Auf dem Bild ist die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm zu sehen - und neben ihr der Autor der Jugendstudie, Bernhard Heinzelmaier.
Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) und Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier präsentierten am Donnerstag den neuen Jugendbericht. Der Studienautor trug ein T-Shirt, das zu unterschiedlichen Lesarten führte.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Nicht das, was er über Österreichs Jugend sagte, sondern sein T-Shirt geriet – zuerst auf X (vormals Twitter), dann auch bei den Grünen – ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die dem am Donnerstag präsentierten "8. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich" zuteilwerden sollte. Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier hatte bei der Pressekonferenz mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) ein schwarzes Leiberl getragen, auf dem drei Zeichen zu sehen waren, die für Aufregung sorgten.

So twitterte unter anderen die ehemalige langjährige Leiterin des BVT-Extremismusreferats, Sibylle Geißler, die im Jänner 2021 in den Ruhestand trat, Folgendes:

DER STANDARD fragte bei Bernhard Weidinger, Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), nach, was auf dem T-Shirt zu sehen ist, vor allem, ob es sich um strafbare Zeichen, Symbole oder Buchstaben handle. Faktum ist, dass eine Sig- und eine Tyr-Rune zu erkennen waren – "beide sind in extrem rechten Kreisen öfter in Gebrauch und wurden auch in der NS-Zeit benutzt", erklärt Weidinger. Die SS etwa wurde mit zwei Sig-Runen dargestellt. Die einzelne Sig-Rune war das Zeichen des Deutschen Jungvolks in der Hitlerjugend. Auch die Tyr-Rune war ein Erkennungszeichen der Hitlerjugend.

Welche Zeichen in Österreich verboten sind, ist auf der hier verlinkten Abbildung zu sehen.

Was aber, wenn diese beiden Runen in irgendeiner Form nun auf einem T-Shirt vorkommen? "In einem politischen Kontext, etwa wenn man eine Partei gründet und Sig oder Tyr als ihr Logo wählt, wäre es ein Problem. Ein in Runenoptik gehaltener Schriftzug einer Band ist rechtlich noch nicht problematisch, wenn die Band ansonsten, etwa in ihren Texten, nicht einschlägig auffällt", sagt Weidinger. Das T-Shirt sei wohl eher vor allem provokant gemeint, zumal der Bedeutungshorizont der Runen dem Träger wie dem Publikum bekannt sein dürfte bzw. ist.

Laut Weidinger gibt es nicht nur in rechtsextremen Kreisen ein einschlägiges Interesse für diese Runen, sondern auch in anderen Kreisen, "die sich in dieser germanischen Symbolwelt bewegen", oft auch esoterisch angehaucht: "Leute, die neopaganistisch unterwegs sind und sich als Neuheiden verstehen oder die Thors Hammer um den Hals tragen, weil das ihre Religion ist. Da ist klar, dass das nicht verboten ist." Es sei also immer auch kontextabhängig, wie ein und dieselbe Rune gelesen und verstanden werden kann.

Auf der Ex-Twitter-Plattform X hat Weidinger dann noch eine ausführlichere Darstellung der Thematik formuliert, die Sie hier nachlesen können:

Provokation oder Fanartikel?

Aber wie hat es denn der Träger selbst "gelesen"? DER STANDARD erreichte Bernhard Heinzelmaier und fragte ihn, welche Botschaft denn nun auf seinem T-Shirt, das zur Hälfte von seiner Jacke verdeckt war, stand. Lachen am anderen Ende der Leitung: "Das ist ein T-Shirt einer österreichischen Wiking-Metal-Band namens Steinalt", erklärt der Jugendforscher. Sichtbar waren also nur die ersten drei Buchstaben der Band. Laut ihm sind die Musiker, denen er mit dem auf großer Bühne getragenen T-Shirt "nur etwas Bekanntheit verschaffen wollte", aus dem "sozialpädagogischen Bereich und auch in ihrer Musik besonders engagiert für Klimaschutz und soziale Fragen".

Frage an Heinzlmaier, warum er das T-Shirt überhaupt getragen hat. Wollte er damit bewusst provozieren? Hat er es mit Absicht angezogen, ahnend, dass die Zeichen für Wirbel sorgen würden? "Überhaupt nicht. Warum sollte ich provozieren? Wer mich kennt, weiß, dass ich fast täglich ein anderes Metal-T-Shirt anhabe, weil ich ein Metal-Fan bin. Es gibt im Internet genügend Fotos von mir, auf denen ich Metal-T-Shirts anhabe. Das ist ganz einfach. Das ist meine Musikvorliebe, und ich trage das gern. Das ist einfach so. Mehr steckt da nicht dahinter", sagt Heinzelmaier. "Ich will niemanden provozieren. Das muss man heute auch gar nicht mehr wollen – es fühlt sich ja eh jeder provoziert. Das zeigt eigentlich nur die Inkompetenz der Leute, die sich darüber aufregen. Man sollte sich so was halt doch genauer anschauen, bevor man sich empört und Menschen damit wirklich verunglimpft durch solche Unterstellungen, indem man sie in so ein Licht rückt. Das sollte man eigentlich vermeiden." Leid tue ihm der Wirbel vor allem für die Band, die damit in ein komplett falsches Eck gerückt werde.

Grüne prüfen Sachverhaltsdarstellung

Die Grünen halten die Sache jedenfalls für so problematisch, dass sie eine "Sachverhaltsdarstellung" prüfen, kündigte Generalsekretärin Olga Voglauer am Freitag an. Der Jugendforscher habe bei der Pressekonferenz mit der Jugendstaatssekretärin "offen bei Rechtsextremen beliebte Symbole auf seiner Kleidung" getragen, hieß es in einer Aussendung. "Dass es sich dabei um das Logo einer Band handeln soll, ändert nichts an der Tatsache, dass sich NS-Organisationen ebendieser Symbole bedient haben und Rechtsextreme dies heute immer noch tun. Wir halten es für hochproblematisch, wenn die Jugendstaatssekretärin dem Spiel mit rechtsextremen Codes eine Bühne bietet. Sie muss sich die Frage gefallen lassen, ob das 'normal' ist“, kommentierte die grüne Generalsekretärin.

Die kleinere Regierungspartei will auch eine parlamentarische Anfrage "bezüglich laufender Aufträge aus dem Bundeskanzleramt an Bernhard Heinzlmaier“ einbringen. Voglauer begründet dies auch mit medialen Äußerungen des Jugendforschers: "Dass Heinzlmaier unter anderem in einem Interview mit dem rechten Medium 'Zur Zeit' die FPÖ bejubelt, passt nur zu gut ins Gesamtbild." Es sei "jedenfalls inakzeptabel, dass solche Symbole in Österreich offen zur Schau getragen werden. Dass dies auch noch im Bundeskanzleramt geschehen ist, ist einer Demokratie unwürdig."

Verwunderung im Jugendstaatssekretariat

In Plakolms Staatssekretariat zeigte man sich "verwundert" über den "Ton der Grünen", wie es in einer schriftlichen Stellungnahme der zuständigen Pressesprecherin an die APA hieß: "Das Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung ist als Bestbieter aus der Ausschreibung der Abteilung hervorgegangen. Der Bieter Jugendkultur.at verfügt im Feld der Jugendforschung nicht nur über umfangreiche und ausgewiesene Erfahrung, sondern zudem über umfangreiche Exklusivdaten, auf welche andere Bieter sogar verweisen. Bernhard Heinzlmaier wurde zudem für seine wissenschaftliche Arbeit von Bundespräsident Van der Bellen die Professur verliehen." (Lisa Nimmervoll, 11.8.2023)

Update: Um 14:22 Uhr wurde eine Stellungnahme aus dem Jugendstaatssekretariat eingefügt.