mit Blick auf die immer dramatischeren Auswirkungen des Klimawandels und skizzierte seine Version des Regenwalds: "Ein Amazonasgebiet mit grüneren Städten, sauberer Luft, Flüssen ohne Quecksilber und gesundem Wald. Ein Amazonasgebiet mit Essen auf dem Tisch, menschenwürdiger Arbeit und öffentlichen Dienstleistungen, die allen zur Verfügung stehen. Ein Amazonasgebiet mit gesünderen Kindern, willkommenen Migranten, respektierten indigenen Völkern und hoffnungsvolleren jungen Menschen. Das ist unser amazonischer Traum."

Proteste vor dem Treffen der OTCA in Belém.
Indigene und Umweltaktivisten auf den Straßen von Belém.
AFP/EVARISTO SA

Während der Konferenz demonstrierten in Belém tausende Vertreter von indigenen Gruppen im Amazonasgebiet sowie Aktivistinnen und Aktivisten für mehr Klimaschutz. Und die acht OTCA-Staaten Brasilien, Bolivien, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Peru, Suriname und Venezuela einigten sich in ihrer Abschiedserklärung denn auch auf mehrere Initiativen: die Gründung eines gemeinsamen Panels zur Bekämpfung der Abholzung; ein gemeinsames Luftverkehrskontrollsystem, um organisiertes Verbrechen besser bekämpfen zu können; mehr Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Menschenrechte und Wissenschaft; schließlich auch das Bekenntnis, die Rechte indigener Völker zu schützen.

Keine Einigung bei Öl, Gas und Kohle

Doch was fehlt, sind verbindliche gemeinsame Ziele bei der Abholzung im Amazonasgebiet, so wie es sich Brasilien vorgenommen hat. Stattdessen bleibt es jedem Land selbst überlassen, eigene Ziele zu definieren und zu verfolgen. Auch die von Kolumbiens linkem Präsidenten Gustavo Petro eingeforderte Drosselung der Förderung von Öl, Gas und Kohle im Amazonasgebiet fand keinen Platz in der Abschlusserklärung. Gerade in Sachen Öl zeigt sich etwa sein brasilianischer Amtskollege Lula weit weniger streng als bei der Abholzung. Wie so oft also scheitern verbindliche internationale Klimaschutzinitiativen an nationalen Wirtschaftsinteressen.

Dementsprechend enttäuscht zeigten sich die Protestierenden. "Der Planet ist am Schmelzen, wir brechen jeden Tat Temperaturrekorde. Da kann es doch nicht sein, dass die acht Amazonasstaaten es nicht schaffen, in einem Dokument festzuhalten, dass die Abholzung auf null zurückgehen soll", sagte etwa Marcio Astrini von Climate Observatory, einem brasilianischen NGO-Verbund.

Forderung an Industrieländer

Abseits der Abschlusserklärung hatten die OTCA-Staaten noch eine Forderung an die Industrieländer parat. Diese, sagte der bolivianische Präsident Luis Arce, seien schließlich für den Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich, also sollten diese auch mehr unternehmen, um die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds zu verhindern. Und Kolumbiens Staatsoberhaupt Petro forderte von den reichen Staaten, den Amazonasländern die Auslandsschulden zu erlassen, wenn diese Klimaschutzmaßnahmen ergreifen.

In einer am Mittwoch verabschiedeten Erklärung fordert ein Dutzend Länder Finanzierungsmechanismen, um Wälder erhalten zu können. Zudem pochen sie auf das Versprechen reicher Länder, Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden Dollar (91,37 Milliarden Euro) für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Außerdem fordern sie die Industrieländer auf, die Verpflichtung zur Bereitstellung von 200 Milliarden Dollar pro Jahr für die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu erfüllen.

Der Amazonas gilt als "grüne Lunge" der Erde. Der Regenwald bindet große Mengen Kohlendioxid und ist damit von herausragender Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel. Etwa ein Fünftel davon ist bereits zerstört, trotzdem ist er weiterhin größer als die eineinhalbfache Gesamtfläche der EU. Zwei Drittel davon befinden sich auf brasilianischem Staatsgebiet. (ksh, 9.8.2023)