Erst im vergangenen Oktober musste sich der mutmaßliche Kontaktmann des Wiener Attentäters wegen radikaler Predigten auf seinem Smartphone vor Gericht verantworten.
Christian Fischer

Auf der Gefährderliste des österreichischen Staatsschutzes hat A. G. seit Jahren einen Stammplatz. Die Deradikalisierungsstelle Derad bezeichnete den 25-jährigen Nordmazedonier einmal als "Alphatier" der jihadistischen Szene in St. Pölten. Ermittler vermuteten, dass unter anderem er für die "fortschreitende Radikalisierung" des Wiener Attentäters verantwortlich gewesen sein könnte, der am 2. November 2020 bei einem Terroranschlag vier Menschen erschossen und etliche weitere verletzt hatte. Eine direkte Beteiligung am Anschlag konnte A. G. aber nie nachgewiesen werden.

Allerdings soll er in einer eigens angemieteten Wohnung in St. Pölten radikale Predigten vor Gleichgesinnten gehalten haben. Auch der Attentäter dürfte knapp vor dem Anschlag dort gewesen sein. Für seine angeblichen Umtriebe in besagter Wohnung fasste A. G. im Oktober vergangenen Jahres eine Haftstrafe von 19 Monaten wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation aus, die nach einer Berufung der Staatsanwaltschaft auf 27 Monate erhöht worden war. Hinzu kamen dann noch einige Monate wegen Fahrraddiebstählen. Der Richter ließ in seinem Statement am Ende des Prozesses dann keinerlei Zweifel aufkommen, wie A. G. seiner Meinung nach einzuordnen ist: "Sie sind ein IS-Mann, davon sind wir überzeugt."

Nun soll A. G. bald abgeschoben werden. Das zeigen gemeinsame Recherchen von STANDARD, Puls 24 und der APA. Aktuell befinde sich der Jihadist deshalb in der Justizanstalt St. Pölten in Haft, bis die Abschiebung vollzogen werden könne. Gegen den Jihadisten sei zudem ein zehnjähriges Einreiseverbot verhängt worden.

Der gebürtige Nordmazedonier war kurz nach dem Anschlag in Wien am 3. November verhaftet worden und saß bis zu seinem Prozess fast zwei Jahre in Untersuchungshaft in Wien. Danach befand sich A. G. mit einer Fußfessel in Freiheit – bis vor kurzem. Durch die Rückkehrentscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und durch das Einreiseverbot sei von der Justiz der "Hausarrest" mit Fußfessel widerrufen worden. Aus Staatsschutzkreisen war zudem zu hören, dass sich der junge Mann längst wieder konspirativ mit Gleichgesinnten getroffen haben soll. Das spielte für die jüngste Entscheidung aber keine Rolle.

Ein Sprecher des Innenministeriums kann die Recherchen aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht bestätigen. In der Justizanstalt St. Pölten will man die Informationen bisher "weder bestätigen noch dementieren". Sein Anwalt war für den STANDARD nicht erreichbar.

"Aufstrebender jihadistischer Prediger"

In einem Gerichtsgutachten des deutschen Islamwissenschafters Guido Steinberg wird A. G. jedenfalls als "aufstrebender jihadistischer Prediger" beschrieben, der am Beginn seiner Karriere stehe. Anhand von Chats und Memos auf seinem sichergestellten Smartphone wird in dem Gutachten angenommen, dass der Nordmazedonier ab Juli 2020 in einer Wohnung in St. Pölten gepredigt und unterrichtet hatte. Mutmaßlich dürfte eine größere einschlägige Gruppe an den Veranstaltungen teilgenommen haben.

In einem abgespeicherten Text für eine Freitagspredigt vom 30.10.2020, also wenige Tage vor dem Terroranschlag in Wien, soll gemäß dem Gutachten "unverschlüsselt" zum Jihad gegen die "Ungläubigen" aufgerufen werden. Ob A. G. Predigten wie diese tatsächlich vor Publikum gehalten hat, konnte vor Gericht aber nicht lückenlos aufgeklärt werden. Der junge Mann stritt die Vorwürfe gegen ihn stets ab.

A. G. fiel den Behörden aber unter anderem schon im Jahr 2016 auf. Und zwar als Teil einer Gruppierung in St. Pölten, die im Gebetsraum der Universitätsklinik St. Pölten versucht haben soll, für die Terroristen des sogenannten "Islamischen Staats" zu rekrutieren. Im Zuge der Ermittlungen konnte auch reichlich IS-Propagandamaterial bei A. G. gefunden werden. Vom Vorwurf der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation wurde er damals vor einem Jugendschöffengericht allerdings noch freigesprochen. (Jan Michael Marchart, 11.8.2023)