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Eine von "Eye Studio" produzierte 3D-Barbie in Godzilla-Größe stapft in sozialen Medien virtuell nahe dem Burj al-Khalifa durch Dubai. In der arabischen Welt gibt es Kontroversen um den Film.
IMAGO/Cover-Images

Auch in der arabischen und islamischen Welt mag es kritische Eltern geben, die die Puppe Barbie deshalb ablehnen, weil sie ihren Töchtern ein jenseitiges Körperbild und ein überholtes Selbstverständnis vermitteln könnte. Die Betroffenen können im Fall des Films Barbie aber auf einen über jeden Zweifel erhabenen Fan verweisen: Malala Yousafzai, die mittlerweile 26 Jahre alte Friedensnobelpreisträgerin aus Pakistan, auf die wegen ihres Engagements für die Ausbildung von Mädchen ein Attentat verübt wurde, ließ sich nach dem Kinobesuch sogar in Barbie-Pink-Aufmachung fotografieren.

Der als Komödie angelegte Kassenschlager Barbie (Buch und Regie von Greta Gerwig) stößt jedoch in islamisch geprägten Gesellschaften – und bei Reaktionären weltweit – aus anderen Gründen auf Widerstand. Am deutlichsten meldete sich diese Woche der libanesische Kulturminister Mohammed al-Mortada zu Wort, der von den zuständigen Sicherheitsbehörden ein Verbot des Films verlangte. Barbie "widerspricht der Moral und den Werten des Glaubens und den etablierten Prinzipien im Libanon", sagte der Jurist, der in hohen Positionen gedient hat und auf einem Ticket der schiitischen Partei Amal Minister wurde.

Vater infrage gestellt

Nicht nur im Libanon werden westliche Produktionen auf LGTBIQ-Inhalte gescreent und gegebenenfalls verboten oder purifiziert. Barbie, sagt Mortada, bewerbe "Homosexualität und sexuelle Transformation". Aber nicht nur das, der Film "stellt die Führung des Vaters infrage, mache die Rolle der Mutter klein und lächerlich und hinterfragt die Notwendigkeit, zu heiraten und eine Familie zu haben".

Was arabische Staaten betrifft, ging der Filmstart nur in Tunesien und in Marokko am 20. Juli vonstatten, in den meisten anderen wurde er erst einmal auf den 31. August verschoben. Inzwischen haben jedoch etliche Behörden ihr Okay gegeben, mit einer Altersgrenze von 18 Jahren, wie in Ägypten. In Saudi-Arabien kam Barbie am Donnerstag ins Kino, auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar haben ihn inzwischen abgenickt. Diskussionen gab es zudem in Kuwait, Jordanien, Oman und Bahrain.

Man sollte auch nicht erwarten, dass diese Debatten – und die Versuche, den Film zu verbieten – damit vom Tisch sind. Islamistische Aktivisten und Aktivistinnen sind immer wieder sehr findig dabei, die Justiz zum "Schutz der Gesellschaft" einzuschalten. Oft setzt die Aufregung erst verspätet ein.

Ende des offenen Libanon

Während ausgerechnet konservative Golfstaaten, die verstärkt westliche Unterhaltungsindustrie zulassen, nolens volens mitziehen, ist die reaktionäre Wende im einstmals offenen Libanon auffällig. Dort gibt es eigentlich mehr westlich gestylte Frauen als irgendwo anders in der arabischen Welt. Auch Homosexualität war jahrzehntelang kein Thema. Dass die islamischen Schrauben angezogen werden, zeigte sich 2019 beim Auftrittsverbot beim Byblos-Festival für den queeren Sänger Hamed Sinno und seine (2022 aufgelöste) Band Mashrou’ Leila, die ursprünglich aus dem Libanon stammt. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sei der Meinung, vermeldet Naharnet, dass eine Person bereits für einen einzigen homosexuellen Akt getötet werden müsse.

Disneys Computeranimationsfilm Lightyear wurde aber unter anderem auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Saudi-Arabien und Ägypten wegen einer gleichgeschlechtlichen Kussszene verboten. Ein weiteres Opfer ist Spider-Man: Across the Spider-Verse, etwa in den VAE und Saudi-Arabien. In dem Film ist die Regenbogenfahne zu sehen.

Im Libanon sind die Reaktionen bitter-sarkastisch, angesichts der Situation des wirtschaftlich und finanziell am Abgrund stehenden Landes. The New Arab zitiert Karim Bitar, einen Politikwissenschafter an der Université Saint Joseph in Beirut: "Bigotte Kleriker aller Konfessionen" würden sich zusammenfinden, wenn es darum gehe, den Menschen zu diktieren, was sie kulturell konsumieren dürften.

Trojanisches Pferd

Am Film Barbie stört die Reaktionäre weltweit nicht die Puppe an sich, sondern der Umstand, dass sie selbst die ihr als Spielzeug zugedachte Rolle als lächerlich erkennt. Die Barbie-Puppe galt antiwestlichen Regimen, etwa ganz stark jenem im Iran, aber immer schon als eine Art trojanisches Pferd, in dessen Inneren sich der westliche Kulturimperialismus verberge. Im Mehrjahresabstand gibt es im Iran Verbotskampagnen, bei denen Spielzeuggeschäfte ins Visier der Behörden geraten. An der Frauenkleidung trägt das iranische Regime heute mehr denn je seinen Kulturkampf aus. Das bezahlen Frauen, die sich wehren, sogar mit dem Leben, wie der Fall Mahsa Amini vor fast einem Jahr gezeigt hat.

Auf Plastikpuppen wird aber auch in islamisch geprägten Mädchenzimmern nicht verzichtet, schon vor Jahren kamen die ersten kulturell angepassten Modelle heraus, "Fulla" etwa, die – kommerziell nicht sehr erfolgreiche – "Sara" im Iran oder die "Hijarbies" (von Hijab, Kopftuch) einer nigerianischen Künstlerin. 2017 stieg auch der Barbie-Produzent Mattel darauf ein und modellierte eine Puppe nach der US-Fechterin Ibtihaj Muhammad, die einen Hijab trägt. (Gudrun Harrer, 11.8.2023)