Wien – In einer Aussendung greift die FPÖ Wien Fabian Schmid massiv an. Schmid ist Leitender Redakteur und Investigativjournalist beim STANDARD. Die Wiener Freiheitlichen behaupten, Schmid berichte unrichtig, und schreiben, dass es ihm "vielleicht intellektuell schwerfällt", die Stadtverfassung zu lesen. Der STANDARD-Geschäftsführung unterstellt Michael Stumpf, Landesparteisekretär der Wiener FPÖ, sie lasse "Verdachtsjournalismus betreiben". Fabian Schmid hat über Offenlegungspflichten und Nebeneinkünfte von Stadträten recherchiert, die Wiener FPÖ hat Anfragen des STANDARD dazu nicht beantwortet.

Kotynek: "Einschüchterung geht ins Leere" 

STANDARD-Chefredakteur Martin Kotynek wies den Vorwurf der Falschberichterstattung zurück: "Angriffe von Parteien auf einzelne Journalistinnen und Journalisten sind eine bekannte Strategie, um unliebsame Berichterstattung verhindern zu wollen. Aber auch dieser Versuch der Einschüchterung geht ins Leere." Statt OTS-Meldungen zu verschicken, solle die FPÖ Wien einfach auf die Rechercheanfrage antworten, sagte Kotynek: "Wir halten uns an den Ehrenkodex der Presse und haben auch in diesem Fall vorab Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wie schade, dass diese Möglichkeit nicht genutzt wurde."

Dass die FPÖ Journalistinnen oder Journalisten persönlich angreift, ist nicht neu. FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker bezeichnete vor kurzem dem Journalisten Markus Sulzbacher – er schreibt im STANDARD-Watchblog über Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus – als "linksextremen Aktivisten". Hafenecker ortete auch eine Anti-FPÖ-Schmutzkübelkampagne in der Berichterstattung über Hans-Jörg Jenewein, er griff den "Krone"-Journalisten Christoph Budin in einer Aussendung an. Dem ORF warf Hafenecker im Herbst 2022 vor, dieser betreibe "Islam-Appeasement". Anlass: ORF-Journalistin Katharina Wagner berichtete damals aus Teheran mit einem Kopftuch. 2018 hat der Ring Freiheitlicher Jugend Steiermark mit einer Aktion auf seiner Facebook-Seite eine STANDARD-Redakteurin angegriffen. FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer bezichtigte Hans Bürger (ORF) und Anna Thalhammer ("Profil") wegen ihrer Fragen an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in der ORF-"Pressestunde". Sie hätten dabei laut Amesbauer ein "FPÖ-Bashing" inszeniert.

"Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann", drohte FPÖ-Europaabgeordneter Harald Vilimsky 2019 ORF-Anchorman Armin Wolf, als ihn Wolf mit Ähnlichkeiten eines Plakats der freiheitlichen Jugendorganisation RFJ mit Illustrationen aus dem NS-Propagandablatt "Der Stürmer" konfrontiert hatte. Der von der FPÖ entsandte Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger, verband seine Kritik mit der Berichterstattung des ORF-Korrespondenten Ernst Gelegs über Ungarn mit der Drohung, der ORF solle Korrespondentenbüros schließen. "ZiB 2"-Moderator Wolf empfahl Steger, auf Urlaub zu gehen. Er sprach von "unbotmäßigen" Interviews.

Hausjell: "Geht nie um die jeweilige Person"

Der aktuelle Angriff auf STANDARD-Redakteur Fabian Schmid "liegt auf einer Linie, die wir mit Sorge schon länger beobachten", sagt Fritz Hausjell, er ist Präsident von Reporter ohne Grenzen in Österreich. Diese Linie sei, "dass von der ÖVP und schon von länger von der FPÖ einzelne Medien und einzelne Journalisten öffentlich kritisiert und attackiert werden, mit unterschiedlichen Vorwürfen, etwa sie würden nicht ordentlichen recherchieren oder auch, dass ihre politische Haltung sie disqualifizieren würde. Diese Form der Angriffe ist etwas, was für die Entwicklung der Pressefreiheit grundsätzlich schädlich ist." Laut Hausjell deshalb, "weil es nie um die jeweilige Person" gehe. "Diese Person führt kein öffentliches Amt, sondern sie arbeitet mit Privilegien, die der Journalismus in einer liberalen Demokratie genießt, wie etwa das Redaktionsgeheimnis oder Zugänge zu Informationen und Personen." Es gehe hier "nicht um Privatpersonen, die einen Streit ausfechten", so Hausjell. Von professionellen Politikern dürfe man erwarten, dass sie die Gepflogenheiten kennen und wissen, welche Aufgaben der Presse zukommen, "das darf man auch der FPÖ abverlangen".

Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen in Österreich.
Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen in Österreich.
Foto: APA, Jäger

"Chance vergeigt"

"Die Presseaussendung der FPÖ Wien kommt so daher, als hätte ein Journalist nicht ordentlich gearbeitet. Das ist klar zurückzuweisen, die FPÖ wollte die Anfrage nicht beantworten, sie wird ihre Gründe haben", so Hausjell, "eine Partei ist kein Privatverein – sie bekommt laufend üppige Beträge aus der öffentlichen Parteienförderung und sie hat entsprechende Spielregeln einzuhalten", so Hausjell. Dazu gehöre, dass man der Presse und Journalistinnen und Journalisten gegenüber mit Auskünften zur Verfügung stehe. "Und wenn man sie nicht geben will, dann hat man gefälligst den Mund zu halten, wenn man mit der Berichterstattung nicht zufrieden ist. Weil man dann auch die Chance vergeigt hat, etwas dazu zu sagen."

Dass Angriffe auf Journalisten inzwischen so regelmäßig stattfinden, sei enervierend und für Hausjell strukturell erklärbar. "Politische Parteien – und hier vor allem die FPÖ – leisten sich eigene Medien und attackieren daher den klassischen, unabhängigen Journalismus mit dem Zweck, die eigenen und potenziellen Wählerinnen und Wähler den eigenen Propagandamedien zuzuführen." Auch Daniela Kraus – sie ist Generalsekretärin des Presseclubs Concordia – sieht in der Aussendung der FPÖ Wien eine "völlig überzogene Reaktion". Es sei "eine Unsitte, dass politische Parteien einzelne Journalisten angreifen, statt sachlich zu antworten". (red, 9.8.2023)