Gerhard Polt
Gerhard Polt (Zweiter von rechts) und die Gebrüder Well haben auch böse Gstanzln über österreichische Politiker im Programm.
Hans Peter Hösl

Es beginnt mit dem Anfang, und die Geschichte stammt aus uralten Zeiten. Sie ist bei wechselndem Personal eh immer dieselbe. Die drei aus dem tiefsten Bayern stammenden musikalischen Wehrbauern, die Brüder Karl, Stofferl und Michael Well, singen Gstanzln über rechtsrechte Politiker und Anhänger von Entwurmungsmitteln für Pferde. Und sie singen davon, dass wir Österreicher irgendwann einmal, wenn dereinst vielleicht der schönste ehemalige Finanzminister der Welt als verurteilter Straftäter doch noch einsitzen geht, ein gewisses Verständnis für den Begriff der Ewigkeit entwickeln könnten.

Kurz (nein, der kommt heute nicht vor), es geht um die Dummheit. Oder besser, es geht um den Begriff des zum Modewort gewordenen "Normalen". Normal nämlich ist das alles nicht mehr. Am ersten von zwei Abenden im Theater im Park im Schwarzenberggarten am Belvedere muss Gerhard Polt jetzt auch noch etwas sagen dürfen. Auch ihm reichen die Verhältnisse.

Im Fernsehen schikanieren Minderheiten die Mehrheiten, mit Gammelfleischdokumentationen wollen die Körndlfresser und Linken zwangsveganisieren. Sie verderben uns den Schnitzelgenuss insofern, als man schon beim Anblick von so einem Bröselteppich derart traumatisiert wird, dass man zum Psychologen muss. Die Klimakleber nehmen keinerlei Rücksicht darauf, dass es tausende und abertausende Menschen bei uns gibt, "denen es pressiert".

In Berlin behaupten Wildschweine, Löwen zu sein. Auch nicht ortsansässige Bären und Wölfe marodieren plötzlich durch die Wälder und Städte und wollen der Mehrheit ihre Minderheit oktroyieren. Das mit dem Ausgrenzen von anderen, zu denen natürlich auch Fremde gehören, ist überhaupt so eine Sache: "Es wird ja kein Mensch bei uns gezwungen, eine Minderheit zu sein. Jeder kann sich der Mehrheit anschließen."

Die Toten Hosen
Breiti, Campino und Andi von den Toten Hosen im Juli in gewohnter Arbeitsmontur bei einem Konzert in Bern. In Wien trug man teilweise bayerische Tracht und spielte auf akustischen Instrumenten.
EPA/ANTHONY ANEX

Auf der Bühne steht auch die Düsseldorfer Punkband Die Toten Hosen, die wohl auch für die Grundfarbe Schwarz im Publikum und einen guten Umsatz im Gastronomiebereich sorgt. Zwei der fünf Preußen stecken in bayerischen Sepplhosen und drei von fünf in Trachtenjankern. Da ist sich auch Gerhard Polt ein wenig unsicher, ob das nicht zu viel an Mehrheit in seiner Heimat bedeutet: "Sie kommen zu uns und behaupten auch noch frech, sie wären wir!" Oder wie es Methusalix einst im Asterix-Band Das Geschenk Cäsars auf den Punkt brachte: "Ich hab' nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier!"

Apropos Asterix und Häuptlingsgattin Gutemiene (sie kommt heute nicht vor): Die mit allen musikalischen Wassern gewaschenen Well-Brüder spielen mit guter Miene auf ihren diversen, einen ganzen Kleintransporter füllenden Instrumenten wie Harfe, Tuba, Trompete und später auch noch Alphörnern tapfer bei den für ein linkes Bierzelt wie die Faust aufs Auge passenden Schlagern der Toten Hosen wie Entschuldigung, es tut uns leid!, Liebeslied oder Wünsch dir was mit. Mit den Hosen sind sie seit 40 Jahren befreundet. Die rheinischen Frohnaturen bemühen sich dafür – mit ungewohnten Akustikgitarren, Sänger Campino an der Trompete und später im Andachtsjodler Alperer am Alphorn – beim sensationell lustigen neuen Skihüttenklassiker Alpinismo Tropical mitzuhalten.

Darin beschwören die Gebrüder Well im kubanischen Salsa-Fach eine dank des Klimas ziemlich heiße Tourismusbergwelt der nahen Zukunft, in der man höchstens noch auf Hangrutschen, Moränen oder Frühjahrslawinen snowboarden kann. Gerhard Polt erklärt als bäriger Fremdenverkehrsobmann neue Extremsportarten wie ein Survivaltraining mit Nahtoderlebnis und eigenem Lawinen-Miethund.

Das Lawinderl und der Willi

Neben dem Lawinderl von Polt darf natürlich auch der gute alte Willi nicht fehlen. Es geht weiters um die Rechristianisierung Bayerns durch indische Pfarrer und um Fernreisen und Tafelspitz vom aussterbenden Komodowaran und darum, dass als Ersatz ein Grillgut bei den Menschenfressern auch nur nach Hendl schmeckt: "Aber die Menschenfresser sind zumindest schon katholisch." Und sie trommeln zu Ehren der von weit her angereisten Gäste das Kufsteinlied. Gerhard Polt gibt im Fernfahrer-Hit Dong Dong Dong den Country-'n'-Western-Star Horst, der 70 im Lastwagen versteckte "Asylanten" nach Norddeutschland zu einem fleischverarbeitenden Großbetrieb bringen muss.

Gegen Ende wird ein vergessenes bayerisches Volksmusikinstrument vorgestellt, ein mit Tuch bespannter Schmalztopf, in dessen Mitte in einem kleinen Loch ein Kochlöffel steckt. Man kann den "Brummtopf" in heftiger Auf-und-ab-Bewegung mit der Hand am Löffel zum Grummeln der Kleinen Nachtmusik von Wolfgang Amadeus Mozart bringen. Eine ideale Beschäftigung für angehende katholische Priester oder Rockstars vor einem Konzert, um ihre Sexualität unter Kontrolle zu bringen.

Florian Silbereisen und Andreas Gabalier mögen die Bayern da oben auf der Bühne übrigens nicht so. Lieber tut man zu Jimi Hendrix und dem 1977 gestorbenen bayerischen Volkssänger Kraudn Sepp schuhplatteln. Am Ende kommt natürlich in einem Akt kultureller Aneignung Gerhard Polts Fake-Afrika-Klassiker Mambele. Mit Bommerlunder von den Toten Hosen setzt der Kehraus ein. Das besungene "Wochenend im Altersheim" dauerte über zwei Stunden. Der Abend der rüstigen Herrschaften unter dem Motto Forevereine kulturelle Zumutung war äußerst leiwand. Ganz am Ende gibt Gerhard Polt in Frack und mit Zylinder den anlassigen G'schamster-Diener-Buffo aus der goldenen Zeit der Wiener Operette. Zum Weinen schön. (Christian Schachinger, 10.8.2023)