Opposition oder Regierung
Nationalratssitzungssaal mit Abgeordnetenreihen und Regierungsbank
Harte Oppositionsbänke, begehrte Regierungsbank im Parlament: Mehrheit will die Freiheitlichen von der Regierung fernhalten.
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Linz – Tief sitzender Pessimismus und schwere Zweifel an der Entwicklung, die Österreich derzeit nimmt, prägen das aktuelle Meinungsklima. Und das nützt vorrangig der FPÖ, die weit vor allen anderen Parteien die August-Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD beherrscht. Derzeit bekunden nur 29 Prozent der Wahlberechtigten Optimismus für die nächsten Monate, und selbst die unerschütterlichen Optimisten sehen mehrheitlich eine falsche Entwicklung für unser Land.

Würde jetzt – und nicht erst zum vorgesehenen Termin im Herbst 2024 – ein neuer Nationalrat gewählt, so könnte die FPÖ mit 28 Prozent der Stimmen rechnen und damit stärkste Partei in der nächsten Legislaturperiode werden.

ÖVP und SPÖ wären laut Market-Hochrechnung deutlich dahinter – beide weit abgeschlagen: Mit 22 Prozent liegt die SPÖ jetzt knapp vor der Kanzlerpartei ÖVP (21 Prozent). Die Grünen mit elf und die Neos mit zehn Prozent machen die Reihen der derzeitigen Nationalratsparteien komplett – was acht Prozent für weitere Kleinparteien lässt. Laut Market-Wahlforscher David Pfarrhofer könnte die Bierpartei mit vier Prozent ihre Chancen auf einen Parlamentseinzug wahren, und die KPÖ ist nach ihren jüngsten Erfolgen bei Landtagswahlen mit drei Prozent nicht weit davon entfernt – während die Impfkritiker-Partei MFG inzwischen bedeutungslos ist.

Ein Blick in die Rohdaten zeigt, dass die Bierpartei sehr viele Wahlberechtigte unter 30 Jahren ansprechen kann. In dieser Wählergruppe liegt die Bierpartei auf einem ähnlichen Niveau wie die ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ – nur die FPÖ kann bei Jungen stärker punkten. Was die Analyse der Rohdaten ebenfalls zeigt: Die SPÖ bekommt besonders viel Zustimmung in Wien, die FPÖ hat ihre höchsten Bekennerquoten in den Mittelstädten, die Grünen punkten eher im städtischen Bereich. Und die ÖVP ist – verglichen mit ihren Ergebnissen vor vier Jahren – überall schwach.

Junge Fans der Bierpartei

Im Auftrag des STANDARD stellt Market auch immer die Kanzlerfrage: "Wenn Sie den österreichischen Bundeskanzler direkt wählen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?" Hier liegt FPÖ-Chef Herbert Kickl mit 19 Prozent Zustimmung knapp vor Amtsinhaber Karl Nehammer und deutlich vor dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. Auffallend: Bierpartei-Chef Dominik Wlazny (alias Marco Pogo) wird von sieben Prozent als Kanzler gewünscht, von Jungwählern erhält er die meisten Nennungen, von Wahlberechtigten über 50 kaum welche. Bei den Befragten unter 30 ist Wlazny der populärste Kanzleramtsanwärter – und im Bundesschnitt liegt er vor Beate Meinl-Reisinger (sechs Prozent) und Vizekanzler Werner Kogler (fünf).

Es gibt aber mehr Pessimisten als Optimisten. Auf die Frage "Sehen Sie der nahen Zukunft mit Optimismus und Zuversicht oder eher mit Skepsis bzw. Pessimismus entgegen?" bekennen sich 41 Prozent als Pessimisten und nur 29 Prozent als Optimisten (ebenso viele sind unentschlossen). In der Gefolgschaft der FPÖ sind nur 14 Prozent Optimisten und 66 Prozent Pessimisten. Mehrheitlich optimistisch sind ÖVP-, Grün- und Neos-Wähler.

Noch härter wird das Urteil, wenn es darum geht, ob sich "die Dinge in Österreich zurzeit eher in die richtige oder eher in die falsche Richtung entwickeln": 70 Prozent sagen, dass sich die Dinge eher falsch entwickeln. Und das sagen mehrheitlich auch die Anhänger der Regierungsparteien – in deren Anhängerschaft gibt es jedoch immerhin ein knappes Drittel, das eine positive Entwicklung sieht. In der Gesamtheit der Wahlberechtigten sind es allerdings nur 13 Prozent, die eine gute Entwicklung unseres Landes sehen. Die übrigen 17 Prozent sind unentschlossen.

Koalitionsüberlegungen

"Für die Bildung einer Regierung sind ja zumindest zwei Parteien nötig. Welche Parteien sollen mit Ministern in der Regierung vertreten sein, welche Parteien sollen Ihrer Meinung nach nicht in der Regierung vertreten sein?" Auch diese Frage legte Market im Auftrag des STANDARD den 805 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten in der August-Umfrage vor. Daraufhin nannten 57 Prozent die SPÖ, 45 Prozent die ÖVP als gewünschte Regierungspartei. Auch hier lohnt sich ein Blick in die Details: So gibt es in allen Altersgruppen eine Mehrheit für eine Regierung unter Einbeziehung der SPÖ – ebenso in allen Parteiwählerschaften, außer in jener der FPÖ. Die ÖVP wird (außer von ihren eigenen Wählern) vor allem von Neos- und FPÖ-Anhängern in der Regierung gewünscht. Die Wählerschaft der SPÖ ist mehrheitlich gegen eine Regierungsbeteiligung der ÖVP. Auch die Wahlberechtigten unter 50 wünschen sich mehrheitlich eine Oppositionsrolle für die ÖVP.

Der FPÖ schlägt die breiteste Ablehnung entgegen: 52 Prozent wollen sie von Regierungsverantwortung fernhalten, 36 Prozent wünschen sie sich in der Regierung. In allen Parteiwählerschaften (außer jener der Freiheitlichen) gibt es große Mehrheiten gegen eine blaue Regierungsbeteiligung: Am stärksten ist die Gegnerschaft bei SPÖ-, Grün- und Neos-Anhängern, aber auch zwei Drittel der ÖVP-Anhängerschaft sind gegen eine Koalition unter Einschluss der FPÖ. Insgesamt wollen 52 Prozent kein Mitregieren der Freiheitlichen. Zum Vergleich: Im Herbst 2017, kurz vor der Bildung der Regierung Kurz I, wollten 60 Prozent der Befragten die FPÖ in der Regierung – vor der Wahl 2019 hatte sich das gedreht: Damals wollten nur 23 Prozent eine neuerliche blaue Regierungsbeteiligung.

37 Prozent wollen nach der nächsten Wahl die Grünen weiter in der Regierung haben, im Herbst 2019 waren es 63 Prozent. Die SPÖ- und die Neos-Anhängerschaft sind mehrheitlich dafür, dass die Grünen weiter regieren können. 39 Prozent wollen auch die Neos in der Regierung – besonders die Grünen- und SPÖ-Anhänger. (Conrad Seidl, 13.8.2023)