Im Gastblog setzt sich Rika Diana Mader, Vorständin von Sorority, genauer mit der generalisierenden Unterstellung auseinander und zeigt, warum sie ein tieferliegendes Problem birgt.

Viel zu oft sehen sich Frauen beziehungsweise Menstruierende mit folgender pseudo-lustigen Frage konfrontiert. "Hast du deine Tage, oder was?", wird gefragt, wenn sie beispielsweise eine Meinung lautstark vertreten. Die Frage soll provozieren, die befragte Person unbeherrscht erscheinen lassen oder von wichtig(er)en Themen ablenken. Sie ermöglicht es den Fragenden, keine Verantwortung für das eigene Benehmen übernehmen zu müssen. Denn es war meist nur als "Witz" gemeint. Ein einfacher Weg, die eigene Unsicherheit zu verbergen.

Frau und zwei Männer in der Arbeit, Streit
Die als "Witz" formulierte Frage dient dazu, die andere Person abzuwerten und das eigene Verhalten unangreifbar zu machen.
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Geschichte der Periode und Ursprung des Problems

Um den weiblichen Körper und somit die Monatsblutung kursierten lange Zeit in der Menschheitsgeschichte viele Mythen und Tabus, die zur Stigmatisierung eines überlebensnotwendigen Vorganges führten. Es gab kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, was im Körper während der Monatsblutung passiert, jedoch viele Mutmaßungen, Spekulationen und Abwertungen. Bis ins 20. Jahrhundert wurde dem Menstruationsblut beispielsweise nachgesagt, dass es giftig sei.

Warum damals wie heute ausschließlich Personen mit Gebärmutter "Hysterie" attestiert wurde und wird, ist außerdem fraglich. Tatsache ist, dass Frauen beziehungsweise Menstruierende sich lieber seit jeher ruhig und zurückhaltend verhalten sollten, da sonst mit ihnen "etwas nicht stimmt".

Das gravierende Problem dabei: Dieses reduktive Denkmuster trägt zur Verstärkung von Stereotypen bei. Das Denkmuster, das daraus entsteht: Frauen beziehungsweise Menstruierende seien ruhig und zurückhaltend, Männer wiederum laut und dominant.

Fehlende Forschung trifft auf gefährliches Halbwissen

Sexismus, Scham und Komplexität der Materie beeinflussen die Forschung und Bildung rund um die Periode bis heute. Das führt dazu, dass viele Menschen nach wie vor ein unvollständiges Wissen über die Menstruation und den Zyklus haben. Erst seit dem Jahr 2022 gibt es eine EU-Verordnung, in der es heißt, dass klinische Studien verpflichtend eine repräsentative Geschlechter- und Altersgruppenverteilung haben müssen. Lange Zeit dominierten hauptsächlich Männer den wissenschaftlichen Diskurs, und es wurde vorwiegend nur an männlichen Versuchstieren geforscht – das weibliche Versuchstier galt als Sonderform.

" Es existieren fünfmal mehr Studien über erektile Dysfunktion als über das prämenstruelle Syndrom ( PMS)." – Erdbeerwoche (Aufklärungsplattform zum Thema Menstruation) 

In Zahlen: 19 Prozent der Menschen mit Penis haben Erektionsprobleme. 90 Prozent der Menstruierenden leiden wiederum an PMS. Diese Gender-Health-Gap (Gesundheitslücke) wird noch sichtbarer, wenn man sich Studien zu Zykluskrankheiten wie Endometriose anschaut. Wenn auch solche bis dato kaum vorhanden sind.

Erschreckende Umfrageergebnisse der letzten Jahre

Die Erdbeerwoche hat im Zuge mehrerer Umfragen erhoben, dass über 95 Prozent der menstruierenden Personen Beschwerden vor oder während der Menstruation haben. Auch Plan International hat 2023 eine Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis: 71 Prozent der Frauen müssen wegen Beschwerden ihre Aktivitäten zyklusbedingt im Alltag einschränken. 78 Prozent der Befragten empfinden es jedoch als unangemessen, sich wegen starker Periodenschmerzen oder anderer Zyklusbeschwerden krankzumelden. Auch wenn es ihnen nicht gut geht.

Gleichberechtigung und Entstigmatisierung

Das wiederholte Stellen der Frage "Hast du deine Tage?" kann Frauen beziehungsweise menstruierenden Personen das Gefühl geben, dass ihre Schmerzen, Emotionen und Meinungen nicht ernst genommen werden. Es trägt zur Herabwürdigung dieser Personen bei und fördert die Unterstellung, dass ihre Empfindungen nicht rational wären. Dies kann dazu führen, dass sie ihre eigenen Wahrnehmungen infrage stellen und ihr Selbstbewusstsein sinkt.

Doch es ist nicht die Aufgabe von Frauen beziehungsweise Menstruierenden, ihre Mitmenschen über Ungereimtheiten zu Bullshit-Parolen wie diesen aufzuklären. Sie sind es, die Diskriminierung erfahren, wenn sie nicht ins patriarchale System "passen". Das Verständnis ist groß, wenn jemand wegen Schnupfens zu Hause bleibt. Regelschmerzen wiederum sorgen für Empörung. Die Tabuisierung und Stigmatisierung der Periode kann so zu großem Leid führen.

Die Gesundheit von Jugendlichen, die sich Periodenprodukte kaum leisten können oder über Menstruationsprobleme nicht sprechen, leidet darunter. Daher gilt es, bestehenden stereotypen Bildern neue Bilder entgegenzustellen und so Fehlinformationen und Diskriminierungen respektvoll zu beseitigen.

Die Frage "Hast du deine Tage?" mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, aber sie hat tiefgreifende Auswirkungen auf die erwerbstätige Gesellschaft, die Gesundheit von Mädchen, Frauen und Menstruierenden sowie auf Machtverhältnisse im Allgemeinen. Ein respektvoller(er) Umgang kann zur Gleichberechtigung beitragen. (Rika Diana Mader, 24.8.2023)